Inzidenzwert bei 184

Spurensuche: Dänemark schuld an Flensburgs Corona-Anstieg?

Spurensuche: Dänemark schuld an Flensburgs Corona-Anstieg?

Spurensuche: Dänemark schuld an Flensburgs Corona-Anstieg?

Ove Jensen/SHZ
Flensburg
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Ist nicht die Ursache für die hohen Inzidenzzahlen: der Massentest vor zwei Wochen an der Diako. Foto: Heiko Thomsen

Der Inzidenzwert liegt inzwischen bei 184 – mehr als viermal so hoch wie im benachbarten Kreisgebiet.

Lange Zeit konnten die Flensburger relativ entspannt in andere Teile Deutschlands schauen: Während in Bayern und Sachsen, aber teilweise auch im südlichen Schleswig-Holstein die Covid-19-Infektionszahlen in die Höhe schnellten, blieben sie an der Förde unter dem kritischen Inzidenzwert von wöchentlich 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner.

Das ist vorbei. Während die Zahlen insgesamt langsam sinken, gehen sie in Flensburg in den vergangenen Tagen steil nach oben. Am Donnerstag lag der Inzidenzwert bei 184. Die 200er-Marke ist in Sichtweite. Wird sie überschritten, drohen weitere massive Einschränkungen des täglichen Lebens.

Über die Ursachen rätseln nicht nur viele Bürger, auch im Rathaus hat man keine eindeutigen Antworten. „Es ist ein breit gefächertes Infektionsgeschehen. Wir können keine klaren Schwerpunkte entdecken“, so Rathaussprecher Clemens Teschendorf.

Es gibt verschiedene Theorien. An einigen dürfte teilweise etwas dran sein, andere gehören eher in den Bereich der Fabeln.

Teilweise richtig: Die Mutations-Theorie

Seit ungefähr einer Woche lässt das Gesundheitsamt einen Großteil der positiven Corona-Tests daraufhin überprüfen, ob eine Mutation des Virus vorliegt. Das ist vor Ort nur sehr oberflächlich möglich. Genaue Erkenntnisse soll das spezialisierte Labor in der Berliner Charité liefern. Erste Ergebnisse werden am Donnerstagnachmittag erwartet, spätestens aber am Freitag.

So viel lässt sich sagen: Gut 30 Proben sind bisher nach Berlin geschickt worden. Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass in allen die hochansteckende Mutation aus Großbritannien steckt, wäre diese für weniger als 20 Prozent aller Neuinfektionen in Flensburg verantwortlich. Ein Teil des Anstiegs wäre so zu erklären, aber längst nicht alles.

Vermutlich falsch: Die Dänemark-Theorie

Viele Flensburger haben sich in den vergangenen Tagen gewundert, warum Dänemark strenge Einreisebestimmungen verhängt hat und auch Berufspendler nur noch mit frischem negativen Testergebnis über die Grenze lässt – während die Grenze in Richtung Deutschland aber, anders als im vergangenen Frühjahr, offen steht.

Die Entscheidung darüber liegt weder in Flensburg noch bei der Landesregierung in Kiel, sondern allein bei der Bundesregierung. Tatsache ist aber: Es ist eher unwahrscheinlich, dass das Infektionsgeschehen nördlich der Grenze schuld ist an den Flensburger Zahlen.

In Dänemark nämlich gehen die Infektionszahlen schon seit Mitte Dezember kontinuierlich zurück. Der Inzidenzwert in der benachbarten Kommune Apenrade lag am Donnerstag bei 87,0 – also deutlich niedriger als in Flensburg. Die Zahlen aus Sonderburg (118,7) und Tondern (112,5) sind etwas höher.
 

 

 

Zwar ist die britische Mutation in Dänemark schon frühzeitig nachgewiesen worden, allerdings haben die dänischen Gesundheitsbehörden auch viel früher als die deutschen begonnen, gezielt nach Mutationen zu suchen.

Zu vernachlässigen: Die Massentest-Theorie

Die Bilder sind noch frisch im Gedächtnis: Vor zwei Wochen standen Hunderte Grenzpendler Schlange vor der Corona-Teststation an der Diako. Sie alle benötigten ein negatives Testergebnis, um weiterhin zur Arbeit nach Dänemark fahren zu können. Sind dabei massenhaft Infektionen aufgefallen, die anderswo unentdeckt geblieben wären? Rathaus-Sprecher Clemens Teschendorf sagt: Nein. „Es gab nur einige wenige Einzelfälle, die den Anstieg der Infektionszahlen nicht annähernd erklären können.“

 

Hinzu kommt: Grenzpendler wohnen nicht nur in Flensburg, sondern auch im Umland. Und im Kreis Schleswig-Flensburg ist der Inzidenzwert in den vergangenen Tagen deutlich gesunken. Am Mittwoch lag er bei 40,3. Das Schleswiger Gesundheitsamt schlüsselt die Daten öffentlich nicht nach einzelnen Gemeinden auf, teilt jedoch mit, dass die Zahlen in Glücksburg, Harrislee oder Handewitt nicht höher sind als im südlichen Kreisgebiet. Eine Virus-Mutation ist im Kreisgebiet übrigens noch gar nicht nachgewiesen worden. Allerdings sind die Testergebnisse hier auch nur stichprobenartig auf Mutationen untersucht worden.

Eine einzelne klare Ursache für den Anstieg der Infektionszahlen in Flensburg scheint es also nicht zu geben. Rathaussprecher Teschendorf spricht von einem „breit gefächerten Infektionsgeschehen“. Viele Menschen stecken sich am Arbeitsplatz oder im privaten Umfeld an. „Wir können keine klaren Cluster entdecken.“

Es bestehe aber Hoffnung, dass der rasante Anstieg der vergangenen Tage zum Stillstand kommt. Nach 42 registrierten Neuinfektionen am Mittwoch waren bis Donnerstagmittag nur 8 weitere hinzugekommen. Es gebe immer wieder lokal begrenzte Ausschläge nach oben, sagt Teschendorf mit Blick nach Lübeck, wo der Inzidenzwert kurz vor Weihnachten bei 230 lag – inzwischen ist er wieder auf unter 100 gesunken.

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