Deutsch-dänische Zusammenarbeit

Grenzlandminderheiten: Anregungen für Aufarbeitung eigener Geschichte

Anregungen für Aufarbeitung eigener Minderheitenhistorie

Anregungen für Aufarbeitung eigener Minderheitenhistorie

Sankelmark
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Helen Christiansen (r.), die aus der friesischen Minderheit in Schleswig-Holstein stammt, leitet das 2020 mit Förderung aus Süddänemark und Schleswig-Holstein gegründete „Minderheiten Kompetenz Netzwerk“. Links Kirsten Schultze, Akademie Sankelmark, die ebenfalls am Netzwerk beteiligt ist. Foto: Volker Heesch

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Das deutsch-dänische „Minderheiten Kompetenz Netzwerk“ hat mit Beteiligten heimischer Minoritäten ein Programm für Veranstaltungen mit Gruppen aus ganz Europa erarbeitet. Ilse Friis lieferte mit ihrem Vortrag über Frauen in der NS-Zeit in Nordschleswig ein Beispiel für einen selbstkritischen Blick in die Vergangenheit.

Die Leiterin des 2020 gegründeten deutsch-dänischen „Minderheiten Kompetenz Netzwerks“, Helen Christiansen, hieß am Mittwoch 15 Vertreterinnen und Vertreter der Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland zu einem Arbeitsgruppentreffen zum Thema historische Aufarbeitung willkommen.

Sinti und Roma: Verfolgung und Vernichtung

Während der ganztägigen Veranstaltung am Sitz der Einrichtung in der Akademie Sankelmark lieferten Hauptamtliche und Ehrenamtliche aus dem Kreis der Minderheit der Sinti und Roma, der Friesen und der Dänen in Schleswig-Holstein und der deutschen Minderheit im dänischen Nordschleswig Beiträge, wie die eigene Vergangenheit aufgearbeitet und vermittelt wird.

Rolf Schlotter (l.) und Matthäus Weiß vom Landesverband deutscher Sinti und Roma informierten über die – vielen Menschen hierzulande unbekannte – Geschichte der Verfolgung und Vernichtung der seit Jahrhunderten auch in Deutschland beheimateten Minderheit. Foto: Volker Heesch

Der Spitzenvertreter des Landesverbandes der deutschen Sinti und Roma, Matthäus Weiss, lieferte beeindruckende Einblicke in die Geschichte der von Verfolgung, Deportation und Ermordung betroffenen Sinti und Roma durch die NS-Herrscher in Deutschland. Er berichtete aber auch über die späte Anerkennung und Rehabilitierung der Minderheit in den vergangenen 40 Jahren und die Zusammenarbeit mit den Grenzlandminderheiten. „Erst während der Regierungszeit von Bundeskanzler Helmut Schmidt begann die Aufarbeitung des Völkermordes an den Sinti und Roma“, unterstrich Prof. Martin Klatt vom Europäischen Center für Minderheitenfragen (ECMI).

Selbstkritische Aufarbeitung der Vergangenheit in Nordschleswig

Die frühere Rektorin des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig (DGN), Ilse Friis, berichtete in ihrem Impulsvortrag über ihre Einblicke in Schicksale von Frauen aus dem Kreis der deutschen Minderheit in Nordschleswig während der NS-Zeit, die sie als ehrenamtliche Mitarbeiterin des Deutschen Museums Nordschleswig in Sonderburg (Sønderborg) gewonnen hat.

Die frühere Rektorin des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig berichtete über den Einsatz ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Deutschen Museums Nordschleswig beim selbstkritischen Blick in die Vergangenheit der deutschen Minderheit. Vorn im Bild Helen Christiansen Foto: Volker Heesch

 

„Es geht mir nicht darum, das Verhalten Einzelner zu bewerten, nach dem Motto, wie konnten sie nur“, so Ilse Friis. Sie stellte neben überzeugten Anhängerinnen der Nazibewegung auch sozial engagierte Frauen und Gegnerinnen des NS-Regimes vor.

Beiträge werden ausgewertet

Dr. Kirsten Schulze von der Akademie Sankelmark, die neben Helen Christiansen an der Durchführung der Veranstaltung beteiligt war, sammelte auf Basis der Beiträge und Wortmeldungen aus dem Forum Material.

 

Kirsten Schulze (vorn im Bild) wertet das Arbeitsgruppentreffen aus. Geplant sind Programme für Gruppen aus ganz Europa, die Anregungen zum Abbau von Spannungen zwischen Minderheiten- und Mehrheitsbevölkerungen bei Besuchen im deutsch-dänischen Grenzland bekommen können. Foto: Volker Heesch

 

Es findet Eingang in das Informationsprogramm des „Minderheiten Kompetenz Zentrums“, das Mitgliedern nationaler Minderheiten aus ganz Europa bei Seminaren in Sankelmark und dem Grenzland Wege aufzeigen könnte, Spannungen zwischen Minoritäten und Mehrheitsbevölkerungen und Grenzkonflikte abzubauen. Wann und wie das im Deutsch-Dänischen abgelaufen ist, war ein Thema während der gesamten Veranstaltung. Es wurde darauf hingewiesen, dass die selbstkritische Aufarbeitung der eigenen Geschichte der deutschen Minderheit einen bedeutenden Anteil am heute gewachsenen Verständnis der dänischen Mehrheitsbevölkerung für die Belange der deutschen Nordschleswiger hat.

Liste von Lernorten im Grenzland

Anknüpfend an die Erkenntnis, dass das Verharren in der Sichtweise, stets nur die eigene Volksgruppe in einer Opferrolle zu sehen, eine Verständigung blockiere, wurde eine Liste von Erinnerungs- und Lernorten zusammengetragen.

 

Vertreterinnen und Vertreter aus allen Grenzlandminderheiten lieferten Beiträge während des Arbeitsgruppentreffens in der Akademie Sankelmark. Foto: Volker Heesch

 

Darauf finden sich unter anderem die Bildungsstätte Knivsberg, das Danewerk-Museum, das Haus der Sinti und Roma in Kiel, das Deutsche Museum Nordschleswig und auch die Ausstellung im Fröslev-Lager mit Informationen über dessen Funktion als Gefangenenlager der deutschen Besatzungsmacht 1944/1945 und als Straflager, in dem sich viele Internierte und Verurteilte aus dem Kreis der deutschen Nordschleswiger nach der Befreiung Dänemarks wiederfanden.

Vornationalistische Epochen

Empfohlen wurde auch, Erinnerungsstätten aufzusuchen, die an „vornationalistische“ Epochen im heutigen Grenzland, während der Existenz des später von Kriegen heimgesuchten und seit den Volksabstimmungen 1920 geteilten ehemaligen Herzogtums Schleswig (Slesvig) erinnern. Teilnehmende während der Veranstaltung waren auch Mitglieder der friesischen Minderheit und der Heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft für Nordschleswig sowie Vertreter der Forschungsabteilung der Dänischen Bibliothek in Flensburg (Flensborg) und des Museums Danewerk.                    

 

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