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Der Erfolgshunger wird bei Kevin Møller niemals gestillt

Der Erfolgshunger wird bei Kevin Møller niemals gestillt

Der Erfolgshunger wird bei Kevin Møller niemals gestillt

Flensburg
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Kevin Møller steht seit 2015 im Tor der dänischen Handball-Nationalmannschaft. Foto: Kent Rasmussen/Gonzales Photo/Ritzau Scanpixussen

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Kevin Møller ist im Januar zum zweiten Mal Handball-Weltmeister geworden. Der 33-jährige Nordschleswiger wird erst nach seinem Karriereende kapieren, was er alles gewonnen hat, versucht aber sich dafür Zeit zu nehmen, das Leben als Profisportler zu genießen, bevor alles vorbei ist. Der Torwart steht im „Nordschleswiger“-Interview Rede und Antwort.

„Der Nordschleswiger“: Du bist zweifacher Weltmeister, hast Silber bei den Olympischen Spielen geholt, die Champions League gewonnen und mehrere Meisterschaften in Deutschland und Spanien geholt. Ist das nicht weitaus mehr, als der kleine Junge aus Bedstedt (Bedsted) sich erträumt hatte?

Kevin Møller: „Die Träume leben immer. Obwohl ich sehr viel gewonnen habe, träume ich immer weiter und möchte weitere Titel gewinnen. Der Erfolgshunger wird nie gestillt. Ich werde nie satt. Als kleiner Junge hat man nur zu träumen gewagt, aber nicht gewusst, was alles an Arbeit dahintersteckt und was gefordert wird. Das findet man unterwegs heraus, ob man die Lust hat, diese Arbeit zu investieren. Und das war bei mir der Fall. Ich habe Spaß am Handball und habe diesen immer gehabt. Solange ich den habe, werde ich auch weitermachen und neue Herausforderungen suchen. Es ist schön, auf die Erfolge zurückzublicken, aber dafür ist keine Zeit. Mein Fokus liegt auf dem Hier und Jetzt, und der Blick ist nach vorn gerichtet. Ich blicke nicht nach hinten, und deswegen glaube ich auch, dass es mir noch nicht ganz klar geworden ist, was ich alles gewonnen habe. Das werde ich erst kapieren, wenn ich einmal meine Karriere beendet habe. Es ist schön, so viel gewonnen zu haben, möchte aber die Titel noch einmal holen.“

Kevin Møller jubelt mit Mathias Gidsel über den WM-Titel. Foto: Jens Dressing/Ritzau Scanpix

„Der Nordschleswiger“: Viele Sportler ärgern sich nach dem Karriereende, dass sie sich während ihrer Laufbahn nicht die Zeit genommen haben, die Erfolge zu genießen. Nimmst du dir die Zeit?

Kevin Møller: „Ja, das versuche ich. Ich versuche im Alltag daran zu denken, bei den Trainingseinheiten und bei den Busreisen. Ich empfinde es als gemütlich, mit den Freunden und Bekannten, die man findet, zu reisen, und versuche, diese gemeinsame Zeit zu genießen, denn plötzlich ist es vorbei. Dann hat man nicht mehr die Möglichkeit, sich sechs Stunden in den Bus zu setzen, sich zu unterhalten und eine Tasse Kaffee zu trinken. Ich erinnere mich öfter daran, dass ich es genießen muss, und ich genieße es auch mehr als noch vor fünf Jahren. Vor fünf Jahren war ich noch nicht so reif und habe nicht viel über die Dinge nachgedacht. Ich habe eigentlich nur gedacht, dass jetzt Training ist und dass es schnell überstanden ist, damit ich wieder nach Hause kann. Als älterer Spieler weiß ich jetzt, dass ich es genießen muss.“

„Der Nordschleswiger“: Dein nordschleswigscher Torwart-Kollege Thorsten Fries hat neulich im Nordschleswiger-Interview gesagt, dass er den Handball liebt, aber die Reisestrapazen hasst und auch deswegen aus dem Ausland nach Dänemark zurückgekehrt ist. Die Reisestrapazen machen dir nichts aus?

Kevin Møller: „Nein, die machen mir nichts aus. Im Gegenteil. Ich empfinde es als gemütlich, mit den Kumpels unterwegs zu sein. Wir haben gemeinsame Ziele und Aufgaben, und ich genieße es, dass wir uns in den Bus setzen können, uns gemeinsam einen Film ansehen, Karten spielen oder uns unterhalten können. Das ist für mich ein Luxus, und deswegen habe ich auch die Lust, weiter im Ausland zu spielen. Solange mir die Reisen Spaß machen, ich mich in der Mannschaft wohlfühle, möchte ich auch in Deutschland spielen und auf der europäischen Bühne Spiele bestreiten. Wenn ich davon einmal die Nase voll haben sollte, kann ich noch nach Dänemark zurückkehren, aber das scheint nicht der Fall zu sein.“

Foto: Claus Bech/Ritzau Scanpix

„Der Nordschleswiger“: Du bist 33 Jahre alt und hast im Oktober deinen Vertrag bei der SG Flensburg-Handewitt bis Mitte 2027 verlängert. Hast du überhaupt darüber nachgedacht, wann Schluss ist?

Kevin Møller: „Nein, diesen Gedanken habe ich nicht. Solange es mir Spaß macht und ich das Gefühl habe, auf höchstem Niveau meinen Beitrag leisten zu können, werde ich weitermachen. Dann werde ich mit einem gewissen Sinn für die Realität einmal entscheiden, wann Schluss sein muss. Ich möchte nicht derjenige sein, über den die Leute sagen, dass er vor drei Jahren hätte aufhören sollen. Aber umgekehrt möchte ich auch nicht zu früh aufhören. Mir ist bewusst, dass von einem mehr verlangt wird, wenn man lange oben bleiben will. Ich werde älter und kann nach dem Training nicht einfach nach Hause fahren, mich aufs Sofa legen und regenerieren. Davon wird der Körper steif, wenn man über 30 ist.“

„Der Nordschleswiger“: Was machst du im Vergleich zu vor fünf Jahren anders?

Kevin Møller: „Ich gehe spazieren, bewege den Körper. Ich mache Selbsttraining und liege an freien Tagen nicht einfach auf dem Sofa, sondern trainiere ein wenig und halte mich fit. Das können Fitness, Dehn- oder Geschmeidigkeit-Übungen sein. Man lernt langsam seinen Körper kennen.“

Niklas Landin und Kevin Møller verbindet seit vielen Jahren eine Freundschaft. Foto: Jens Dresling/Ritzau Scanpix

„Der Nordschleswiger“: Niklas Landin ist seit vielen Jahren die Nummer eins im dänischen Tor. Du stehst in der Nationalmannschaft meist in seinem Schatten, hast aber im WM-Finale im Januar eine tragende Rolle gespielt. Bedeutet dir der zweite WM-Titel aufgrund der größeren Rolle mehr als der erste?

Kevin Møller: „Nein, das finde ich nicht. Es war schön, im Finale reinzukommen und meinen Beitrag leisten zu können, weil man sich zuvor ein wenig gleichgültig gefühlt hat. Das ist aber auch ein Lob an Niklas, der über das ganze Turnier so gut gehalten hat. Es sind aber nicht nur die Handballspiele, die entscheiden, ob man eine Rolle hat oder nicht. Auch die Trainingseinheiten und das Soziale in der Mannschaft spielen eine Rolle. Der Handball bedeutet natürlich am meisten, aber viele Dinge sind bedeutend, und es geht auch darum, Dinge zu finden, mit denen man zum Erfolg beitragen kann.“

„Der Nordschleswiger“: Mit Niklas Landin bist du schon viele Jahre befreundet. Ihr wart damals Zimmergenossen an der Oure Idrætsefterskole. Ist das gute Verhältnis zu Niklas ein Vorteil für dich?

Kevin Møller: „Ja, das ist richtig, dass wir damals in Oure in einem Zimmer waren. Dass wir uns gut verstehen, ist eine Sache, man muss aber auch als Kollegen gut miteinander auskommen. Das weiß ein jeder, der eine Arbeit hat. Weil man sich gut kennt, arbeitet man nicht unbedingt am besten zusammen. Da spielen viele Dinge eine Rolle. Wir haben ein gutes Verständnis für das Spiel des anderen und wie wir einander unterstützen, damit wir unsere Ziele erreichen können, die Handballspiele zu gewinnen.“

Kevin Møller kam 2014 das erste Mal zur SG Flensburg-Handewitt. Foto: dpa

„Der Nordschleswiger“: Der Konkurrenzkampf in der dänischen Nationalmannschaft ist überaus groß. Bundesliga-Torschützenkönig Casper U. Mortensen wurde nicht nominiert und auch der Spielmacher von Bundesliga-Tabellenführer Füchse Berlin, Jacob Holm, hat beim WM-Titel in Schweden kaum eine Rolle gespielt. Wie siehst du den Konkurrenzkampf bei den Torhütern?

Kevin Møller: „Der Konkurrenzkampf ist hart. Das ist er schon seit Jahren. Niklas Landin, Jannick Green und ich sind fast ein Jahrgang, uns trennen nur ein Jahr. Wir haben immer mit und gegeneinander gekämpft. Emil Nielsen ist hinzugekommen und es rücken weitere junge Torhüter nach, die alles tun werden, Niklas oder mir den Platz zu entreißen. Das macht es für mich noch spezieller, dazuzugehören. Es gibt keine Freifahrtscheine. Man muss im Alltag immer seine Leistung bringen und seine Vorarbeit verrichten, um dabei zu sein und sich dafür verdient zu machen, am Ende die Trophäe in die Hände nehmen zu können. Das wird auch künftig ein harter Kampf sein, auch wenn Niklas und ich einmal aufgehört haben. Wenn man die derzeitige Talententwicklung in Dänemark betrachtet, wird es keine Positionen geben, wo der Konkurrenzkampf nicht groß ist.“

„Der Nordschleswiger“: Bei der SG Flensburg-Handewitt läuft es in der laufenden Saison mit Tabellenplatz fünf nicht ganz nach Wunsch. Was geht noch?

Kevin Møller: „Die letzten zwei Monate, der Dezember und der Februar, stimmen mich zuversichtlich. Obwohl wir nicht unseren besten Handball gezeigt haben, sind die Spiele gewonnen worden. Das, was zählt, sind die zwei Punkte. Der Titel ist nicht in unserer Hand, aber wir können unseren Job machen und die restlichen Spiele gewinnen. Dann sehen wir, was herausspringt. Mit ein wenig Glück und Schützenhilfe geht vielleicht noch was. Ich glaube auch dran, dass wir auf etwas längerer Sicht in der Bundesliga oben bleiben können. Wir haben zweifelsohne ein gutes Spielermaterial. Wir müssen nur ein stabileres Niveau finden und vermeiden, dass wir uns auswärts gegen schwächere Gegner nicht selbst in Schwierigkeiten bringen, wie wir es in der laufenden Saison getan haben.“

Kevin Møller mit der Meisterschale. Foto: Dewanger

„Der Nordschleswiger“: Du bist 2021 nach drei Jahren beim FC Barcelona zur SG Flensburg-Handewitt zurückgekehrt. Hat Corona dir die letzte Zeit beim FC Barcelona vermiest?

Kevin Møller: „Corona hat mich sehr gestört, aber ich versuche das Positive rauszuziehen. Dadurch hat sich für mich eine neue Tür geöffnet. Es war für mich eine Gelegenheit, über verschiedene Dinge zu reflektieren, woran ich arbeiten musste. Es hat auch dazu beigetragen, was ich heute bin. Ich habe mich in der Nationalmannschaft festgebissen. Ich wage nicht zu sagen, ob das auch ohne passiert wäre. Aber ich hatte die Zeit, um mit verschiedenen Dingen zu arbeiten. In der Zeit, in der wir kein Handball-Training durchführen konnten, habe ich viel am Körper und im mentalen Bereich gearbeitet. Auch die Videoanalyse ist intensiviert worden. Ich habe weitere Werkzeuge hinzubekommen.“

Kevin Møller stammt aus Bedstedt (Bedsted) bei Lügumkloster (Løgumkloster) und hat nach seinen Jugendjahren bei Tinglev IF und GOG bei Faaborg HK (2006-08), HK Viking Stavanger (2010-11), GOG (2011-14), SG Flensburg-Handewitt (2014-18), FC Barcelona (2018-21) und SG Flensburg-Handewitt (2021-) gespielt.

Er feierte im Juni 2015 sein Debüt in der dänischen Handball-Nationalmannschaft und hat bislang an sechs Endrunden teilgenommen: EM 2016 (6. Platz), EM 2018 (4.), WM 2021 (1.), Olympische Spiele 2020 (2.), EM 2022 (3.) und WM 2023 (1.).

Neben den zwei WM-Titeln mit Dänemark und dem Olympia-Silber von Tokio ist er mit der SG Flensburg-Handewitt 2018 deutscher Meister geworden und hat mit dem FC Barcelona die Champions League 2021 sowie drei spanische Meisterschaften gewonnen.

Kevin Møller lebt mit seiner Lebensgefährtin und 16 Monate alten Tochter in Handewitt (Hanved).

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