Die Woche am Alsensund

„Vom Frosch im Ei – worum geht es hier eigentlich?“

Vom Frosch im Ei – worum geht es hier eigentlich?

Vom Frosch im Ei – worum geht es hier eigentlich?

Sonderburg/Sønderborg
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Journalistin Sara Eskildsen hat über diese Woche am Alsensund nachgedacht. Foto: Karin Riggelsen

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In dieser Woche am Alsensund hat sich Kolumnistin Sara Eskildsen mit der Ausstellung „Makabre Meisterweke“ im Sonderburger Schloss beschäftigt. Warum ihr im westlichen Schlossflügel im Schatten des Todes die Kostbarkeit des Lebens deutlich wurde, beschreibt sie in ihrer neuen Kolumne.

In dieser Woche am Alsensund war ein Thema so barsch wie der eiskalte Wind aus Südwest, der die mühsam angebrachte gelbe Verkleidung an der Sonderburger Klappbrücke kurzerhand wieder wegpustete. Im Sonderburger Schloss eröffnete die Ausstellung „Makabre Meisterweke“, die ihren Titel zu Recht trägt.

Makaber zunächst schon der Gedanke, eine eigene Ausstellung zu kreieren, bei der sich alles um das Verhältnis von Tod und Schmuck dreht. Ich hatte keine Ahnung von dem, was mich erwartet. Wie so oft, wenn ich als Lokaljournalistin einen Raum betrete.

Täglich an der Schwelle der Unwissenheit

Tatsächlich stehe ich nahezu täglich an der Schwelle der Unwissenheit, wenn ich für den „Nordschleswiger“ unterwegs bin. An der Schwelle eines Klassenzimmers, in dem ich mit Kindern über ein Projekt rede. An der Schwelle des Bürgermeisterbüros, wenn es um die jüngste Sitzung im Ökonomieausschuss geht. An der Schwelle zum westlichen Schlossflügel, um eine Ausstellung zu besprechen.

Meistens erhalten wir vor einem Termin eine Pressemitteilung, eine kurze Mail, einen Anruf oder die Tagesordnung einer Sitzung, und meistens habe ich keine Ahnung von nichts, bevor ich den Termin dann wahrnehme und mich in den Inhalt vertiefe.

Und so legte ich mein Erstaunen in güldene Ketten, als ich durch die Schmuck-Tod-Ausstellung ging und in einer Vitrine im westlichen Schlossflügel eine abgeschnittene menschliche Hand mit einem Diamantarmband am toten Handgelenk liegen sah.

Sara Eskildsen, Kolumnistin

An der Schwelle der Unwissenheit gilt: zuversichtlich gucken und sich die eigene Planlosigkeit nicht anmerken lassen. Und so legte ich mein Erstaunen in güldene Ketten, als ich durch die Schmuck-Tod-Ausstellung ging und in einer Vitrine im westlichen Schlossflügel eine abgeschnittene menschliche Hand mit einem Diamantarmband am toten Handgelenk liegen sah. Und eine Sanduhr gefüllt mit 2.000 Diamanten. Und eine echte Totenmaske neben einer vergoldeten Kreditkarte.

Die Frage „Worum geht es hier eigentlich“ war angebracht. Bei der Vermittlungsexpertin des Museums war ich bestens aufgehoben. Meine Fragen beantwortete die Mitarbeiterin mit ausgefeilten Vorträgen. Als ich mich mit dem Scherz „ich glaube, ich habe meine Sanduhr vergessen“ umdrehte, kam noch ein Bericht über das Sicherheitssystem des Museums hinzu.

Manchmal muss man sich zum Fachausdruck googeln

Ohne Diamanten in der Handtasche, aber mit jeder Menge Informationen im Kopf fuhr ich zurück in die Redaktion, um den Artikel über die Ausstellung zu schreiben.

Fallen in einem Interview Fachausdrücke und Begriffe, deren Bedeutung ich nur vage erahne, bitte ich mein Gegenüber entweder, das Gesagte mit anderen Worten noch mal tiefergehend zu beschreiben. Oder ich mache mir eine gedankliche Notiz und googel den Ausdruck, sobald ich wieder am Schreibtisch sitze.

Das Schmuckstück von Oliver Baiker symbolisiert mit dem Ei unter anderem die Zerbrechlichkeit des Lebens. Foto: Karin Riggelsen

So geschehen im Gespräch mit einem Goldschmied, den ich im westlichen Schlossflügel zur Ausstellung interviewte. Er hatte ein Schmuckstück kreiert, das in „Makabre Meisterwerke“ gezeigt wird – und es im Schloss persönlich in die Glasvitrine gestellt.

Nicht jeden Tag sieht man ein zerbrochenes Ei mit kleinen Fröschen und einer Blume darin, an dessen Schale Wespen nagen. Meistens fällt mir in solchen Situationen erst mal ein eloquentes „ah ja“ ein, gefolgt von „das ist ja spannend“ und der Bitte, das Kunstwerk zu erklären.

Irgendwo habe ich aber mal gehört, dass man Kunstwerke nicht erklären sollte, da sie auf jeden Betrachtenden anders wirken. Dass jeder etwas anderes darin sieht und genau das die Kraft der Kunst ausmacht.

Dumm wie ein Stück Eierschale

Auch auf mich haben solche ausgefeilten Kreationen mit unergründlicher Aussagekraft oft eine ganz eigene Wirkung: Ich fühle mich dumm wie ein Stück Eierschale und suche verzweifelt nach dem Klappentext an der Vitrine.

Dort erfuhr ich: „Der deutsche Goldschmied Oliver Baiker hat sein zerbrechliches Ei als Vanitas-Objekt konzipiert – eine Erinnerung an unsere Sterblichkeit. Das Ei ist ein Symbol für die Geburt, während Dornen, Wespen, Schnecke und Frosch den Tod symbolisieren. Die Orchidee ist ein Symbol für die Schönheit des Lebens.“

Darauf muss man erst mal kommen – ich fand die kleinen Frösche total niedlich und musste als Disney-geprägtes Kind sofort an den Prinzen denken, der mir eine Sanduhr mit Diamanten darin schenkt. Da sieht man mal.

2.000 Diamanten liegen in dieser „Sanduhr“. Foto: Sara Eskildsen

Auch wenn ich die Sanduhr mit Diamanten vermutlich nie besitzen werde, haben sie und die gesamte Ausstellung einen tiefen Eindruck hinterlassen. Mein persönliches „Memento Mori“-Symbol. „Memento mori“ – den Ausdruck kannte ich tatsächlich noch aus dem Lateinunterricht, sodass ich ihn nur sicherheitshalber noch mal googeln musste, nachdem der Goldschmied den Begriff im Interview mehrmals erwähnt hatte.

„Gedenke, dass du sterben musst“ – das macht man im Alltag ja doch eher selten. Und wenn überhaupt, äußerst ungern.

Ein Symbol, wie kostbar das Leben ist

Die funkelnden Diamanten in der Sanduhr sind für mich zu einem Symbol geworden, wie unendlich kostbar das Leben ist. Womit füllen wir es? Ein Symbol, dass die Zeit jeden Tag ein bisschen abläuft. Diese Diamanten wird es noch lange nach mir geben. Denn im Gegensatz zu den strahlenden Edelsteinen sind unsere Menschenkörper nicht für die Ewigkeit geschaffen.

Aber dafür haben wir ein Herz und eine Seele, können Ausstellungen besuchen, uns durchs Leben fragen und über Dinge nachdenken. Und wenn wir brillant sind, bringen wir ab und an unsere Mitmenschen zum Strahlen.

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