Kinderbetreuung

Aus der Not eine Tugend gemacht: Kreativwerkstatt ist der Hit im Kindergarten

Aus der Not eine Tugend gemacht: Kreativwerkstatt der Hit

Aus der Not eine Tugend gemacht: Kreativwerkstatt der Hit

Tingleff/Tinglev
Zuletzt aktualisiert um:
Erzieherin Heidi Beeck assistiert Handwerker Jacob beim Bauen in der Kreativwerkstatt. Foto: Karin Riggelsen

Das Partyzelt auf dem Gelände des Deutschen Kindergartens Tingleff war als provisorischer Ausweichraum in der Corona-Krise gedacht. Was dort mit ein wenig Nägeleinschlagen begann, entwickelte sich zu einer kreativen Produktionsstätte.

Vertieft sitzen die Kinder an den Tischen im Zelt. Sie hämmern, schnitzen und sägen oder basteln mit Perlen. Isabella kreiert gerade ein Smartphone. Sie befestigt Kronkorken mit Nägeln an einem Holzstück.

„Da sind die Tasten“. Einen Fernseher habe sie auch schon nachgebaut und ein Auto, erzählt Isabella.

Auf das kreative und mitunter rustikale handwerkliche Treiben hat Erzieherin Heidi Beeck ein Auge. Auf ihre Initiative hin ist das Partyzelt, das in der Corona-Krise als zusätzlicher Aufenthaltsraum auf dem Gelände aufgestellt wurde, zu einer Werkstatt geworden.

 

Isabella zählt zu den ganz großen Baumeisterinnen im Tingleffer Kindergarten. Ihre Produktionspalette umfasst unter anderem ein Holzauto und ein hölzernes Smartphone. Foto: Karin Riggelsen

„Es begann damit, dass die Kinder Muster mit Nägeln auf Bretter hämmern konnten.  Daraus ist dann viel mehr geworden. Die Corona-Zeit hat nicht nur Schlechtes“, so die Erzieherin, die der neuen Kreativwerkstatt eine Menge abgewinnen kann.

„Es schult die Feinmotorik, die Kinder lernen den Umgang mit Werkzeug kennen und sie üben das handwerkliche Arbeiten. Das kommt in der heutigen Zeit oft zu kurz. Auch sozial passiert viel. Die Kinder sprechen viel miteinander, arbeiten gemeinsam an Sachen und helfen sich “, so Beeck. Sie selbst arbeitet auch gern mit den Händen, wie sie sagt.

Material beschaffen

Als Werkstattleiterin hat sie einiges zu planen. Der Produktionseifer der Kinder ist groß. Da gilt es für Nachschub an Holz und anderen Werkstoffen zu sorgen.

„Wir bekommen zum Glück viel Holz und anderes Material geschenkt. Vor allem Klaus Hansen (betreibt eine Zimmererfirma in Tingleff, red. Anm.) spendet Holz und Nägel“, so Beeck mit Dank an die Unterstützer.

Einen Schichtplan in der Kindergarten-Produktionsstätte gibt es nicht. „Jedes Kind kann hier raus- und reingehen. Auch die kleinen Kinder kommen zum Bauen oder Basteln“, so Heidi Beeck.

Den Handwerkern wird möglichst viel Freiraum gelassen, damit sie ihre Erfahrungen machen und sich frei entfalten können.

Die Zelt-Werkstatt auf dem Kindergartengelände ist jederzeit zugänglich. Foto: Karin Riggelsen

„Da kommt es dann schon mal vor, dass sich ein Kind auf den Finger hämmert oder sich beim Sägen eine Schramme holt. Auch das sind Erfahrungen, die sie machen sollten. Und es härtet ja auch ab“, so Heidi Beeck mit einem Augenzwinkern.

Was sagen die Eltern dazu?

Schrammen, Beulen und das Handtieren mit Werkzeug sind nicht das Problem. „Es wird sich eher beschwert, dass die Kinder so viele selbstgebastelte Holzsachen mit nach Hause bringen“, erwähnt Beeck mit einem Schmunzeln.

Große Vielfalt

Die jungen Produzenten bringen schon mal Holzstücke mit nach Hause, bei dem sie nur ein paar Nägel hineingehämmert haben. Sie sind aber stolz auf ihre Kreation und das müssen Mama und Papa dann unbedingt sehen. Und nach Möglichkeit aufbewahren. Es sind aber auch beachtliche Werke entstanden. Gebaut wurden unter anderem zwei große Holzpferde, mit denen man genauso gut spielen kann, wie mit Exemplaren aus dem Spielwarengeschäft.

Es schult die Feinmotorik, die Kinder lernen den Umgang mit Werkzeug kennen und sie üben das handwerkliche Arbeiten. Das kommt in der heutigen Zeit oft zu kurz. Auch sozial passiert viel. Die Kinder sprechen viel miteinander, arbeiten gemeinsam an Sachen und helfen sich.

Heidi Beeck

 

Kindergartenkind Jacob ist der große Stampfer-Experte. Allein oder mit einem „Arbeitskollegen“ hat er mehrere Stampfermodelle gebaut.

Jacob demonstrierte die Funktionalität mit einem energischen Stampfen, das den Boden in der Tat ein wenig vibrieren lässt.

Jacob (r.) an einem Pferd aus Kindergartenproduktion. Jacobs Spezialgebiet sind selbst gebaute Stampfer. Foto: Karin Riggelsen

Oma Hella Hartung hat sich von Enkelin Mie gern etwas bauen lassen. „Mie hat im Kindergarten einen Holztraktor gebaut, den sie mir schenkte. Zu Hause ließ ich ihn von ihr noch anmalen, und er ziert nun den Eingangsbereich“, erzählte Hella Hartung dem „Nordschleswiger“, als sie als Kindermädchen gerade ihre fünfjährige Enkelin abholte. Sie finde die Werkstatt mit all den kreativen Aktivitäten toll, so Oma Hella. 

Das kann sich doch sehen lassen: Kindergartenkind Mie hat einen Trecker gebaut und angemalt, der nun den Hauseingang ihrer Oma ziert. Foto: Privat

Im Kindergarten ist man generell bemüht, die Feinmotorik zu schulen und das kreative und handwerkliche Arbeiten einfließen zu lassen. Die „Corona-Werkstatt“ hat aber noch einmal einen Kick gegeben. Auch nach der Corona-Krise, wenn das Zelt wieder abgebaut ist, soll die Kreativwerkstatt daher eine dauerhafte Aktivität sein.

Werkstattneubau

„Hinter dem Gebäude wird ein Unterstand gebaut. Uns schwebt vor, dort Werkbänke für die Kinder aufzustellen“, so Heidi Beeck.

Der coronabedingte Ausnahmezustand hat auch in der Schulfreizeitordnung (SFO) der benachbarten Schule zu einer innovativen und kreativen Gestaltung geführt.

Da die Kinder viel draußen sind, aus Sicherheitsgründen aber kaum Spielzeug und Geräte zur Verfügung haben, beschäftigen sie sich ganz anders.

„Sie sprechen viel mehr miteinander und sind sehr einfallsreich. Sie spielen und bauen mit Sand und Stöcken. Wir haben mit Blüten gebastelt und viel mit Ton gemacht. Auch motorisch sind die Kinder viel in Gang“, erwähnt SFO-Mitarbeiterin Susanne Weyhe, die bei aller Dramatik, die die Corona-Pandemie ausgelöst hat, ebenfalls einen positiven Nebeneffekt im veränderten und naturnahen Alltag sieht.

Gewerkschaftlich brauchen sich die jungen Handwerker des Tingleffer Kindergartens nicht organisieren. Sie dürfen jederzeit Pause in der Hängematte machen. Foto: Karin Riggelsen
Mehr lesen