Ruttebüller See
Koogsinspektor: Besondere Welt lebendig erzählt
Koogsinspektor: Besondere Welt lebendig erzählt
Koogsinspektor: Besondere Welt lebendig erzählt
Der BDN-Ortsverein Hoyer war zu Besuch beim Koogsinspektor, Dorfhistoriker und Binsenflechter Thomas Georg Nielsen
„Alles, was rund um den Ruttebüller See an Pflanzen wuchs, ist früher in irgendeiner Weise verarbeitet worden“, erklärte der als Koogsinspektor, Dorfhistoriker und in den vergangenen Jahren besonders auch durch seine kunstvollen Binsenflechtereien bekannt gewordene Thomas Georg Nielsen.
In seiner Werkstatt und heimatkundlichen Sammlung war der Ortsverein Hoyer des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN) Montagabend zu Gast. 25 Interessierten erklärte Nielsen, dass er alljährlich „erst nach Sankt Hans, wenn die Vögel ihre Brutzeit beendet haben“, die Binsen, auf Sønderjysk „æ pække“ genannt, am See und an der Wiedau schneidet.
Anschließend wird das Material im Schatten mehrere Monate getrocknet, um dann nach weiteren Behandlungen, z. B. einer einstündigen Wässerung, für das Flechten bereit zu sein. Die Besucher waren beeindruckt von dem reichen Sortiment an Matten, Körben, Taschen und Schuhen, sogar ein Zeitungshalter als Sonderanfertigung war zu sehen, den der auch als lebende Dorfchronik geschätzte Nielsen produziert.
Mit 60 angefangen
„Ich habe erst mit 60 mit dem Flechten angefangen, gezeigt hat mir es der damals 93-jährige Andreas Petersen“, so der wahre Kunsthandwerker aus Ruttebüll, der humorvoll von Sonderwünschen vieler Kunden, z. B. einem Korb speziell für heißes Gebäck, berichtete.
Ein weiterer Höhepunkt des Besuches bei Thomas Georg Nielsen war die Besichtigung seiner Foto- und Bildergalerie. Er berichtete über die Personen auf Fotos, die beim Fischen oder Transport von Erntegut oder Waren auf den kleinen Booten fotografiert worden sind, die in und um Ruttebüll jahrhundertelang das Haupttransportmittel gewesen sind. So erfuhren die Besucher auch von dem einstigen Klinkerweg in Ruttebüll, für dessen Befestigung kurz nach 1900 hart gebrannte Ziegel aus den Niederlanden per Schiff nach Hoyerschleuse und dann per „Togangsbåd“ bis nach Ruttebüll befördert wurden.
Die Ziegel der benachbarten Ziegelei in Rodenäs waren nicht hart genug für eine Nutzung als Straßenbelag.
Die ersten Autos
Zu sehen bekamen die Besucher auch ein Bild mit Porträts junger Ruttebüller, die am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatten. „Das Bild hat sich König Christian X. zeigen lassen, als er nach Ziehung der neuen Grenze 1920 Ruttebüll besucht hat“, so Nielsen, der berichtete, dass 1920 nicht nur neue Häuser für Grenzgendarme in Ruttebüll erbaut wurden, damals kamen auch erstmals Autos im Dorf zum Einsatz, das nun zum Grenzdorf geworden war.
Der früher zu Ruttebüll gehörende Ortsteil Rosenkranz war bei Deutschland geblieben. „Die Grenzlinie mitten auf der Straße haben wir dem japanischen Mitglied der Grenzkommission zu verdanken“, so Nielsen, der näher au die Zickzackgrenze einging, die sich auf Wunsch von
Anwohnern ergeben hat, die teilweise lieber zu Dänemark gehören, teilweise lieber Teil Deutschlands werden wollten.
Ruttebüll war lange Zeit ein Ort für sich. Erst 1960 bekam man Trinkwasser per Wasserleitung. Neben der Landwirtschaft spielte die Fischerei lange eine wichtige Rolle. So lagen die Fischereirechte im Bereich Hoyerschleuse lange in Händen von Ruttebüller und Rosenkranzer Fischern, die oft mehrere Tage in kleinen Fischerhütten am Hoyeraner Binnenhafen blieben.
Nach dem Kaffeetrinken in der Ruttebüller Jugendherberge berichtete Thomas Georg Nielsen über den Betrieb in den Kögen bei Ruttebüll. Erst mit der Eindeichung des Ruttebüller Koogs 1715 hatte das Dorf den direkten Kontakt mit dem Wattenmeer verloren.
Er stellte die wichtige Arbeit der Feldhüter, hierzulande „Varmand“ genannt, vor, ohne die die Landwirtschaft mit Gräsung von Schafen, Rindern und Pferden nicht lief. So berichtete Nielsen, dass sein Vater nach dem Melken der eigenen Kühe aufbrach, um die Tiere auf den Fennen in Augenschein zu nehmen.
„Liegende Tiere mussten hochgejagt werden“, so der Ruttebüller. Auch sorgte er dafür, dass die Tiere auf den richtigen Fennen blieben.
Das Ende der Feldhüter
Das Ende kam für die Feldhüter mit Einführung der Elektrozäune. Besonders wichtig waren sie, um die früher teilweise bis zu 600 Hengste unter Kontrolle zu halten, die teilweise von weit her zum Grasen in die Tonderner Marsch kamen.
Einige reisten per Bahn nach Hoyer, sogar aus Nordjütland. Ohne „Varmand“ war es den Besitzern der Ochsen und Pferde mitunter nicht möglich, diese von den Wiesen zu treiben. Ohne Verladung waren die Tiere lange Zeit über die Feldwege zum Markt nach Tondern abgetrieben worden.