Geschichte

Blick in Hoyers einstige Bohnerwachsfabrik

Blick in Hoyers einstige Bohnerwachsfabrik

Blick in Hoyers einstige Bohnerwachsfabrik

Hoyer/Højer
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Die alten Gebäude der Bohnerwachsfabrik wurden abgebrochen. Eine Fabrikhalle von 1950 wird von der Design-Højskole genutzt. Foto: Volker Heesch

Früherer Lehrling Per Jacobsen beleuchtete in Vortrag im Lokalhistorischen Verein den Betrieb des erfindungsreichen Unternehmers Christian Johannsen

Zu den ganz besonderen Kapiteln der Geschichte Hoyers zählt die vom örtlichen Erfinder und Unternehmer Christian Johannsen (1911-2003) gegründete Bohnerwachsfabrik. Im Anschluss an die Generalversammlung des Lokalhistorischen Vereins für Hoyer und Umgebung hat  kürzlich Per Jacobsen über seine Lehrzeit von 1960  bis 1964 und seine Tätigkeit  in dem Unternehmen berichtet. Die Firma hat in Spitzenzeiten 25 Mitarbeiter  beschäftigt, im teilweise erhaltenen Gebäudekomplex an der Hoyeraner Süderstraße ist eine Werkshalle ein Teil der Design Højskole  geworden.

Die im Bauhausstil von Johannsen errichtete  Villa  des Unternehmers am Alten Deich ist ebenfalls erhalten. Per Jacobsen verstand es bestens, das Leben in den Fabrikräumen mit Mitarbeitern wie Martin Damm, Hans Ferdinand Andersen, Johannes Knudsen, Niels Truelsen, Johannes und Laurids Holm  lebendig werden zu lassen.  „Kisse Chef“ nannten die Mitarbeiter Johannsen, der als Sohn des Hoyeraner Malers und auch begabten Kunstmalers Karl Johannsen geboren worden war. Siegfried Lorenzen beschrieb in einem Beitrag im Heft 81/2006 der Heimatkundlichen AG Johannsen als Tüftler, der nach Besuch der Kunsthandwerkerschule in Schwerin zunächst Versuche mit Farben und Wachs mit Schuhcreme als nützlichem Produkt durchgeführt hatte.

Ausgefeilte Technik der Bohnermaschinen

Per Jacobsen konnte über die ausgefeilte Technik der von Johannsen entwickelten Bohnermaschinen berichten, von denen ein Exemplar während des Vortrags ebenso wie die typischen Bohnermassebehälter der Hoyeraner Fabrik zu sehen waren.

Der Referent las aus Werbebroschüren der Firma „Kemi og Teknik for Gulvpleje“ vor, in denen die Kundschaft auf das Prinzip aufmerksam gemacht wurde, dass die Bohnermaschinen, Behälter und Bohnerlappen  nur leihweise zur Verfügung gestellt wurden, während die Bohnermasse käuflich erworben werden musste.

Jacobsen berichtete über die Herstellung aller Bauteile im Unternehmen, dem über das Eisenbahngleis am Grundstück Johannsens per Kesselwagen Terpentin in einen 30.000-Liter-Tank geliefert wurde. Die feuergefährliche Flüssigkeit war Teil der Bohnermasse, deren Rezepte Johannsen als Autodidakt in seinem eigenen großen Labor entwickelt hatte. Dort erfand er auch einen Vulkolan genannten Kunststoff, der an den Maschinen der Firma, aber auch in Werkzeugen Verwendung fand.

Erinnerungen an Christian Johannsen wurden im Vortrag wach, der alle Mitarbeiter siezte, so wie er – mit dem Fahrrad zwischen Fabrik und Wohnhaus unterwegs – seine Mitbürger stets unter Lüften des Hutes höflich grüßte. Und wenn Johannsen z. B. dabei Mitarbeiter erwischte, die auf der Drehbank etwas für jemanden außerhalb der Firma fabrizierten, kam die höfliche Kritik: „Wenn Sie zu viel Energie haben, dann wird gewiss auch etwas hier bei uns zu erledigen sein.“ 

Per Jacobsen lernte in den 1960er Jahren in der Bohnerwachsfabrik. Hinter ihm Bohnermaschine und -behälter. Foto: Volker Heesch

Farbig beschrieb Per Jacobsen das Treiben in der Mittagspause im Betrieb von 12 bis 13.30 Uhr, in der Mitarbeiter zum Essen nach Hause gehen konnten oder sich die Lehrlinge mit dem Nachwuchs anderer Unternehmen auf dem Markt in Hoyer bei Fahrradhändler  Falle Simonsen samt zugehöriger Gastronomie trafen. Für Schmunzeln sorgte Jacobsen  mit einem kleinen Exkurs durch das gesellschaftliche Leben der jungen Leute. Aus dem Kreis der älteren Mitarbeiter der Bohnerwachsfabrik habe es eine Initiative gegeben, dass die Jugend über den Laden von Barbier Petersen am Markt mit Kondomen versorgt werden sollte, damit es im Zuge von Techtelmechteln im Anschluss an die Tanzabende im Emmerleffer Strandhotel keine „Enttäuschungen“ geben sollte. 

Überhaupt wurden die Mitarbeiter am Montagmorgen in der Firma  gerne ins Verhör genommen, was sie am Wochenende, das aufgrund der Arbeit sonnabends  von 7 bis 12 Uhr gar nicht so lang war, vorgehabt hatten. Jacobsen bekam viel Beifall für seinen lebhaften Vortrag.

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