Naturvermittlung

Mathematiklehrer auf Giersch-Pirsch

Mathematiklehrer auf Giersch-Pirsch

Mathematiklehrer auf Giersch-Pirsch

Holbi/Holdbi
Zuletzt aktualisiert um:
Connie Nielsen
Mathematikkoordinatorin Connie Nielsen (l.) freut sich, dass die Lehrer ihrem Aufruf mit so viel Begeisterung gefolgt sind. Auf dem Foto wird gerade fleißig der Fladenbrotteig vermengt und verknetet. Foto: Karin Riggelsen

Bruch- und Prozentrechnung lässt sich auch in und mit der Natur lernen – wie das geht, zeigen die Naturvermittler in der Kommune Apenrade.

Bruch- und Prozentrechnung lässt sich auch in und mit der Natur lernen – wie das geht, zeigen die Naturvermittler in der Kommune Apenrade.

Auf dem Gelände der Naturschule in der Kelstruper Schonung bei Holbi in der Nähe von Krusau ist am Mittwoch schwer was los: 60 Mathematiklehrer  aus der ganzen Kommune sind  dort zu einer besonderen Fortbildung versammelt. Wie man den Mathematikunterricht in die Natur verlegen kann, ist Thema der besonderen Fortbildungsmaßnahme, die die beiden Naturschulen  in der Kommune Apenrade gemeinsam mit der Mathematikkoordinatorin Connie Nielsen ausgedacht und geplant hatten und nun durchführten.

„Wir waren etwas skeptisch, wie die Mathematiklehrer wohl das Angebot annehmen würden, aber die Sorge zeigte sich als unbegründet. 60 Mathematiklehrer nehmen teil“, freut sich Naturvermittlerin Trine Sørensen von der Naturschule Skovlyst in Apenrade. „Noch erfreulicher ist, dass die Mathematiklehrer aus der gesamten Kommune kommen und fast alle Kommunalschulen auch repräsentiert sind“, sagt Connie Nielsen.
Sie ist seit dem August des vergangenen Jahres neben ihrer Tätigkeit als Mathematiklehrerin in der Schule in Hohe Kolstrup auch Koordinatorin für das Fach Mathematik. Sie ist die Ansprechpartnerin in Sachen Prüfungen, koordiniert pädagogische Lehrgruppen und auch Fortbildungsmaßnahmen.

Jede Gruppe sollte aus ihrem Teig vier Fladenbrote formen: Ein Quadrat, ein Rechteck, einen Kreis und ein rechtwinkliges Dreieck. Aufgabe gelöst! Foto: Karin Riggelsen

Bruchrechnung beim Fladenbrotbacken

Der Kursus an der Naturschule Kelstrup unterscheidet sich allerdings deutlich von dem herkömmlichen Angebot. Schon jetzt ist ein ähnlicher Kursus für den Herbst geplant. Der jetzige Zeitpunkt ist allerdings bewusst gewählt. In dieser Woche bereiten die Lehrer ihr kommenden Schuljahr vor und können das im Wald Erlebte und Erlernte gleich mit in ihre Planung aufnehmen.

Connie Nielsen ist begeistert, welchen Elan ihre Mathematikkollegen an den Tag legen und an  die ihnen gestellten Aufgaben angehen.

Nach ein paar einleitenden Übungen werden die Teilnehmer auf Gruppen verteilt und erhalten zur Aufgabe, Fladenbrot in einem Steinofen zu backen. Selbstverständlich sollen die Lehrer selbst den Teig anrühren und auch für passende Holzscheite sorgen. Gefordert sind vier Stück Brennholz von der Größe 17 34stel, sechs und drei 24stel sowie zwei 32stel. Bruchrechnung ist also gefragt.

Leif, Mathe-Lehrer an der dänischen Schule in Tingleff, hat schon bald das Aststück in die geforderten Größen zerteilt. Er nutzt eine Spaltmaschine und flugs hat er die Aufgabe ziemlich exakt erfüllt: Erst halbiert er das Rundholz, legt die eine Hälfte zur Seite; halbiert die andere, legt auch dieses Viertel zur Seite; halbiert das andere Viertel und legt ein Achtel zur Seite; halbiert das andere Achtel und hat jetzt zwei 16tel, wovon er eines weglegen kann. Er braucht ja nur dieses eine.

Trine Sørensen
Riecht es ein wenig wie Petersilie, ist es Giersch und kein Gefleckter Schierling. Naturvermittlerin Trine Sørensen (Mitte) mit den beiden Mathematiklehrerinne von Ravsted Børneunivers, Hanne (l.) und Hanne (r.). Foto: Karin Riggelsen

Zehn Prozent Brennesseln und 40 Prozent Giersch

Ein paar Kollegen der Gruppe sammeln indes Wildkräuter. Gefordert sind vier Sorten, davon 20 Prozent Schnittlauch. Den gibt es reichlich im Hochbeet der Naturschule. Um aber auch zehn Prozent Brennnesseln, 30 Prozent frische Löwenzahnblätter und 40 Prozent Giersch der Kräutermischung beimengen zu können, muss schon das Gelände erkundet werden. „Da Giersch leicht mit dem Gefleckten Schierling und dem Wasserschierling verwechselt werden kann, der hier überall wächst, lasse ich mir die gesammelten Kräuter zeigen. Normalerweise passiert ja nicht so viel dabei, wenn man mal eine ungenießbare Pflanze erwischt, aber in diesem Fall wäre eine Verwechslung fatal“, unterstreicht Trine Sørensen.

Im Zweifelsfall schickt sie die Gruppen erneut auf Giersch-Pirsch. Dass eine Gruppe die Kräuter schon zerkleinert hatte, bevor sie ihr präsentiert wurden, lässt sie durchgehen, weil ein Mitglied dieser Gruppe ursprünglich ausgebildete Gärtnerin ist. Ein kleiner Hinweis in eigener Sache: Die Verfasserin dieses Artikels und die Fotografin haben just dieses – nicht von der Naturvermittlerin gutgeheißene – Fladenbrot gekostet und bis auf die Tatsache, dass die Mathematiklehrer sich wohl um ein My in der Salzmenge verrechnet haben müssen, da das Brot doch einen natürlichen Durst auslöste, schmeckte es vorzüglich und verursachte  weder Bauchschmerzen, Atemlähmung noch Tod… Glück gehabt!

Selbst der Bach gibt Anlass zu Berechnungen

Das mit den Mengen war allerdings auch eine vertrackte Sache. Das ausgeteilte Brotrezept hätte für 50 Personen gereicht, allerdings ist man zu viert in einer Gruppe. Wie viel Mehl, Salz, Backpulver  und Kräuter werden dann benötigt? Und was macht man, wenn die Mengenangaben in Gramm geschrieben sind, man aber keine Waage, sondern nur Dezilitermaß, Ess- und Teelöffel zur Hand hat? Auch da gibt es einige Hilfen. Aus einer ausgehändigten Tabelle geht hervor, dass ein Deziliter Mehl etwa 60 Gramm wiegt, ein Esslöffel Salz bringt fünf Gramm auf die Waage, während ein Teelöffel Backpulver drei Gramm ausmacht.
Der Schwierigkeitsgrad der Aufgaben lässt sich variieren je nach den Vorkenntnissen der Schüler. Spannend geht es besonders für die Mathelehrer der Mittelstufe nach der Mittagspause weiter. Im nahe gelegenen Bach wurden Fließgeschwindigkeit, Gewässerbreite und -tiefe gemessen ohne Maßband und andere herkömmliche Hilfsmittel.

Jane ist eine der Teilnehmerinnen an der besonderen Mathe-Fortbildung.  Sie unterrichtet das Fach in der Tingleffer Mittelstufe. Sie weiß jetzt schon, dass sie die am Mittwoch gemachten Erfahrungen in ihren Unterricht einbauen wird. „Eine tolle Kombination  aus Theorie und  Praxis – und es macht wirklich Spaß“, findet sie.  

 

Mehr lesen