Deutsche Minderheit

Doktortitel mit 78: Peter Hopp zerlegte einen Minderheiten-Mythos

Doktortitel mit 78: Peter Hopp zerlegte einen Minderheiten-Mythos

Doktortitel mit 78: Peter Hopp zerlegte Minderheiten-Mythos

Sonderburg/Sønderborg
Zuletzt aktualisiert um:
Peter Hopp im Deutschen Archiv Nordschleswig, hier werden seine Recherchen aufbewahrt. Foto: Sara Eskildsen

Diesen Artikel vorlesen lassen.

50 Jahre lang hat Peter Hopp die nordschleswigsche Persönlichkeit Johannes Schmidt-Wodder erforscht und mit seiner Biografie hinterfragt. Nachdem aus seiner Doktorarbeit ein Buch entstanden war, hat der 81-Jährige dem Deutschen Museum für Nordschleswig einen großen Teil seiner Recherche vermacht.

Es gibt nicht viele Menschen, die mit 78 ihre Doktorarbeit vollenden. Peter Hopp aus Kiel ist einer von ihnen. In dieser Woche war er zu Besuch im Deutschen Museum Nordschleswig, um einen Großteil seiner Forschungsgrundlage dem Deutschen Archiv Nordschleswig zu übergeben.

Mit seiner Dissertation und der Druckausgabe in Form eines Buches hatte Peter Hopp 2021 eine Legende der deutschen Minderheit in Nordschleswig erforscht – und nach Ansicht von Historikern einen Mythos zerlegt: Pastor und Parlamentsmitglied Johannes Schmidt-Wodder (1869-1959).

Hopp war im Zuge seiner Forschung auf Texte und Quellen gestoßen, die Schmidt-Wodder als Mann mit deutsch-völkischem, antidemokratischem und auch antisemitischem Denken darstellen.

„Für mich war er ein Schreibtischtäter“

Der Mann galt laut Hopp als „Legende“, weil er mit dem Renommee seines „Friedensvereins“ die Interessen der deutschen Minderheit in Dänemark mit großem Eifer vertrat. Sein Forschungsergebnis ließ von der Glorie Schmidt-Wodders nicht viel übrig.

„Für mich war er ein Schreibtischtäter. Allein, wenn man mal die Artikel liest, die er 1944 und 1945 geschrieben hat. Er war meiner Meinung nach Rassist, antidemokratisch durch und durch und nationalistisch. In seinen Reden als Student in der Kaiserzeit wird klar: Von Demokratie und Parteien hielt Schmidt-Wodder überhaupt nichts.“

Durchhalteparolen zum Kriegsende

Schmidt-Wodder hatte als Vertreter der deutschen Minderheit im dänischen Folketing auch die Grenzziehung von 1920 abgelehnt und auf eine Revision hingearbeitet.

Hopps Buch beschreibt auch, wie Schmidt-Wodder von den Nationalsozialisten politisch entmachtet und fallen gelassen wurde. 1939 wurde Jens Möller zum Volksgruppenführer ernannt. Er löste Schmidt-Wodder als Vorsitzender der Schleswigschen Partei und als Abgeordneter im Folketing ab. Dennoch schrieb Schmidt-Wodder noch gegen Kriegsende Durchhalteartikel in der „Nordschleswigschen Zeitung“, um dem Hitlerregime den Rücken zu stärken.

Der Glaube an den „wahren Nationalsozialismus“

Peter Hopp schreibt in seinem Buch: „Seit seinem ersten Treffen mit den Nationalsozialisten auf Rügen im Jahre 1923 lobte er deren nationalistischen deutschen Kampfgeist, doch von ihren ,Radaumethoden’ war er wenig angetan. Dieses Verhalten bekümmerte ihn auch nach 1933, als er befürchtete, dass die ,rücksichtslosen Nationalsozialisten in eine Brutalität abgleiten könnten, die gnadenlos jeden Gegner auszuschalten trachtete’.“

Hopp zufolge bedauerte Schmidt-Wodder „das Aufräumen“ des Regimes, und dass „viel zerschlagen, viel wertvolle Arbeit zur Seite gedrängt wird, viel Unreifes und Unfähiges sich vordrängt“. „Aber im gleichen Atemzug bewundert er, dass ,viel opferbereiter Wille, viel straffe Disziplin und ein neuer zuversichtlicher Geist bei dem Teil unseres Volkes erwacht ist’ …“.

Hopp schreibt weiter: „Diese etwas zweischneidige Wahrnehmung des ,törichten Gebarens der Nationalsozialisten’, die vor allem in seinen Reisebriefen aus Deutschland an seine Frau zu registrieren war, ließ ihn immer wieder Schlimmes befürchten, doch der ewig optimistische Schmidt verlor nicht den Glauben an sein ,zunächst zurückgedrängtes Deutschland, das seine Kräfte sammeln und dann den wahren Nationalsozialismus zum Siege führen werde’.“

Peter Hopp (l.) und Museumsleiter Hauke Grella vor der Vitrine im Museum, in dem ein Gemälde von Johannes Schmidt-Wodder hängt. Hopp hat über Schmidt-Wodder eine politisch-historische Biografie geschrieben. Foto: Sara Eskildsen

Nachdem seine Forschungsergebnisse vom Wachholtz-Verlag als Buch publiziert wurden, ist für Peter Hopp ein langes Kapitel seines Lebens abgeschlossen.

50 Jahre lang hat er über Pastor und Parlamentsmitglied Johannes Schmidt-Wodder geforscht. Eine politische Führungsgestalt der deutschen Minderheit in Nordschleswig, die bis 1939 für die Schleswigsche Partei im dänischen Parlament saß.

Wie kam er auf diese Person? Während eines Referendariats 1976/77 am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig war der junge Lehramtsstudent Peter Hopp erstmals auf Schmidt-Wodder gestoßen.

Marathons und Dissertation im Ruhestand

Mit dänischer Mutter und deutschem Vater interessierte sich Peter Hopp für die deutsch-dänische Geschichte. Das Leben, Denken und Wirken von Johannes Schmidt-Wodder beschäftigte ihn.

Nach seiner Pensionierung hatte Peter Hopp zwei Wünsche: einen Marathon laufen und seine Forschungsarbeit zu Schmidt-Wodder beenden. Er lief 14 Marathons und veröffentlichte sein Buch über die „umstrittene Legende“ Schmidt-Wodder, eine politisch-historische Biografie 2021.

 

Archivleiterin Nina Jebsen, Peter Hopp und Museumsleiter Hauke Grella mit einem Ordner, in dem handschriftliche Aufzeichnungen über Schmidt-Wodder abgeheftet sind Foto: Sara Eskildsen

Seine Recherchen hat Peter Hopp nun dem Deutschen Museum Nordschleswig überlassen, „Meine Arbeit ist abgeschlossen, und ich möchte Museum und Archiv die Grundlage für meine Forschungsarbeit zur Verfügung stellen“, so der 81-Jährige, der aus Kiels ins Museum am Rønhaveplads gekommen war.

Der Kontakt zu Museum und Archiv entstand durch den Museumsbeirat, in dem Peter Hopp damals Mitglied war. Für seine Forschung über Schmidt-Wodder besuchte er Archive in Bonn, Kopenhagen, Oslo und verschiedene in Nord- und Südschleswig.

„Das ist für uns ein Schatz“

Im Deutschen Museum und Deutschen Archiv Nordschleswig freut man sich über die Unterlagen. „Schmidt-Wodder war die zentrale Figur der deutschen Minderheit nach der Volksabstimmung, daher sind die Unterlagen von großem Wert“, sagt Museumsleiter Hauke Grella.

„Das ist für uns ein Schatz. Jetzt verfügen wir über die Forschung hinter dem Buch, die Quellen, die Peter beispielsweise zum Rostock-Mythos analysiert hat. Wir können jetzt explizit in Themen hineingehen und haben Material dazu.“

 

Schmidt-Wodder saß bis 1939 als Vertreter der deutschen Minderheit im dänischen Folketing. Foto: Sara Eskildsen
Hauke Grella und Peter Hopp im Archiv Foto: Sara Eskildsen
Mehr lesen
Amelie Petry, Wencke Andresen

„Mojn Nordschleswig“

Jetzt im Podcast: Mit 18 nach Brüssel und die Trophäe aus Barcelona

Apenrade/Aabenraa Cornelius von Tiedemann begrüßt die Politik-Juniorinnen Amelie Petry und Wencke Andresen, die ihm von ihrer Reise nach Brüssel berichten – und Chefredakteur Gwyn Nissen, der aus Katalonien eine Überraschung mitgebracht hat. Walter Turnowsky befragt die Glaskugel nach dem Termin für die nächste Folketingswahl, und Helge Möller fordert Hannah Dobiaschowski in „Wer hat’s gesagt?“ heraus.

Leitartikel

Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
„Wenn Minderheiten als Gefahr für andere dargestellt werden“