Thema der Woche: Mobilität in Nordschleswig

Mangel an Busverbindungen mit Hilfsbereitschaft überbrückt

Mangel an Busverbindungen mit Hilfsbereitschaft überbrückt

Mangel an Busverbindungen mit Hilfsbereitschaft überbrückt

Hoyer/Højer
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Mit öffentlichen Verkehrsmitteln mutiert die Fahrt von Hoyer nach Sonderburg zur Tagesreise. (Archivfoto) Foto: Privat

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Wenn man in Nordschleswig zu einem bestimmten Zeitpunkt von der West- an die Ostküste will und nicht selbst Auto fahren kann, bieten sich ziemliche Herausforderungen. Volker Heesch hat das quasi an der eigenen Hand erfahren.

Dass es eine Herausforderung von Format ist, wenn man mit öffentlichen Verkehrsmitteln einmal quer durch Nordschleswig von Hoyer nach Sonderburg (Sønderborg) und retour will, diese Erfahrung hat Volker Heesch, Redakteur des „Nordschleswigers“, gemacht.

Heesch wurde auf die Probe gestellt, als er die 80 Kilometer von seinem Wohnort in die Alsenmetropole wegen einer Handoperation nicht am Lenkrad seines Autos zurücklegen konnte.

Daher freut er sich über die Hilfsbereitschaft von Kolleginnen, die in die Rolle als Privatchauffeurin schlüpften.

Ausgedünntes Busangebot

„Dann stellt man fest, dass das Busangebot während der vergangenen Jahre stark ausgedünnt worden ist. Während der vergangenen Jahre ist es vor allem noch schwieriger geworden, längere Strecken mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewältigen. Der Besuch zu einer kurzen ambulanten Behandlung in Sonderburg von Hoyer aus wird zu einer Tagesreise“, sagt Heesch.

Volker Heesch mit verbundener „Pfote". Mittlerweile ist er den Verband nach der erfolgreichen OP wieder los. Foto: Privat

Aus den gewöhnlich insgesamt rund zwei Stunden Fahrzeit wird dann ein Ganztagesprojekt – verbunden mit viel Wartezeit.

Volker Heesch, der sich mit Fahrplänen auskennt, hätte kurz nach 8 Uhr aus Hoyer losmüssen und wäre erst gegen 18 Uhr wieder zu Hause gewesen. Er hätte morgens den Bus von Hoyer nach Tingleff nehmen müssen, um dort mit dem Zug nach Sonderburg zu kommen. 

„Zurück hätte ich dann den Bus von Sonderburg nach Apenrade und von da nach Tondern nehmen müssen“, berichtet er.

Während der vergangenen Jahre ist es vor allem noch schwieriger geworden, längere Strecken mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewältigen. Der Besuch zu einer kurzen ambulanten Behandlung in Sonderburg von Hoyer aus wird zu einer Tagesreise.

Volker Heesch, Redakteur

Erschwerend komme hinzu, dass die Züge von Tingleff aus momentan nur im Zwei-Stunden-Takt fahren würden. „Da kommt es zu großen Wartezeiten“, so Heesch. Er hätte nicht nur früh aus Hoyer starten müssen, sondern wäre auch viel zu früh in Sonderburg eingetroffen.

Wie sich die Sache mit dem Flex-Angebot gestaltet hätte, hat er nicht überprüft. Diese Fahrzeuge in Regie von „Sydtrafik“ fahren nur nach vorheriger Bestellung.

„Dazu kommt noch, dass man zurzeit wegen Corona keine Tickets bar kaufen kann, sondern eine Rejsekort haben muss“, berichtet er.  

Die Busse sind in Tondern nicht besonders gut auf die Züge abgestimmt. Foto: Brigitta Lassen

Da der direkte Anschluss zwischen Tondern-Apenrade aus dem Verkehr gezogen worden ist, geht es über Tingleff, und es müssen bei den Fahrzeiten längere Umwege in Kauf genommen werden.

„Wenn man berufsmäßige Fahrten nehmen würde, ginge es gar nicht. Das ist kaum zu bewältigen“, so Heesch.

Niederflur-Busse Mangelware

Im Vergleich mit Schleswig-Holstein, wo es überall Niederflur-Busse gibt, ist er verwundert, dass es diese Möglichkeit hier in der Region nicht gibt.

Der schwierige Einstieg würde die älteren Leute davon abhalten, die Busse zu nutzen, wenn sie zum Beispiel ihren Rollator mitbringen müssen.

Viele Ältere würden daher Fahrordnungen benutzen. Damit werde auch die Grundlage für die Busse entzogen.

„Eigentlich sind die Fahrpläne bei uns auf die Schüler ausgerichtet“, so Heesch.

Mit dem öffentlichen Bus wird die Fahrt quer durch Nordschleswig zu einem zeitaufwendigen Unterfangen. Foto: Paul Sehstedt

„Große Lücken für die Reisenden"

Er merkt an, dass die Busse nicht sehr gut auf die Züge in Tondern abgestimmt sind.

„Da gibt es große Lücken, wenn die Reisenden aus dem Fernverkehr kommen und es mit dem Weiterkommen kaum klappt. Bei Flexbus muss man viel Zeit einplanen. Man kann froh sein, wenn Freunde und Verwandte Zeit haben, einen zu fahren“, so Heesch.

Extrem spärlich sei das Busangebot an den Wochenenden zwischen Tondern und Hoyer.

Buskarten gehen ins Geld

Trotz des ausgedünnten Angebots seien die Preise für das Busfahren sehr hoch. Das lade auch dazu ein, sich fahren zu lassen.

 „Umgerechnet kostet eine Fahrt von Tondern nach Hoyer über 10 Euro, während ein Schleswig-Holstein-Ticket 30 Euro kostet“, so Heesch.

„Der kleine Ort ist nicht nach mir benannt", sagt Volker Heesch mit einem Lächeln. Er ist gewöhnlich auch südlich der Grenze mit dem Fahrrad und der Bahn unterwegs. Foto: Privat

Volker Heesch, der ansonsten täglich auf dem Fahrrad unterwegs ist, war in den vergangenen auto- und fahrradfreien Wochen sehr viel spazieren.

Er hatte sich auch überlegt, wenn alle Stricke reißen sollten, von Hoyer nach Tondern auf dem Radweg entlangzugehen. 

Als ein Fahrrad nicht nötig war

„Meine Oma hat davon erzählt, dass sie im Ersten Weltkrieg von Hoyer zu Verwandten nach Ballum zu Fuß gegangen sind. Mein Urgroßvater Claus Matthiesen hielt seinerzeit das Fahrrad für unnötig. Zu meiner Oma und ihrer Schwester hat er gesagt, man braucht nicht weiter, als was man zu Fuß bewältigen kann“, berichtet Heesch verschmitzt.

„Allerdings hatte Hoyer damals im Vergleich zu heute eine traumhafte Verbindung mit der Eisenbahnverbindung von Tondern zur Hoyer Schleuse. Damals gab es sogar noch direkte Schnellzüge von Hoyer nach Hamburg. Hoyer war schon mal besser dran“, stellt er mit Blick auf vergangene Zeiten fest.

Volker Heesch
Volker Heesch Foto: Karin Riggelsen

Er weist darauf hin, dass mit dem Nationalpark Wattenmeer der Umweltschutz und die Natur im Mittelpunkt stehen, es werde aber den Urlaubern sehr schwer gemacht, den öffentlichen Verkehr zu nutzen.

Damit werde zum Beispiel das Angebot mit Wanderurlauben untergraben.

„Bei Radtouren ist das Unternehmen Arriva jedoch vorbildlich, da man kostenfrei Fahrräder mitnehmen kann“, so Heesch, der sich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln auskennt, da er sehr viele Fahrten zum Beispiel im Zug von Tondern nach Kopenhagen oder von Tondern nach Schleswig-Holstein unternimmt.

Volker Heesch bei einer Wattwanderung Foto: Monika Thomsen

„Ich muss einräumen, ich parke dann mein Auto beim Bahnhof in Tondern, da es mit der Busverbindung aus Hoyer hapert. Oder ich nutze mein Fahrrad als Zubringer und nehme es im Zug mit. Je nach Windrichtung radele ich dann nach Tondern oder bei Nord-Ost-Wind nach Klanxbüll“, so Heesch, der sich bei Einsätzen in der Lokalredaktion in Tondern sehr oft in Hoyer auf das Fahrrad schwingt, um mit Beinarbeit zur Arbeit in die Wiedaustadt zu gelangen.

„Angesichts des bestehenden Busangebots ist es sehr dringlich, dass Lücken im Radwegenetz ausgefüllt werden, damit auch Jugendliche sicher loskommen können.“

Viele Elektro-Räder gesichtet

In seiner von der Umwelt abgeschnittenen Zeit ohne eigenes Auto ist ihm aufgefallen, dass auch in der stürmischen Ecke des Landesteils in Hoyer viele Ältere auf Elektro-Rädern unterwegs sind.

„Es war schon ein interessantes Erlebnis und eine Form der Entspannung, mehrere Wochen kein Auto zu fahren. Ich konnte zum Glück trotz verbundener Hand viel laufen und bin in sehr vielen Ecken rund um Hoyer spaziert, die ich lange nicht besucht habe“, berichtet Volker Heesch.

Volker Heesch ist sehr gerne in der Natur unterwegs. Foto: Privat

In einer Familie ohne eigenes Auto aufgewachsen

Ohne eigenen Pkw von A nach B zu kommen, ist Volker Heesch nicht fremd. Er ist in Heide in einer Familie ohne Auto aufgewachsen.

„Mein Vater ist Eisenbahner gewesen, wir hatten kein Auto und haben uns mit Zug und Fahrrädern beholfen. In meiner Kindheit sind wir immer mit dem Zug und Bus nach Hoyer gekommen und hatten die Fahrräder mit“, so Heesch, der in seiner Jugend auch viel getrampt ist.

Nun freut er sich darauf, wenn er nicht nur wieder Auto fahren, sondern auch mit dem Zweirad die Gegend erkunden kann.

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