Interview

„Wir wollen kein Hotel für die oberen Zehntausend sein“

„Wir wollen kein Hotel für die oberen Zehntausend sein“

„Wir wollen kein Hotel für die oberen Zehntausend sein“

Bettina P. Oesten
Sonderburg/Sønderborg
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Als Hotelchefin wird die gebürtige Frankfurterin Irmela Heinsius künftig die Geschicke im neuen Hotelturm Sonderburgs lenken. Schon jetzt arbeitet sie mit ihrem Team in der Voreröffnungsphase an der Realisierung des Alsik-Konzeptes. Foto: Karin Riggelsen

Ein Interview mit Irmela Heinsius, der Chefin des Alsik Hotels in Sonderburg, über ihre Begeisterung für Sonderburg, den typischen Alsik-Gast und ganz neue Wellness-Dimensionen.

Einer der größten Meilensteine in der Umsetzung des Masterplans des Stararchitekten Frank O. Gehry für den ehemaligen Industriehafen ist so gut wie geschafft: Das Hotel Alsik  in Sonderburg, mit 70 Metern Höhe das neue Wahrzeichen der Stadt, wird im Frühjahr seine Pforten öffnen und sich als Hotel auf 4-Sterne-Niveau in der Hotellandschaft Nordschleswigs positionieren.

Die Geschicke im Nordic-Design-Hotel lenken wird Irmela Heinsius, die u. a. für die Kempinski-Gruppe in aller Welt unterwegs war und jahrzehntelange Erfahrung mit nach Dänemark bringt. Der Nordschleswiger traf sich auf Du und Du mit der gebürtigen Frankfurterin, die mit ihrem internationalen Team seit einem Jahr mit großem Elan und ebenso großer Vorfreude auf den mit Spannung erwarteten Eröffnungstag am 6. Mai 2019 hinarbeitet.

Du hast 30 Jahre Hotellerie-Erfahrung, warst u. a. in München, Berlin, London, Lausanne, New York, Peking,  Baku (Aserbaidschan), zuletzt in Tallinn in leitender Position tätig. Sonderburg ist nicht der Nabel der Welt, ist keine Großstadt, keine Metropole. Worin genau lag der Reiz für dich, ausgerechnet nach Sonderburg zu kommen?
Sonderburg ist vielleicht keine Metropole im eigentlichen Sinn, aber irgendwo heißt es ja über die Stadt so schön: Countryside Metropolis, also eine ländliche Metropole. Was mich für Sonderburg begeistert hat, ist einmal das Projekt selber und der Gedankengang dahinter. Ich finde die Vision der Bitten und Mads Clausen Foundation einfach toll. Man sagt, wir müssen was tun, jede ländliche Gegend in Europa muss etwas tun, um nicht abgehängt zu werden von den großen Städten. Und man sagt: Wir bauen eine sogenannte Go-To-Destination, einen attraktiven Standort, der viel zu bieten hat, und den man besuchen möchte, einfach weil es ihn gibt. Das Alsik ist ja keine Bettenburg für Übernachtungsgäste. Es hängt so viel mehr an diesem Gebäude, z. B. der große Wellness-Bereich, der für die ganze Region da ist, nicht nur für die Hotelgäste. Damit bietet man ein weiteres Highlight, damit der Tourismus in der Region und in ganz Dänemark so populär bleibt, wie er gerade ist. Außerdem haben wir hier die tolle Anbindung mit dem Alsie-Express nach Kopenhagen. Da kann man kurz mal in den Flieger nach Sonderburg springen, sich im Spa rundum verwöhnen lassen, und abends fliegt man dann wieder nach Hause, oder – besser noch – man bleibt anschließend zum Übernachten da, weil man es hier so schön findet. Diese Vision von der Go-To-Destination fand ich toll, und zum anderen – meine Mutter ist jetzt über Achtzig, wohnt in Mecklenburg. Das sind von hier drei Stunden Autofahrt,  ich kann also schnell bei ihr sein. Das war für mich auch ein wichtiger Punkt.

Wer wird im Hotel übernachten, feiern, essen, den Spa-Bereich besuchen? Wer ist der typische Alsik-Gast?
In der gegenwärtigen Voreröffnungsphase spielen wir das im Team natürlich immer wieder durch und kommen zu dem Schluss, dass man es aufgrund der Einzigartigkeit dieses Projektes gar nicht so klar definieren kann. Wir möchten sowohl den Spa-Gast, den privaten Gast als auch den Konferenzgast und den Geschäftskunden ansprechen. Wir hoffen natürlich, dass der Geschäftskunde, der beispielsweise von Montag bis Donnerstag im Alsik übernachtet, es hier so toll findet, dass er anschließend das Wochenende dranhängt und vielleicht die Familie nachholt. Aus dem Geschäftsgast wird dann ein Privatgast, und der will morgens nicht nur den schnellen Kaffee und den Croissant, sondern schön ausgiebig frühstücken, entspannen und genießen und sich vielleicht anschließend im Spa verwöhnen lassen – das volle Programm sozusagen. Das ist auch die Herausforderung und das Spannende an dem ganzen Projekt, dass ein und derselbe Gast während des Aufenthaltes verschiedene Bedürfnisse entwickelt.

Der Spa-Bereich im Alsik ist das bisher größte Projekt seiner Art in Dänemark. Auf vier Etagen wird Wellness in Reinkultur geboten. Was genau erwartet die Tages- und Hotelgäste, und welche Wellness-Angebote im Alsik hat man in Dänemark vielleicht so noch nicht gesehen?
Unser Gesamtkonzept ist ja nach dem Nordic Design ausgerichtet, und das gilt natürlich auch für den Spa-Bereich. Auf der ersten Etage haben wir den sogenannten Nordic Spa, u. a. mit einer Eis- und Feuerwelt, einem Wassermeditationsraum und einer Panorama-Sauna, und dem sogenannten Mystic Dome, der licht-, temperatur-, aroma- und klangtechnisch durch die vier Jahreszeiten im 20-Minuten-Intervall führt. Absolut einzigartig ist auch das Wellness-Screening. Hier lässt man sich analysieren, um herauszufinden, was der Körper gerade am allermeisten braucht. Man kann Yoga machen oder sich in den Salzraum setzen. Das ist besonders für empfindliche Haut und auch für die Atemwege sehr gut. Dann haben wir den ganzen Pool-Bereich im Inneren und einen Infinity-Salzwasserpool. Der befindet sich im Außenbereich und läuft über den Rand rüber, direkt neben dem Alsensund. Das sind nur einige von vielen einzigartigen Erholungs- und Entspannungsangeboten.

Das hört sich alles ganz toll an, aber wird es für den Normalverbraucher auch erschwinglich sein?
Das ist unser Bestreben. Absolut. Wir möchten auf jeden Fall vermeiden, dass wir uns überteuert darstellen. Wir müssen aber natürlich auch gucken, dass sich das Ganze rechnet. Schließlich sind wir ein Wirtschaftsunternehmen. Unser Produkt muss gekauft werden, es bringt nichts, in Schönheit zu sterben. Deshalb sind wir auch kein Fünf-Sterne-Haus, obwohl die Immobilie es hergeben würde. Wir könnten z. B. einen uniformierten Pförtner vor die Eingangstür stellen und überhaupt schweres Geschütz auffahren, aber das wollen wir nicht. Wir wollen die Hemmschwellen abbauen, wir wollen attraktiv sein für die Region und ihre Menschen, aber auch international. Wir sind Hygge, wir sind nordisch, wir sind dänisch. Wir möchten kein Hotel für die oberen Zehntausend sein. Wir haben eine Philosophie der offenen Tür: Jeder soll sich hier willkommen und wohlfühlen. Wir freuen uns über jeden Kaffee- und Kuchengast, wir freuen uns über Gäste, die vielleicht schon um 9 Uhr zum Frühstück zu uns kommen, wir freuen uns über ganz normale Menschen, die sich einfach mal etwas gönnen möchten.

Foto: Karin Riggelsen

Auch alle drei Restaurants und das Café im Alsik werden nordisch ausgerichtet sein. Ist das nicht etwas eingleisig gedacht? Warum nicht wenigstens ein italienisches, französisches oder asiatisches Restaurant?
Wir hatten da größere Diskussionen, am Ende kam aber immer wieder das Nordische. Die Restaurants und das Café haben vielleicht das Nordische als gemeinsamen Nenner, sind aber trotzdem sehr unterschiedlich. Das Freia im Erdgeschoss ist eher ein Familienrestaurant mit Außenterrasse und mit Gerichten aus der Region, wie man sie von Oma vielleicht noch kennt. Das Restaurant in der 17. Etage ist für Liebhaber der gehobenen regionalen Küche und bietet einen Traumblick, und das Alsik Restaurant, auch im Erdgeschoss, ist unser reguläres, internationales Hotelrestaurant. Der nordische Bezug ist hier nicht so ausgeprägt. Da kann man sich z. B. auch einen Caesar Salad oder einen Hamburger bestellen.

Wie viele Mitarbeiter wird das Alsik beschäftigen?
Die Planungszahl liegt zwischen 110 und 130 Vollzeit-Mitarbeiter, am Ende werden es vielleicht 180 bis 200 sein. Darunter befinden sich auch Mitarbeiter, die je nach Bedarf abrufbar sind oder auf Aushilfsbasis arbeiten.

Der Eröffnungstermin ist im Frühjahr 2019. Diverse Positionen sind noch nicht besetzt. Wer sollte jetzt seine Bewerbung an euch schicken?
Jeder, der sich angesprochen fühlt und meint, er könnte uns unterstützen, gerne mit Hotelerfahrung im Bereich Rezeption, Spa-Anwendungen, Restaurant-Service,  Küche, Bankett, Sommeliers – der soll sich bitte melden. Wir brauchen vor allem Kompetenz, nicht nur in der Gastronomie und im Wellness-Bereich, sondern auch im ganzen technischen Bereich, beispielsweise für Wartungsarbeiten. Da braucht es wirklich einen professionellen Background.

Müssen sich mit der Eröffnung des Alsik die anderen Hoteliers der Stadt jetzt warm anziehen, und besteht die Gefahr, dass ihre Mitarbeiter abgeworben werden?
Wir erleben, dass viele gebürtige Nordschleswiger, die jetzt in Kopenhagen oder Aarhus leben, sich bei uns bewerben, weil sie wieder nach Nordschleswig zurück möchten. Das ist schön, denn es sollte nicht der Eindruck entstehen, dass wir den Kollegen hier in Sonderburg die Mitarbeiter ausspannen wollen. Das wäre überhaupt nicht in meinem Sinne. Wir wollen ja auch keinen aus dem Markt drängen, nur weil wir das größte Hotel in der Stadt sind. Ganz im Gegenteil. Bei großen Konferenzen werden viele Gäste sowieso auf andere Hotels ausweichen müssen, weil wir gar nicht alle beherbergen können. Wir denken, dass das Alsik auf diese Weise der Geschäfts- und Hotellandschaft der Stadt einen Mehrwert bringen wird. Trotzdem müssen wir natürlich für uns schauen, dass wir den passenden Deckel für unseren Topf finden.

Wie ist der aktuelle Stand der Dinge, und was  erwartet die Gäste bzw. die Sonderburger am 6. Mai – dem Eröffnungstag?
Momentan wird ja noch gebaut und gewerkelt. Ende März ist die Übergabe, dann haben wir noch etwa sechs Wochen Zeit, um die ganzen Abläufe durchzuspielen, damit alles klappt, wenn die ersten Gäste kommen.

Was machen wir am 6. Mai?
Wir wissen es noch gar nicht so genau. Vielleicht machen wir nur ganz entspannt die Türen morgens auf und freuen uns über den ersten Gast. Wir hoffen natürlich, der Erwartungshaltung gerecht zu werden. Wir arbeiten da sehr dran. Wir möchten einen guten Eindruck hinterlassen. Ich möchte nochmals betonen: Alle sind herzlich eingeladen, wir bitten nur um Verständnis, wenn wir bei größerem Andrang sagen müssen: Voll ist voll. Das gilt z. B. für die Aussichtsplattform, da haben wir brandschutzrechtliche Vorgaben. Gerade in einem Gebäude wie dem Alsik ist die Sicherheit natürlich ganz wichtig.
Sicherlich wird es irgendwann im Laufe des nächsten Jahres eine Eröffnungsfeier oder irgendetwas in der Richtung geben, aber das ist noch Zukunftsmusik. Die Pläne wurden schon ganz grob angerissen, sind aber überhaupt noch nicht spruchreif.

Seit einem Jahr lebst und arbeitest du in Sonderburg. Bist du inzwischen in deiner neuen Heimat angekommen?
Ja, auf jeden Fall! Ich bin jetzt 52, ich sehe mich hier durchaus länger bleiben, ich muss nicht schon in zwei Jahren weiterziehen. Ich habe jetzt meinen Lebensmittelpunkt hier, habe eine schöne Wohnung fußläufig vom Hotel, ich fühle mich hier sehr wohl in meiner Haut. Und bei dem Wetter, das wir den ganzen Sommer hatten, was will man da mehr? Ich habe mir ein Fahrrad gekauft, und mit dem Reiten will ich auch wieder anfangen. Für beides sind die Bedingungen hier ja ideal. Mit dem Fahrrad an den Strand fahren, sich irgendwo hinsetzen und ein gutes Buch lesen und den Gedanken freien Lauf lassen – darauf freue ich mich. Das ist für mich Entspannung.

Die Zeit dafür zu finden dürfte im vergangenen Jahr etwas schwierig gewesen sein ...
Ja, in der jetzigen Voreröffnungsphase gibt es kaum Zeit für Entspannung. Die Hotellerie ist ja nunmal ein 24-Stunden-Betrieb. Wir schlafen nie. Die Gäste schon, aber die Mitarbeiter nicht. Das macht diese Branche so einzigartig. Ich kenne es gar nicht anders. Für mich gibt es einen Fixpunkt, der ist mir relativ heilig, das ist der 24. Dezember. Da möchte ich mit meiner Familie zusammen sein. Das ist eben das Los der Gastronomie und Hotellerie, dass wir dann arbeiten, wenn andere Leute frei haben. Aber irgendwann werde ich bestimmt die Zeit für diese Art der Entspannung finden und weitere tolle Ecken hier auf Alsen und im übrigen Dänemark entdecken. Jeder Ausgleich ist wichtig.

Unter all den Hotels, in denen du in deiner Laufbahn tätig warst, gibt es bestimmt eins, das dir besonders ans Herz gewachsen ist. Magst du verraten, welches?
Neben dem Adlon Kempinski  in Berlin und dem Hotel Telegraaf in Tallinn ist das Alsik jetzt schon einer meiner absoluten Favoriten.

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