Leitartikel

„Falsche Geborgenheit“

Falsche Geborgenheit

Falsche Geborgenheit

Nordschleswig/Kopenhagen
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Eine neue Polizei-Absprache sorgt für mehr Beamte und mehr Nähe. Für mehr Geborgenheit sorgt aber eher eine neue Super-Einheit, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Die dänische Polizei erhält ab 2021 neue und bessere Arbeitsbedingungen: 450 neue Mitarbeiter, weitere 115 Bedienstete deren Aufgaben von anderen Behörden übernommen werden und daher nun für Polizeiaufgaben verwendet werden können, neue Waffen und eine neue Super-Polizeieinheit – eine Art dänisches FBI.

Aber die Politik gibt der Polizeileitung nicht freie Hände, sondern hat zum Teil bestimmt, was die Polizei zu tun hat – und wie. Zu diesen neuen Mitarbeitern sagt die Polizei natürlich nicht nein, aber die Frage ist, ob die Polizei nicht anders priorisiert hätte als die Politiker.

Zum Beispiel verlangt die Politik in der Absprache, dass 20 neue Nah-Polizeiwachen errichtet werden, mit etwa 110 Mitarbeitern, die vor Ort für „Ruhe und Ordnung“ sorgen sollen. Die Platzierungen stehen auch mehr oder weniger fest. In Esbjerg soll die Wache in einem „Ghetto“-Wohngebiet entstehen – nur fünf Minuten von einer existierenden Polizeiwache. In der Kommune Tondern ist ebenfalls eine neue Polizei-Dienststelle geplant.

Die Nähe der Beamten zur Bevölkerung soll für mehr Geborgenheit sorgen. Echt jetzt? Bedeuten fünf Beamten in der Kommune Tondern – mit 1.278 Quadratkilometern flächenmäßig die viertgrößte Kommune des Landes – dass sich die Bevölkerung sicherer fühlt? 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag? Wird es dadurch in der Kommune Tondern weniger Kriminalität geben?

Natürlich freut sich Tonderns Bürgermeister Henrik Frandsen über die neue Polizeiwache – und die damit verbundene Aufmerksamkeit, und dass, man die Kommune am westlichsten Zipfel des Landes auf Christiansborg nicht vergessen hat.

Aber es geht bei der heutigen Kriminalität und Geborgenheit nicht mehr um Präsenz oder die Aufklärung von Fahrraddiebstählen und anderen Kleinigkeiten auf dem Lande. Das Gerede darüber, dass wir mehr Polizei auf den Straßen brauchen, sorgt eher für weniger Geborgenheit, weil es einen Bedarf suggeriert.

International organisierte Kriminalität, Bandenkriminalität, Geldwäsche, finanzieller und digitaler Kriminalität muss mit organisierter und digital-kompetenter Polizei begegnet werden. Nicht mit lokalen Einheiten, die uns vorgaukeln, dass unser Örtchen jetzt sicherer ist.

Das gibt es zum Glück auch in der neuen Absprache, in der unter anderem die nationalen Polizeieinheiten für digitale Kriminalität, finanzielle Kriminalität und Kriminaltechnik konzentriert und mit einer mobilen Reiseeinheit erweitert werden – ein dänisches FBI sozusagen, das bei komplizierten Fällen alle Fäden in der Hand hält.

Aber hoffentlich bekommt die Polizei bald wieder freie Hand, sich so zu organisieren, wie es am meisten Sinn ergibt – und nicht nach dem Wunsch von Politikern, die dadurch ihre Tatkraft zum Ausdruck bringen möchten. Eigentlich tun sie uns damit keinen Gefallen.

 

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