Minderheiten-Seminar

„Wir müssen uns unsere Privilegien bewusst machen“

„Wir müssen uns unsere Privilegien bewusst machen“

„Wir müssen uns unsere Privilegien bewusst machen“

Rahel Stäcker
Rahel Stäcker
Nordschleswig
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Die Jugendlichen des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig (DGN) am Infostand des Deutschen Jugendverbandes für Nordschleswig (DJN) Foto: Friederike Louisa Schmidt (DJN)

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Beim Seminar der Jugend Europäischer Volksgruppen (JEV) in Lorient (Bretagne, Frankreich) haben sich junge Menschen aus insgesamt 13 verschiedenen Minderheiten ausgetauscht, haben diskutiert und gelernt. Inklusive spannender Ergebnisse.

Ganze 16 Stunden Autofahrt nahm die aufregende Reise nach Frankreich für die vier Schüler und Schülerinnen des DGN, FSJlerin Judith und Projektkoordinatorin Friederike Louisa Schmidt in Anspruch. Eine Woche Abstinenz vom Schulunterricht – die dem einen oder anderen wohl weniger schlimm erschien – und das Eintauchen in neue Kulturen gehörten auch dazu.

Die jungen Erwachsenen aus ganz Europa Foto: Friederike Louisa Schmidt (DJN)

Aufeinandertreffen von Minderheiten aus allen Ecken des Kontinents

Vom 1. bis 7. November nahm die von Friederike Louisa Schmidt gegründete AG an einem Minderheiten-Seminar der JEV teil, das zweimal jährlich an verschiedenen Orten Europas ausgetragen wird – immer in der Heimat einer Minderheit. Dieses Mal fand es in der Bretagne statt. Angereist waren außer den Mitgliedern der deutschen Minderheit in Dänemark Teilnehmende im Alter von 17 bis 27 Jahren aus zwölf anderen Gruppen:

  • Dänen in Deutschland
  • Deutsche in Rumänien
  • Ungaren in Rumänien
  • Waliser
  • Slowenen in Italien
  • Sorben
  • Kroaten in Österreich
  • Bretonen
  • Räto-Romanen in der Schweiz
  • Deutsche in Polen
  • Russen in Dänemark
  • Slowenen in Österreich
In eifriger Zusammenarbeit entstanden spannende Sachen. Foto: Friederike Louisa Schmidt (DJN)

Straffer Zeitplan

Über die Woche verteilt fanden täglich von 8 bis 18 Uhr, inklusive Pausen, verschiedenste Workshops statt, und an einem Tag machte die große Minderheiten-Truppe einen Ausflug, um die Gegend zu erkunden. Am Anfang wurden fünf Gruppen gebildet und in diesen dann Beiträge unter dem Motto „Rewriting your Story“ erarbeitet. Es ging um die Frage „Wie erzählt man eine Geschichte und speziell die der Minderheiten?“

Thema Minderheit: Negativ behaftet?

Die Teilnehmerinnen Stine und Isabelle erzählen: „Wir haben erst einmal in den Gruppen gebrainstormt: Was wollen wir wie vermitteln? Wir sind schnell auf die Fragen gekommen, was uns als Minderheiten eigentlich für Vorurteile begegnen, worauf wir stolz sind und wie wir Leuten, die das Thema doch sehr negativ betrachten, Positives vermitteln können. Und generell: Wenn du Teil einer Minderheit bist, wie kannst du den Leuten das Thema näherbringen? Denn Minderheiten oder Teil einer zu sein ist nichts Schlechtes.“

 

Eine Woche Englisch zu sprechen kann herausfordernd sein, doch es hinderte die Mitglieder der Minderheiten nicht daran, sich auszutauschen und Erfahrungen zu teilen. Foto: Friederike Louisa Schmidt (DJN)

„Wir in Dänemark sind super privilegiert!“

Besonders fiel den Teilnehmenden des Deutschen Gymnasiums auf, dass es viele Minderheiten in anderen Ländern gibt, die es lange nicht so leicht haben wie die Deutschen in Dänemark. „Wir in Dänemark sind super privilegiert, und dieses Privileg müssen wir uns viel bewusster machen, weil es den Menschen in anderen Ländern nicht zwangsweise so gut geht“, so Isabelle. „Wir erhalten finanzielle Unterstützung, haben eigene Bildungseinrichtungen, Verbände und so weiter.“

Der Waliser berichtete, dass er nicht mal walisische Nachrichten empfangen könne. Die Sorben müssten regelrecht darum kämpfen, dass zum Beispiel keine Statuen von fragwürdigen Personen aus der Vergangenheit aufgestellt würden.

Von morgens bis abends tüftelten die Teilnehmenden an ihren Projekten. Foto: Friederike Louisa Schmidt (DJN)

Viel Spaß und wertvolle Eindrücke

Am Ende erarbeiteten die Jugendlichen und jungen Erwachsenen spannende Beiträge, teils in Geschichten, als Videos oder Performances. Besonders gut gefallen habe den Nordschleswigern die Atmosphäre während der Workshops und auch die Zusammenarbeit mit den Südschleswigern. Ein Highlight: An einem Abend fing Isabelle an, Gitarre zu spielen und Lieder zu singen, und nach und nach stiegen alle jungen Leute mit ein, und sie musizierten bis halb vier Uhr nachts.

Auch der „Internationale Abend“ mit Musik, Essen, Tänzen und Spielen aus den jeweiligen Minderheiten begeisterte die Gruppe.

Viel Lob von der Leiterin

Und was sagt Koordinatorin Friederike Louisa Schmidt? „Ich fand es total beeindruckend, mit welcher Verantwortung die Jugendlichen über das Thema Minderheit nachdenken und reden. Sie zeigten sich super reflektiert. Und ich bin beeindruckt, dass sie überhaupt Lust auf dieses Seminar hatten.“ Isabelle fügt hinzu: „Man fühlt sich am Ende einfach wie ein Teil von etwas Größerem.“

Lust auf mehr

Am Ende der gemeinsamen Zeit tauschten die Teilnehmenden ihre Kontakte aus und versprachen, sich zu schreiben und die Aktivitäten der anderen Minderheiten online zu verfolgen.

Das nächste JEV-Seminar wird dann im kommenden Jahr vor Ostern stattfinden – und zwar in Apenrade.

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