Leben in Nordschleswig

Ohne Extravaganzen und Klimbim

Ohne Extravaganzen und Klimbim

Ohne Extravaganzen und Klimbim

Loit Schauby/Løjt Skovby
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Inghild Johanning
In dem großen Garten der ehemaligen Kindergartenleiterin gibt es nicht nur Zutaten für selbst gemachte Speisen, sondern auch einen Lebensraum für verschiedene Tiere. Foto: Karin Riggelsen

Die 72-Jährige Inghild Johanning braucht für das Gefühl von Zuhause keine materiellen Dinge. Zu ihrer Lebenseinstellung gehören Wiederverwertung, Achtsamkeit – und etwas Nostalgie.

Ihre 14-jährige Enkelin sagte kürzlich: „Oma, ein Einbrecher wäre sicher ganz enttäuscht, wenn er bei dir reinkäme.“ Denn bei Inghild Johanning würde er keine  Beute machen. In ihrem Haus  in Loit Schauby gibt es weder  Fernseher noch  Computer, weder ein  Smartphone noch  eine Armbanduhr. „Ich lebe ohne Extravaganzen und ohne Klimbim“, erzählt die 72-Jährige.Die Fülle in ihrem Leben kommt nicht von materiellen Dingen. Was ihr ein Gefühl von Zuhausesein gibt,  beschreibt sie so: „Es ist die Art, wie ich lebe und die Geborgenheit  in der Familie und in der  Volksgruppe.“ Zu ihrer engsten Familie gehören zwei Söhne, zwei Töchter und elf Enkel zwischen 2 und Ende 20. Zur weiteren Familie zählt in gewisser Weise die deutsche  Minderheit in Nordschleswig.

Mein Lebensgefühl ist davon mitgetragen, dass ich in der Minderheit lebe. Denn das bedeutet, geborgen und aufgehoben zu sein.

 

Inghild Johanning

„Ich muss wissen, woher die Leute kommen und mit wem sie in Verbindung stehen“, sagt Inghild Johanning, die sich als   christlich und gläubig bezeichnet. „Aber ich bin  keine Kirchgängerin, denn ich bin auch ein bisschen bequem“, schmunzelt sie.

Auf zum „Ernte-Einsatz“ im eigenen Garten. Foto: Karin Riggelsen

„Schon als Schulkind habe ich  Kinder gehütet“

Arbeit scheut sie allerdings nicht. Im Gegenteil. Nachdem sie drei Jahre im Deutschen Kindergarten Quars tätig war, hat sie 42 Jahre lang  den Deutschen Kindergarten  Wilsbek geleitet, den sie damals mit aufgebaut hatte. Auch ihre  eigenen Söhne und Töchter   besuchten die Einrichtung – mit ihrer Mutter als „Chefin“.  „Schon als Schulkind habe ich  Kinder gehütet“, erzählt Inghild Johanning. Neben ihrem Berufsleben war sie früher außerdem    in der Schleswigschen Partei aktiv und hat die Deutsche Abendschule Schluxharde geleitet.

Auch heute kann sie sich über Mangel an „Arbeit“ wahrlich nicht beklagen – obwohl sie, das, was sie tut, eher als Immer-in-Gang-sein-Müssen und etwas herstellen beschreibt. Dazu gehören viele Handarbeiten, sie  backt Brot und Kuchen selbst, und vor allem ist da das knapp 4.000 Quadratmeter große Grundstück mit Obstbäumen, Erdbeeren, einem Gemüsegarten,  Kräutern, unzähligen Rosen und anderen Blumen.

Zu einem richtigen Zuhause gehört  für sie eine Lebenseinstellung,   die Wiederverwertung und  einen bewussten Umgang mit dem Wasserverbrauch  mit   „ein bisschen Nostalgie und Zurück-zur-Natur“ kombiniert.    Unerlässlich findet sie zudem,  selbst Angebautes zu verwerten. „Was nicht frisch auf den Tisch kommt, verschenkt oder  zu Apfelmus, Gelee, Marmelade oder  Saft verarbeitet wird, landet in der  Tiefkühltruhe wie etwa die Bohnen aus dem Garten.“

 

Kochen und backen – das gehört zum Immer-in-Gang-sein-Müssen dazu. Foto: Karin Riggelsen

Füchse und Rehe als Besucher

 Und Tiere dürfen nicht fehlen. „Früher in Tingleff hatten wir   drei Dackel – die sind ja schon speziell. Aber demnächst  möchte ich   wieder einen  haben.“  Bis vor Kurzem war der Labrador ihres Sohnes tagsüber bei ihr, ständige Mitbewohner auf dem Grundstück sind heute vier  Kaninchen. Zu den   kurzzeitigen Besuchern gehören ein junger Fuchs, der an der Vogeltränke seinen Durst löscht, und Rehe. „Es ist so toll, dass sie  bis an die Terrasse herankommen. Aber  dass sie die englischen Rosen nahmen, fand ich etwas fies“, sagt Inghild Johanning mit einer Mischung aus Nachsicht und  Humor.

Äußerst willkommene Gäste sind außerdem  die Bienen. Als ehemalige Nachbarn mitsamt ihrer  Bienenstöcke wegzogen, summte es plötzlich nicht mehr  im Garten von Inghild Johanning. „Aber seit zwei Jahren hat ein Bekannter zehn Bienenstöcke am Ende
meines Grundstückes stehen“, freut sie sich, „und seitdem  ist es wieder Sommer.“

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