Die Woche am Alsensund

„Willkommen am Neonpol“

Willkommen am Neonpol

Willkommen am Neonpol

Sonderburg/Sønderborg
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In dieser Woche erlebte die Kolumnistin in der Sonderburger Innenstadt jede Menge lichte Momente. Foto: Karin Riggelsen

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In dieser Woche am Alsensund ist die Kolumnistin in der Sonderburger Innenstadt auf mehrere Eisbären gestoßen. Warum sie sich ihnen verbunden fühlt, verrät sie in ihrer neuen Kolumne vom Alsensund.

Nicht jede Woche begegnet man am Alsensund einem illuminierten Hirsch. Doch der Sonderburger Handelsverein macht es in dieser Vorweihnachtszeit möglich. Licht allerorten, wohin man auch blickt. Über den Köpfen der Fußgänger schweben rote Herzen und weiße Kronen, am Straßenrand steht Mickey Mouse für ein Selfie bereit, und wer den Rønhaveplads sucht, für den gilt: Immer dem Waffelduft hinterher und am ersten Lichthirsch links.

Vor dem Einkaufszentrum Borgen ist eine grellweiße Eislandschaft entstanden. Eisbären am Neonpol – willkommen in Sonderburg. Ach, wie süß, ein Eisbär – das sagt man auch nur dann, wenn der Bär aus Kabel und Drähten ist, und nicht aus Fleisch und Blut. Dem größten Landraubtier der Erde möchte ich nicht persönlich begegnen.

„Eisbären in der Sonderburger Innenstadt“ – diese Überschrift gäbe auch eine ganz andere Geschichte her – mit abgebissenen Beinen und einem aufgefressenen Schoßhund vor Matas.

Doch in dieser Vorweihnachtszeit riecht es in der Innenstadt nicht nach Angst und Schrecken, sondern nach Waffeln, die man für ein mittleres Vermögen in einer der vier Buden kaufen kann. Was für den Eisbären der Duft einer blutenden Babyrobbe, ist für uns eine Prise Zimt im Teig.

Mickey und Minnie Mouse stehen für Selfies bereit … Foto: Karin Riggelsen

Wer möchte, kann beim Bummel durch die Sonderburger Fußgängerzone bei der menschengroßen Mickey Mouse haltmachen und ein Selfie schießen. Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, was Mickey Mouse mit der Vorweihnachtszeit zu tun hat, aber mich fragt ja keiner. Hauptsache Licht, da beleuchten wir auch eine Maus.

Licht allerorten – angesichts der langen und dunklen Winter hier im Norden eigentlich keine schlechte Idee. Mit dem schwindenden Tageslicht der blassen Sonne verschwindet auch die Energie. Das Schlafbedürfnis ist groß, der Antrieb klein. Ein Blick auf die Bäume und Pflanzen um uns herum macht deutlich, was bei Lichtknappheit und Kälte passiert: Da geht bis zum Frühling erst mal nichts mehr.

Doch im Gegenzug zum Knöterich können wir Menschen nicht einfach unsere Wedel hängen lassen und verwelken. Unser Umfeld erwartet eine gewisse Präsenz, Melatonin-Spiegel hin oder her.

Sara Eskildsen, Journalistin

 

Doch im Gegenzug zum Knöterich können wir Menschen nicht einfach unsere Wedel hängen lassen und verwelken. Unser Umfeld erwartet eine gewisse Präsenz, Melatonin-Spiegel hin oder her.

 

In dieser Hinsicht passen die Eisbären sehr gut ins Bild. Denn Eisbären machen zwar keinen Winterschlaf, fahren aber bei Bedarf ihre Aktivitäten runter und werden zu Winterschlafwandlern. Die Tiere laufen mit leicht abgesenktem Kopf und leicht abgesenktem Stoffwechsel herum – da erkenne ich mich doch prompt wieder!

Die Luft ist raus, das gilt nicht nur für mein Fahrrad in der Scheune. In den vergangenen zwei Wochen am Alsensund ging es aus der Nacht der Kommunalwahl mit Volldampf in die Winterruhe.

Die Pressemitteilungen werden spärlich, und es hagelt coronabedingte Absagen. Unser Kalender leert sich, und wir gehen mit großen Eisbärenschritten in Richtung Winterruhe, sobald die letzten Stimmzettel am Alsensund ausgezählt sind. Der Stadtrat hatte Mittwoch beschlossen, dass alle Stimmen noch mal ausgezählt werden – um Licht ins Dunkel jener Zweifler zu bringen, die am Zählvermögen der Wahlhelfer zweifeln.

Vertrauen in die Demokratie ist kostbar – und kostet in diesem Fall 350.000 Kronen, inklusive Fracht aller 41.012 Stimmzettel in die Düppeler Hallen. Jede Stimme zählt – dieses Versprechen wird in Sonderburg sehr ernst genommen.

Nach der Wahl ist nun auch wieder Zeit für neue Themen und Geschichten, die sich abseits von Wahlurnen und Koalitionsgesprächen abspielen. Meine Kollegin Ilse Jacobsen hat in dieser Woche am Alsensund bereits herausgefunden, dass das Schloss in Sonderburg 2022 angestrahlt wird und somit auch im Dunkeln zu sehen ist.

Werden Sonderburger Insekten hinters Licht geführt?

Ein Vorhaben, das seit Jahren im Gespräch ist und nun schlussendlich in die Tat umgesetzt wird. Naturliebhaber jedoch haben Bedenken: Sonderburger Insekten würden von den Strahlern buchstäblich hinters Licht geführt, stört man nicht auch die Schloss-Fledermäuse in ihrer Nachtruhe, und wer bezahlt am Ende eigentlich die Stromrechnung? So ist das mit der Helligkeit: Wo Licht, da auch Schatten. Was für uns Menschen eine Stimulanz, ist für die gemeine Fledermaus eine Pestilenz.

Tatsächlich käme auch kein Eisbär auf die Idee, im November in der Sonderburger Innenstadt Schlittschuh zu laufen. Dass eine solche Figur dennoch vor dem Einkaufszentrum vor sich hin blinkt, beleuchtet nicht zuletzt die Sehnsucht nach einer Welt, in der trotz Dunkelheit, Corona-Gedöns und Absagen ein Licht am Ende des Weges zu sehen ist.

 

 

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