Deutsche Minderheit

Eine Brückenbauerin mit dem Glauben als tragende Kraft

Eine Brückenbauerin mit dem Glauben als tragende Kraft

Eine Brückenbauerin mit dem Glauben als tragende Kraft

Lügumkloster/Løgumkloster
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Ellen Blumen an der Ahnengalerie der Familie Johannsen, die acht Generationen zählt. Foto: Monika Thomsen

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Das langjährige christliche Engagement von Ellen Blume wird mit der Bugenhagenmedaille ausgezeichnet. Bischof Gothart Magaard überreicht am Sonntag die Medaille. Die Kirchenälteste berichtet, wie sie als junges Mädchen in Flensburg die Suche nach dem lebendigen Gott aufnahm.

In einer ganz ungewohnten Rolle befindet sich in diesen Tagen die Kirchenälteste des Pfarrbezirks Hoyer/Lügumkloster, Ellen Blume, Lügumkloster.

Die in der kirchlichen Arbeit der Nordschleswigschen Gemeinde tief verankerte Frau plant, organisiert, backt und zieht in der Regel für Veranstaltungen an den Fäden.

Ellen Blume empfängt zum Beispiel Besuchergruppen und vermittelt ihnen das Leben in der Nordschleswigschen Gemeinde. Sie springt auch für Pastor Matthias Alpen in die Bresche, wenn er – wie jüngst beim deutsch-dänischen Pfingstsgottesdienst in Norderlügum (Nr. Løgum) –  anderswo Termine als Senior der Nordschleswigschen Gemeinde wahrnimmt.

Festgottesdienst mit Bischof

Am Sonntag, 12. Juni, 14 Uhr, steht Ellen Blume aber im Mittelpunkt, wenn Gothard Magaard, Bischof im Sprengel Schleswig und Holstein, ihr im Gottesdienst in der Kirche zu Lügumkloster die Bugenhagenmedaille überreicht.

Es ist die höchste Auszeichnung der Nordkirche für ehrenamtliches Engagement. Die Medaille wird für hervorragende Verdienste um das kirchliche Leben verliehen.

Zuletzt ging sie im Jahr 2000 nach Nordschleswig. Damals ebenfalls nach Lügumkloster, als der damalige Kirchenälteste Paul Clausen sie empfing.

Ellen Blume (l.) führt auch bei der Kirchenvertretertagung Protokoll. Neben ihr die Vorsitzende der Nordschleswigschen Gemeinde, Mary Tarp Foto: Volker Heesch

Gelebte Hilfsbereitschaft

Wenn sich die vielen Gäste anschließend in der örtlichen deutschen Schule zur nordschleswigschen Kaffeetafel treffen, gehört Ellen Blume ausnahmsweise nicht zu den Backenden und den ausführenden Kräften.

Für sie ein ganz ungewohntes Gefühl, dass andere Regie führen und sie nicht genau weiß, was auf sie zukommt. Es mag für sie kennzeichnend sein, dass sie dennoch vorgehorcht hat, ob sie irgendwie helfen könne.

„Ich finde es toll, dass ich vorgeschlagen worden bin, und es ist eine Ehre“, so Ellen Blume. Sie ist seit 2002 Kirchenälteste im Pfarrbezirk Hoyer/Lügumkloster.

Lieber im Hintergrund wirken

„Es mag in dem Sinne berechtigt sein, dass ich wohl die Dienstälteste als Kirchenvertreterin bin. Alles andere machen die anderen aber auch“, sagt sie bescheiden und will lieber im Hintergrund aktiv sein als im Mittelpunkt stehen.

Quasi entdeckt wurde dse seinerzeit von Pastor Gerhard Schmidt. „Er sah, dass ich viel machte mit den Kindern mit  Musik und Religion. Er hat dann gesagt: ,Ich will Sie im Pfarrbezirk haben'.

Da die Posten für Kirchenvertreterinnen und -vertreter voll besetzt waren, hat er kurzerhand die junge Lehrerin in das kirchliche Amt berufen.

„Das war 1970. Gewählt wurde ich 1975 – glaube ich“, sagt Ellen Blume.

Mit einem deutsch-dänischen Gottesdienst wurde 2018 in der Klosterkirche dem Ende des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren gedacht (Archivfoto) Foto: Elise Rahbek

In Hoptrup geboren und in Flensburg aufgewachsen

Das christliche Engagement ist ihr nicht in die Wiege gelegt worden. Diese stand 1945 im nordschleswigschen Hoptrup. Dort kam die kleine Ellen Johannsen am 18. April zur Welt. Wegen des Krieges hatte es die Familie aus Flensburg (Flensborg) in die mütterliche Heimat gezogen.

„Dort lebten wir, bis die Grenze 1947 wieder geöffnet wurde und wir nach Flensburg konnten“, berichtet Ellen Blume, die gemeinsam mit ihrem Bruder Peter Iver Johannsen aufwuchs.

„Mein Elternhaus war nicht christlich oder kirchlich geprägt“, erzählt sie.

„Warum gehen diese Leute freiwillig in die Kirche?"

Angefangen hatte alles während ihres Konfirmandenunterrichts. „Damals mussten wir so und so oft zum Gottesdienst. Das habe ich auch brav gemacht. Ich fand es aber total langweilig und habe in der Kirche nicht zugehört“, gesteht Ellen Blume rund 62 Jahre später.

Sie schaute sich von der Kirchenbank aus die Leute im Gottesdienst näher an. „Ich saß hinter älteren Damen mit einem Dutt. Da habe ich mir gedacht, wenn die freiwillig dahin gehen, dann muss es den lebendigen Gott geben, und ich habe mich auf die Suche gemacht“, so Ellen Blume.

Ellen Blume ist am liebsten aktiv und organisiert gerne. Foto: Monika Thomsen

Kirchliche Arbeit mitgestaltet

Zunächst machte sie sich daran, überall im kirchlichen Bereich mitzuarbeiten und aktiv zu sein. Sie sang im Kirchenchor mit und gestaltete auch Kindergottesdienste.

Nach ihrem Abitur machte die Flensburgerin ein soziales Jahr in Bethel.

„Ich dachte mir, da musst du jemanden finden, der dir Gott näherbringen kann. Die Arbeit mit den behinderten Kindern hat mir Freude gebracht. Von den Kranken habe ich gelernt, was Dankbarkeit ist. Das hat mich sehr geprägt damals“, berichtet die 77-jährige Kirchenälteste.

Sie wäre am liebsten in Bethel geblieben. Danach zog sie den Beruf als Sonderschullehrerin in Erwägung. „Erst musste ich jedoch die Ausbildung als Grund- und Hauptschullehrerin machen.“

Die Suche nach dem lebendigen Gott

Indes ging ihre Suche nach dem lebendigen Gott weiter.

„Ich habe ihn gefunden, den lebendigen Gott. Ein Professor, der mich als Studentin betreuen sollte, war mehr daran interessiert, wie ich zur Religion stehe, als an meinen Leistungen. Er entpuppte sich als gläubiger Christ. Gleiches galt für seine Familie und die Freunde, die im Haus ein- und ausgingen. Da habe ich gelernt, die Bibel mit ganz anderen Augen zu sehen, sodass man sich persönlich davon ansprechen lässt. Ich bin sehr vom Glauben getragen und versuche, es weiterzutragen“, berichtet Ellen Blume.

Kein lebendiges Gemeindeleben

Nach ihrer Ausbildung wurde sie nach Lügumkloster versetzt.

„Das war ein Schock. Hier gab es nichts Lebendiges in der Gemeinde, bevor Pastor Gerhard Schmidt den Jugendkreis auf die Beine stellte“, erinnert sich Ellen Blume, die im Alter von 21 Jahren ihren Dienst in Lügumkloster antrat.

„Nun rennen Sie mal nicht gleich weg"

„Ich wollte eigentlich wieder zurück nach Flensburg. Aber dann hat Pastor Schmidt, der ja energisch sein konnte, gesagt: Nun rennen Sie mal nicht gleich weg.“

Das nahm sie sich zu Herzen.

„Und dann habe ich ja einen Bauern geheiratet, und dann kommst du ja nicht mehr weg“, sagt sie lächelnd. In der Ehe mit Peter Blume wuchsen drei Töchter heran. Bis 2000 bildete der Hof auf Lügumberg (Løgumbjerge) den Lebensmittelpunkt.

Danach folgte der Umzug in die Klosterstadt. Mittlerweile lebt Ellen Blume seit zehn Jahren nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes allein in dem Eigenheim unweit der Klosterkirche.

Zur Familie der fünffachen Oma gehören die Töchter Tina in Vejle, Kirsten in Kopenhagen und Thea in Hammeleff (Hammelev).

Zu den von Ellen Blume gesetzten Akzenten, die durch die Jahre Bestand gehabt haben und immer noch existieren, gehört der Bibelgesprächskeis. Zudem initiierte sie einen Flötenkreis und später einen Musikkreis.

Ellen Blume gestaltet gemeinsam mit Pastor Matthias Alpen den Konfirmandenunterricht (Archivfoto). Foto: Elise Rahbek

„Es liegt an einem selbst, etwas daraus zu machen"

„Dieser Wunsch, aus Nordschleswig wegzugehen – jetzt habe ich gelernt, dass man nicht einfach sagen kann, dass nichts los ist. Es liegt an einem selbst etwas daraus zu machen“, so Ellen Blume.

Das war ein Schock. Hier gab es nichts Lebendiges in der Gemeinde, bevor Pastor Gerhard Schmidt den Jugendkreis auf die Beine stellte.

Ellen Blume, Kirchenälteste

Zu ihrem reichen Erfahrungsschatz gehört auch die Erkenntnis, dass die Nordschleswiger reservierter sind als die Flensburger.  

„Sie tragen nicht ihre innersten Gedanken zum Glauben auf der Zunge“, so ihre Erfahrung. „Alle sind nett, lieb und freundlich, und ich fühle mich in der Gemeinde rundum wohl", so ihre Feststellung, während der Regen auf das Dach ihres Wintergartens prasselt.

„Das ist gut für das Land“, stellt sie fest. Einmal Bauersfrau, immer Bauersfrau.

Drei Pastoren

Nach Pastor Gerhard Schmidt von 1968 bis 1982 folgte Wolfgang Kunkel von 1982 bis 2008 und danach Pastor Matthias Alpen.

Ich habe drei Pastoren „aufgeschlissen“ scherzt sie. „Statt zu meckern, lieber mithelfen“, ist ihr Motto, mit dem sie sich in die Gemeindearbeit einbringt.  

Beim Anstellungsgespräch mit Pastor Matthias Alpen hatte sie ihn darauf angesprochen, ob er Interesse an Unterricht für Minikonfirmanden hat.

„Das hatte er, und er hat mich dann anschließend angeheuert“, sagt die Kirchenälteste mit einem Lächeln. „Wir sind ein Team und haben sehr lebendige Stunden mit den Kindern.“

Als Minikonfirmanden wurden ursprünglich die Drittklässler im Gemeindehaus an das kirchliche Leben herangeführt. Manchmal kommen auch – je nach Größe der Klassengemeinschaften – die Viertklässler dazu.

Gemeindehaus voller Leben

„Es ist ein Riesenglück, dass wir unser Gemeindehaus haben, wo Leben drin ist. Das hat Pastor Gerhard Schmidt damals in die Wege geleitet“, so Ellen Blume zum damaligen Anbau an das Pastorat.

Während ihrer ehrenamtlichen Laufbahn im Bereich der Gemeinde, der Schule und dem Bund Deutscher Nordschleswiger hat Ellen Blume unzählige Protokolle verfasst.

„Allein bei der Gemeinde sind es mit dem Pfarrbezirk, dem Kirchenvorstand und den Kirchenvertretertagungen drei Gremien. Ich habe nie Einwände gehört“, sagt sie.

Foto: Ellen Blume Haustür

Ein Herz für die Schwachen

Herumsitzen ist nicht ihr Ding. So führt ihr ehrenamtlicher Weg jeden Morgen in die Deutsche Schule Lügumkloster zur Lesezeit, und sie erteilt auch Förderunterricht.

„Ich habe immer gerne mit Kindern gearbeitet, vor allem mit schwachen Kindern. Um die habe ich mich  hauptamtlich als Lehrerin auch immer besonders gekümmert“, berichtet die pensionierte Lehrerin, die gemeinsam mit ihrer damaligen Kollegin Hanne Meyer auch im Bereich der Minderheiten-Zweisprachigkeit Pionierarbeit geleistet hat.

Sie freut sich auch immer wieder über Kontakte zu ehemaligen Schülerinnen und Schülern. „Es ist schön zu hören, dass sie einen schätzen“, so Ellen Blume, die in einigen Fällen drei Generationen auf der Schulbank hatte.

„Großes Vertrauen erworben"

„Ellen Blume hat sich während der vergangenen Jahre auch bei der dänischen Gemeinde großes Vertrauen erworben und ist hoch respektiert“, berichtet Pastor Matthias Alpen. Er bezeichnet die Kirchenälteste auch als Brückenbauerin zwischen den Kulturen.

Seit einigen Jahren werden wechselweise im deutschen und dänischen Pastorat Pastoratsabende durchgeführt. Am Mittwoch, 15. Juni, ist es nach der Corona-Zwangspause wieder im dänischen Pastorat so weit.

Aber erst kommt der Festgottesdienst für Ellen Blume. Die Gemeinde und die deutsche Minderheit können sich glücklich schätzen, dass sie vor mehr als fünf Jahrzehnten Lügumkloster nicht gleich den Rücken kehrte.

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