Haushaltsplanungen

Steuererhöhungen unerwünscht, aber nicht ausgeschlossen

Steuererhöhungen unerwünscht, aber nicht ausgeschlossen

Steuererhöhungen unerwünscht, aber nicht ausgeschlossen

Sonderburg/Sønderborg
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Arme Kommune Sonderburg: Der Haushalt der Kommune muss drastisch verschlankt werden. Wie, das müssen die Stadtratsmitglieder beschließen. Foto: Christian Lindgren/Ritzau Scanpix

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Die Kommune Sonderburg muss das Unmögliche möglich machen und über die bereits eingeplanten 45 Millionen Kronen weitere 70 Millionen Kronen einsparen, damit der Haushalt für 2023 funktioniert. Wie soll das gehen? Ein Gespräch mit Bürgermeister Erik Lauritzen.

Die Kommune Sonderburg hat ein Problem. Ein großes Problem in Höhe von 70 Millionen Kronen. Die fehlen in der Haushaltskasse für das Jahr 2023 und die Folgejahre, und daher muss das Kommunalparlament nun beschließen, wie die Gelder eingespart werden können.

Weitere 45 Millionen Kronen müssen in den Jahren 2023 bis 2025 eingespart werden. Außerdem hat das Innenministerium einen Kredit zurückgezogen, mit dem die Kommune den – bereits begonnenen! – Bau des neuen Logistikcenters finanzieren wollte. Somit ist unklar, woher die rund 75 Millionen Kronen für das Zentrum kommen sollen.

Wie „findet“ man so viel Geld? Wo wird eingespart, und werden vielleicht sogar die Steuern erhöht? Diese Frage beschäftigt derzeit Bürgermeister Erik Lauritzen (Sozialdemokraten) und die 30 Stadtratsmitglieder. Im Gespräch erläutert der Bürgermeister die Situation.

Es klingt nach einer nahezu unmöglichen Aufgabe, vor der ihr steht. Und das, obwohl die Verwaltung in den vergangenen Jahren bereits mehrfach verschlankt worden ist. Wie wollt ihr das schaffen?
„Ich bin zuversichtlich, dass wir eine Lösung finden werden. Aber es ist eine schwere Aufgabe. Zum einen machen uns die zurückgezogenen Kredite zu schaffen, dabei handelt es sich um rund 120 Millionen Kronen, die in der Corona-Krise vom Innenministerium bewilligt worden waren. Hier hoffe ich aber immer noch auf eine Lösung, und ich habe erneut an den Minister geschrieben. Es ist absolut unhaltbar, dass uns die Finanzierung erst zugesagt und dann wieder entzogen wurde, nur weil es im Laufe des Planungs- und Bauprozesses zu Verzögerungen kam. Was den Anlagenhaushalt angeht, können wir dahingehend eine Lösung finden, dass wir in den kommenden zwei Jahren keine neuen Projekte anschieben. Bereits beschlossene Projekte müssen ausgesetzt werden.“

Bürgermeister Erik Lauritzen steht zusammen mit dem Stadtrat vor der Herausforderung, umfassende Einsparungen im kommunalen Haushalt vorzunehmen. Foto: Timo Battefeld/Jysk Fynske Medier/Ritzau Scanpix

Dann ist da der Betriebs-Haushalt, der nicht einfach ausgesetzt werden kann. Schulen, Kindergärten, Pflegeheime und die Verwaltung müssen weiterlaufen – wie könnt ihr hier 70 Millionen Kronen einsparen?
„Das ist ganz bestimmt eine schwere Aufgabe. Und es war ein Schock, dass wir in der vergangenen Woche keine Mittel aus dem Topf für besonders herausgeforderte Kommunen erhalten haben. Ich hatte mit 20, 30 oder 40 Millionen Kronen gerechnet. Das müssen wir so hinnehmen. Und uns wieder der Aufgabe zuwenden, in der gesamten Organisation zu sparen. 45 Millionen Kronen in Verwaltung und auf Leitungsebene und darüber hinaus noch mal 70 Millionen. Hinzu kommt, dass die Ausgaben für Kinder und Jugendliche mit besonderen Herausforderungen sowie im Sozialbereich für ältere Menschen explodiert sind. Es gibt keinen Bereich, den wir nicht durchleuchten müssen.“

Stehen Steuererhöhungen zur Debatte, um die Einnahmen zu erhöhen?
„Das ist eine Frage, die wir uns stellen müssen. Einige im Stadtrat sind offen dafür, andere eher nicht. Wenn es nach mir geht, wünsche ich mir, dass die Steuern nicht erhöht werden. Aber wir können es nicht kategorisch ausschließen. Es ist eine Möglichkeit in allergrößter Not.“

Um welche Steuer würde es sich handeln?
„Wir als Kommune hätten nur die Möglichkeit, die Personensteuer* anzuheben. Es ist aber auch eine sehr teure Möglichkeit. Nehmen wir mal an, wir würden durch die Anhebung der Steuer 10 Millionen Kronen einnehmen. Davon könnten wir im ersten Jahr aber nur 2,5 Millionen Kronen nutzen und im darauffolgenden Jahr die Hälfte und so weiter. Das ist eine vom Folketing eingebaute Bremse, die die Kommunen daran hindern soll, die Steuern anzuheben, weil man in akuter Geldnot ist. Das ist also nichts, was man einfach so macht. Das müssen wir uns sehr gut überlegen.“

*Die Personensteuer ist in der Regel die Steuer, die man als Bürger auf seine Einkünfte bezahlt.

Der Rohbau für das neue Logistikcenter der Kommune, in dem unter anderem Bereitschaft und Straßenamt untergebracht werden. Aktuell steht die Kommune jedoch ohne Kredite da. Foto: Christian Lindgren/Ritzau Scanpix

Wie ist der Status quo – seid ihr innerhalb des Stadtrats bereits dabei, konkrete Einsparvorschläge zu diskutieren?
„Es gab einige Treffen mit den Gruppenvorsitzenden der fünf Parteien, bei denen wir einige grundlegende Dinge besprochen haben, was wir von der Verwaltung untersuchen lassen wollen. Im Grunde beginnt das konkrete Abwägen aber erst in der kommenden Woche, wenn wir am Donnerstag und Freitag unser Haushaltsseminar mit allen Stadtratsmitgliedern haben. Da werden wir auch unsere konkreten Vorschläge vorlegen – und dann starten die dreiwöchigen Verhandlungen, bevor wir uns auf einen Haushalt einigen müssen.“

Wie ist die Stimmung zwischen den Parteien?
„Das, was ich in den vergangenen Treffen erlebt habe, war positiv. Wir haben den Wunsch, gemeinsame Lösungen zu finden. Für manches neue Mitglieder im Stadtrat ist es natürlich eine harte Aufgabe, als eine der ersten Amtshandlungen so heftige Einsparungen durchführen zu müssen. Aber das geht sehr vielen Stadträten in Dänemark derzeit so.“

Die Kommune hat einen generell hohen Anteil an älteren Personen. Und das gilt aus verschiedenen Gründen auch für Menschen mit sozialen Herausforderungen, Kinder und Erwachsene, die aus schweren Verhältnissen kommen.

Erik Lauritzen, Bürgermeister

Woran liegt es, dass in der Kommune Sonderburg derart hohe Kosten für ältere Menschen sowie Kinder und Jugendliche mit Herausforderungen auflaufen?
„Die Kommune hat einen generell hohen Anteil an älteren Personen. Und das gilt aus verschiedenen Gründen auch für Menschen mit sozialen Herausforderungen, Kinder und Erwachsene, die aus schweren Verhältnissen kommen. Familien, in denen es Probleme gibt und in denen wir mehr und mehr schwerwiegende Fälle erleben, wo die Behörden eingreifen müssen. Das war in der Kommune seit Jahren so, mittlerweile sind viele der sozial schwachen Menschen gealtert – und benötigen umfangreiche Hilfe, die viel kostet. Als Sozialdemokrat ist es mir ein Anliegen, in diesen Bereichen nicht einzusparen – sondern die soziale Armut weiter zu bekämpfen.“

 

Die hohe Zahl an Menschen mit sozial schwachem Hintergrund geht in der Kommune Sonderburg zurück auf die Ära, als in Norburg (Nordborg) und Sonderburg viele ungelernte Fachkräfte in den Fabriken arbeiteten. Als die Industriearbeitsplätze verschwanden, blieben die schlecht ausgebildeten Arbeitnehmer mit ihren Familien zurück. Dieses soziale Erbe spürt die Kommune noch heute.

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