Prozess

Ehefrau angeklagt: Wie der Oberarzt Verdacht schöpfte

Ehefrau angeklagt: Wie der Oberarzt Verdacht schöpfte

Ehefrau angeklagt: Wie der Oberarzt Verdacht schöpfte

Sonderburg/Sønderborg
Zuletzt aktualisiert um:
Das Gerichtsgebäude in Sonderburg Foto: Karin Riggelsen

Drei Krankenschwestern und zwei Oberärzte haben am Mittwoch vor dem Sonderburger Gericht ihre Aussagen gemacht. Es geht in dem Prozess um versuchten Mord, angeklagt ist die Ehefrau des Opfers.

Tag drei im Prozess um eine wegen versuchten Mordes angeklagte Ehefrau aus Höruphaff/Høruphav. Als Zeugen sagten am Mittwoch drei Krankenschwestern, ein Medizinstudent und zwei Oberärzte aus.

Staatsanwältin Rikke Brændgaard-Nielsen wirft der 65-jährigen Frau vor, ihren Mann monatelang mit dem Medikament Baclofen vergiftet zu haben.

Der Mann war Ende Juli erstmals in tiefe Bewusstlosigkeit gefallen. Die Ärzte in Sonderburg, Odense und Kopenhagen waren lange ratlos, bis ein Oberarzt im Reichshospital die Diagnose stellte: Vergiftung mit Baclofen. Auch eine Blutprobe aus Odense wies im Laufe der Ermittlung den Stoff auf. Die Ehefrau des Opfers nahm Baclofen zur Muskelentspannung ein.

Wochenlang nach der Ursache gesucht

Am Mittwoch sagte jener Oberarzt des Reichshospitals aus, der am 21. Dezember 2018 der Polizei mitgeteilt hatte, dass ein Patient seiner Abteilung offenbar vergiftet wurde.

Der Leiter der neurologischen Abteilung beschrieb vor Gericht, wie es zur Diagnose Baclofen-Vergiftung gekommen war, nachdem man wochenlang nach der Ursache für die Bewusstlosigkeits-Anfälle des Mannes gesucht hatte.

„Ein Hirnleiden konnten wir als Ursache ausschließen. Auch mit Leber und Niere war alles in Ordnung. Epilepsie oder Diabetes konnten wir als Ursachen für die Bewusstlosigkeit ebenfalls ausschließen. Wir wussten also, dass es sich um eine metabolische Störung handeln musste“, so der Oberarzt.

Oberarzt ordnet toxikologische Untersuchung an

Irgendwann sei in der Ärztekonferenz der Verdacht aufgekommen, der Mann werde vergiftet. Als der Patient im Reichshospital zum dritten Mal ins Koma fällt und erneut in akuter Lebensgefahr schwebt, weil das basale Stammhirn gelähmt wird, ordnet der Oberarzt eine umfangreiche toxikologische Untersuchung von Blut, Mageninhalt und Urin an – und lässt den Mann ab sofort rund um die Uhr bewachen.

 

Wir hatten keinerlei Vermutung, dass es sich um Baclofen handeln könnte. Aber als wir das hörten, verglichen wir den Fall mit Krankenberichten – und die Symptome und unsere Untersuchungsergebnisse stimmten absolut überein.

Oberarzt aus dem Reichshospital

 

Dann kommt das Ergebnis am 20. Dezember 2018: Die Gerichtschemikerin teilt dem Oberarzt mit, Baclofen in den Proben des Mannes festgestellt zu haben. In Mengen, die ein „klar toxikologisches Niveau“ hatten, so der Oberarzt.

„Wir hatten keinerlei Vermutung, dass es sich um Baclofen handeln könnte. Aber als wir das hörten, verglichen wir den Fall mit Krankenberichten – und die Symptome und unsere Untersuchungsergebnisse stimmten absolut überein.“

Kein Zweifel an der Diagnose

Er habe keinerlei Zweifel daran: Die komatösen Anfälle des Patienten in Sonderburg, Odense und Kopenhagen wurden durch von außen verabreichtes Baclofen verursacht.

Habe der Patient im Krankenhaus jemals Baclofen verschrieben oder verabreicht bekommen? Ganz klar nein, so der Oberarzt. Die Medikamentenausgabe des Krankenhauses sei zudem verschlossen und nur Mitarbeitern zugänglich, die Ausgabe werde streng kontrolliert. Die im Körper des Mannes gefundene Menge des Baclofens übersteige die Dosis einer normalen Behandlung darüber hinaus bei weitem.

Nach Rücksprache mit der juristischen Abteilung meldet der Oberarzt den Fall der Polizei. In tiefgefrorenen Blutproben des Opfers aus dem Verhandlungsverlauf in Odense werden daraufhin weitere Blutproben positiv auf Baclofen getestet.

„Wir haben überlegt, ob es vielleicht die Ehefrau war"

Auch zwei Krankenschwestern aus Odense und eine Mitarbeiterin aus dem Reichshospital wurden am Mittwoch gefragt, ob der Patient im Laufe der Behandlung jemals Baclofen erhalten habe. Die Befragten gaben an, dass dies zu keinem Zeitpunkt der Fall gewesen sei.

Die Krankenschwester aus dem Reichshospital erzählte, wie langsam der Verdacht entstanden sei, die Ehefrau würde ihren Mann vergiften. „Wir haben überlegt, ob es vielleicht die Ehefrau war, weil es ihm immer dann schlecht ging, wenn sie da gewesen ist“, so die Angestellte der neurologischen Abteilung.

Einmal sei die Ehefrau zu ihr gekommen und habe gesagt, ihrem Mann – mit dem sie gerade in der Kantine saß – ginge es wieder schlechter. Daraufhin habe sie nachgesehen, „doch da ging es ihm nicht schlechter“, so die Krankenschwester.

„Er saß im Rollstuhl und war ganz normal.“ Doch als sie eine halbe Stunde später vom Mittagessen zurückgekommen sei, habe der Patient in der Kantine sitzend ganz offensichtlich einen neuen Komaanfall gehabt.

Der letzte Anfall am 16. November

Das war jener letzte Anfall am 16. November, nach dem die Proben entnommen wurden und der Oberarzt eine Wache im Zimmer des Mannes platzieren ließ. An dem Tag, so die Krankenschwester auf Nachfrage der Staatsanwältin, habe der Patient nur von seiner Ehefrau Besuch erhalten.

Der Medizinstudent, der den Mann nach dem 16. November betreut hatte, sagte am Mittwoch aus, er habe gehört, wie der Patient seine Frau gefragt habe, ob sie ihm nicht die Tabletten geben könne, die sie ihm normalerweise gibt. Woraufhin die Frau ihrem Mann gesagt habe, leise zu sein. „Es wirkte jedenfalls ziemlich merkwürdig“, so der Student, der dem Krankenhaus den Vorfall mitteilte.

Am Donnerstag wird der Prozess fortgesetzt, die Staatsanwältin wird eine Reihe von Dokumentationen durchführen. Am 16. Dezember tagt das Schwurgericht und am 17. Dezember werden Schuldfrage und Strafmaß verkündet.

 

Mehr lesen