Küstenschutz und Natur

Einweihung des „neuen“ Deiches jährt sich zum 40. Mal

Einweihung des „neuen" Deiches jährt sich zum 40. Mal

Einweihung des „neuen" Deiches jährt sich zum 40. Mal

Hoyer/Højer
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Seit 40 Jahren schützt der am 10. Mai 1982 offiziell eingeweihte Deich zwischen Emmerleff und dem Hindenburgdamm das Hinterland vor Sturmfluten. Die Wiedauschleuse (Foto) ist ein stark frequentiertes Ziel für Touristen. Auch viele Vogelkundler kommen hierher, um beispielsweise Flussseeschwalben (Bildmitte) zu beobachten, die im angrenzenden Margrethenkoog brüten. Foto: Volker Heesch

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Zum Jubiläum keine Festlichkeiten an der Wiedauschleuse in Sicht. Am 10. Mai herrschte dort im Beisein von Koogs-Namensgeberin Königin Margrethe und Bundespräsident Karl Carstens ein Riesenandrang. Der Naturschutz hat im Koog heute Vorrang.

Am 10. Mai jährt sich zum 40. Mal die feierliche offizielle Einweihung des seit 1978 erbauten deutsch-dänischen Deiches zwischen Emmerleff Kliff (Emmerlev Klev) und dem Hindenburgdamm in der Gemeinde Rodenäs (Rodenæs). Mit der 119 Millionen Kronen teuren Küstenschutzanlage wurden zugleich der Margrethenkoog und der Rickelsbüller Koog zwischen der neuen Deichlinie und dem alten Seedeich im Bereich des Vorlands und eigentlich noch nicht eindeichungsreifen Wattenmeerflächen landfest gemacht.

Entscheidung zum Deichbau nach schwerer Sturmflut

Die Entscheidung zum Bau des neuen Deiches war mit einem Folketingsbeschluss am 8. Juni 1977 gefallen. Es war eine Reaktion auf die schwere Sturmflut am 3. Januar 1976, bei der der alte Seedeich von 1861 bei Hoyer gerade noch den tosenden Meeresfluten standhalten konnte. Wegen drohender Überschwemmung der Tonderner Marsch waren zahlreiche Einwohner evakuiert worden.

Dieses Foto hat der damalige Fotograf des „Nordschleswigers", Helge Grøhn, am 10. Mai 1982 aufgenommen, als Königin Margrethe eine Gedenktafel gemeinsam mit Bundespräsident Karl Carstens am Schleusenbauwerk einmauerte. Der neue Koog auf dänischer Seite der Grenze erhielt den Namen des Staatsoberhauptes. Der neue deutsche Koog wurde nach dem einst im Meer dort untergegangenen Dorf Rickelsbüll benannt. Foto: Helge Grøhn

 

Zur Einweihung 1982 waren die Staatsoberhäupter Dänemarks und der Bundesrepublik Deutschland, Königin Margrethe II. und Bundespräsident Karl Carstens, angereist. Sie würdigten in ihren Ansprachen nicht nur das Küstenschutzprojekt als wichtiges Bauwerk zur Sicherung Tausender Einwohnerinnen und Einwohner der Küstenregion, sondern auch als Ergebnis der guten deutsch-dänischen Zusammenarbeit.

Keine Feier zum 40. Jahrestag

Tonderns Bürgermeister Jørgen Popp Petersen (Schleswigsche Partei) erklärte, dass zum 40. Jahrestag der Deicheinweihung keine besonderen Festlichkeiten geplant seien. „Im Sommer besucht die Königin die Kommune Tondern. Da gibt es ein umfangreiches Programm mit Festlichkeiten“, so der Bürgermeister. Vor 15 Jahren hatte die Kommune Hoyer (Højer) eine kleine Jubiläumsfeier an der Wiedauschleuse veranstaltet.

Zwischen Bundespräsident Karl Carstens und Königin Margrethe zeigt dieses Bild vom 10. Mai 1982 den dänischen Staatsminister Anker Jørgensen (Soz.), der den Bau des neuen Deiches maßgeblich unterstützt hatte. Neben der Königin der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg (CDU) Foto: Helge Grøhn

 

Ehrengast war damals Anker Jørgensen (Soz.), der nach einem Besuch an der sturmumbrausten Hoyerschleuse Anfang 1976 als Staatsminister entscheidenden Anteil an den politischen Weichenstellungen zum Bau des als „Det Fremskudte Dige“ bezeichneten Bollwerks gegen die Nordseefluten hatte.

Deich angesichts des Klimawandels vorteilhaft

Angesichts des Klimawandels mit beschleunigtem Meeresspiegelanstieg ist man heute froh über die Entscheidung, dass ein Deich mit einer Höhe von 7,45 Metern über dem mittleren Wasserstand (Normalnull) erbaut worden ist. Im November 1981, vor dem Abschluss der Bauarbeiten, überstand der neue Deich seine bisher größte Bewährungsprobe – den bis heute nicht wieder erreichten Sturmflutwasserstand von 4,97 Metern über Normalnull, ausgelöst durch einen schweren Orkan.  

Der Deich zwischen Emmerleff Kliff und Hindenburgdamm

Länge des Deiches Rodenäs-Emmerleff: 12,2 Kilometer (davon auf deutscher Seite 3,6 Kilometer)

Deichhöhe: 7,45 über Normallnull, Breite 85 Meter

Deichschrägung: seewärts 1:10, auf der Koogsseite 1:3

Entwässerung über die Wiedauschleuse durch drei 7 Meter breite Kammern mit selbst schließenden Toren und zusätzlichen Toren in Sturmflutsituationen

Baukosten: 119 Millionen Kronen. Zuschuss für Bau der  Wiedauschleuse in Höhe von 7,8 Millionen Kronen aus Deutschland, da sie auch der Entwässerung deutschen Territoriums dient.

60 Prozent der Baukosten bezahlte der dänische Staat, 27 Prozent das Amt Nordschleswig, die Kommunen Hoyer und Tondern 13 Prozent.

Durch die geöffneten Schleusen können bis zu 250 Kubikmeter Wasser pro Sekunde abfließen

Die Wiedauschleuse liegt 1.400 Meter westlich der alten Hoyerschleuse von 1861. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Im neuen Margrethenkoog wurde nur ein Teil der Fläche der landwirtschaftlichen Nutzung zur Verfügung gestellt. Von den 1.200 Hektar Koogsland im dänischen Margrethenkoog wurden 350 Hektar als Reservoir zur Aufnahme von Binnenwasser der Wiedau eingerichtet.

Koog dient als Reservoir für Wiedauwasser

Neben dem hohen Wasserstand des Wattenmeeres sorgt bei Sturmlagen die damit verbundene Schließung der Seeschleuse für einen „Rückstau“ in der Wiedau, der zu Überschwemmungen führen kann. 1983 wurden weitere 260 Hektar ehemaliges Watt im Südteil des neuen Kooges als Salzwasserbiotop eingerichtet. Es wird Salzwasser aus dem Wattenmeer eingepumpt, um den Bereich als künstliche Futterkammer als Ausgleich für verloren gegangenes Vorland und Wattflächen den Brut- und Rastvögeln anzubieten. In den kommenden Jahren soll auch im nördlichen Teil des Margrethenkoogs zusätzlich Reservoirfläche für die Wiedaufluten geschaffen werden, denn angesichts des Klimawandels mit häufigerem Starkregen erhöht sich die Überschwemmungsgefahr in der Tonderner Marsch, die teilweise nur knapp über dem Meeresspiegel liegend durch Schöpfwerke trocken gehalten wird.

Protest gegen Deichbau 1982

Bereits vor der Eindeichung des Margrethenkoogs und des Rickelsbüller Koogs gab es internationale Proteste gegen das Deichprojekt, weil damit wichtige Nahrungsgründe für Tausende Zugvögel und Brutbereiche geschützter Arten zu verschwinden drohten. Sogar der damalige Präsident der Naturschutzstiftung WWF, der britische Prinz Philip, setzte sich bei einem Besuch in der Wiedingharde für eine naturverträglichere Deichverstärkung ein.

Bei der Einweihung des neuen Deichs am 10. Mai 1982 wurden demonstrierende Kritiker des Projektes von der Polizei abgeführt. Das Foto zeigt Lurenbläser, die vom Dach des Schleusenturmes aus ihren urtümlichen Instrumenten nationalromantische Töne erklingen ließen, wo sonst die Stimmen der Seevögel zu hören sind. Foto: Volker Heesch

 

Während der Einweihungsfeier vor 40 Jahren an der Wiedauschleuse wurden dort Demonstranten von der Polizei abgeführt.

Heute hat der Naturschutz Vorrang

Seitdem hat sich der Wind in Sachen Naturschutz am Wattenmeer gedreht. Inzwischen ist dort ein Nationalpark eingerichtet worden, und der gesamte Südteil des Margrethenkoogs wird in Regie der staatlichen dänischen Naturbehörde nach Naturschutzvorgaben „bewirtschaftet“. Es wird dort durch Einpumpen von Wiedauwasser ein Großteil der Flächen künstlich vernässt, es werden Brutinseln für Seeschwalben, Säbelschnäbler und andere See- und Wiesenvögel angelegt.

An der Wiedauschleuse sind viele Vögel des Wattenmeeres wie die abgebildeten Säbelschnäbler zu sehen. Foto: Volker Heesch

 

Hintergrund sind teilweise bedrohliche Bestandsrückgänge bei vielen zu schützenden Arten, selbst bei einst häufig vorkommenden Austernfischern oder Sandregenpfeifern. Sogar elektrische Zäune werden gegen Raubsäuger wie Fuchs und Marderhund installiert, um Brutplätze zu schützen. Untersuchungen zeigen, dass dieses Umweltmanagement das Vorkommen des Kiebitz gestärkt hat, sogar seltene Arten wie der Kampfläufer sind wieder als Brutvögel aufgetaucht. Die Natur hat sich in den vergangenen 40 Jahren im Margrethenkoog deutlich verändert.

Die Wiedauschleuse von der Seeseite. In den 1990er Jahren existierte für einige Jahre eine Schiffsverbindung zwischen dem dortigen Kai und dem Hafen von List auf Sylt. Foto: Volker Heesch

 

Von Oktober bis Ende Mai prägen riesige Schwärme von Nonnengänsen das Bild, die zur Zeit der Eindeichung noch als bedrohte Art galten. Auch fliegen Seeadler auf der Suche nach Nahrung über dem Koog – wohl beeinflusst durch den Klimawandel haben neue Arten wie der Löffler und das Blaukehlchen Einzug gehalten. Einst häufige Flussseeschwalben waren zeitweise kaum noch als Brutvögel präsent. An der Wiedauschleuse ist eine kleine Wattenmeerausstellung eingerichtet worden, außerdem sorgt ein Restaurant für ein gastronomisches Angebot.

Aussichtsplattform noch nicht zugänglich

Auf dem Schleusenturm, von dem aus die Technik der Schleuse gesteuert wird und der auch als Wetter- und wasserwirtschaftliche Messstation dient, ist eine Aussichtsplattform im Rahmen des Projektes Tonderner Marsch eingerichtet worden.

Das Foto zeigt die neue Aussichtsplattform auf dem Turm des Schleusenbauwerks, die aber wegen technischer Probleme noch nicht genutzt werden kann. Foto: Volker Heesch

 

Wann diese eröffnet wird, ist noch offen, da aktuell eine Lösung für die Geländer angestrebt wird, die sich unbeabsichtigt als pfeifendes „Musikinstrument“ entpuppt haben. Vor allem zwischen der Wiedauschleuse und Emmerleff Kliff hat sich neues Vorland gebildet. Als Folge des Deichbaus ist auch die Küste entlang der Emmerleffer Steilküste verlandet, der Sandstrand ist weitgehend verschwunden, und das Kliff ist stark von Vegetation geprägt.

Die Wiedauschleuse und der dortige Deich sind ein Besuchsziel für Tausende Einheimische und Touristen. Trotz Einbeziehung ins Wanderroutennetz Tonderner Marsch wird der Aussichtspunkt vor allem per Auto angesteuert. Der Wunsch nach einem direkten Spazierweg von Hoyer zu der inzwischen 40 Jahre alten Schleuse ist bis heute nicht erfüllt worden. Der südliche  Teil des Margrethenkoogs ist für Besucherinnen und Besucher im Rahmen des geltenden Naturschutzkonzeptes gesperrt. Einblick ins dortige Leben bietet aber der Weg in den Rickelsbüller Koog entlang der deutsch-dänischen Grenze bei Sieltoft (Siltoft).        

 

 

 

 

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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