Grenzüberschreitendes

Uta Wentzel: Die Minderheiten sind ein wichtiger Bestandteil unserer DNA

Uta Wentzel: Minderheiten sind wichtiger Bestandteil unserer DNA

Wentzel: Minderheiten sind wichtiger Bestandteil unserer DNA

Apenrade/Aabenraa
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Uta Wentzel
Die Flensburger CDU-Abgeordnete Uta Wentzel hat die Minderheiten auf beiden Seiten der Grenze im Blick. Foto: Privat

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Die Flensburgerin Uta Wentzel ist stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion im Kieler Landtag. Erst kürzlich war sie zu Besuch beim Bund Deutscher Nordschleswiger. Im Interview spricht die 42-Jährige über die Grenzkontrollen, Flensburg als Motor für das Grenzland und ihren Wunsch für die Flensburger Förde.

Die CDU-Landespolitikerin Uta Wentzel (42) lebt mit ihrer Familie in Flensburg. Sie ist Mitglied des „Arbeitskreises Europa“ ihrer Fraktion. Das Grenzland ist ihr Zuhause und sie engagiert sich seit Jahren für das barrierefreie Zusammenleben auf beiden Seiten der Grenze. Kürzlich war sie mit dem Arbeitskreis zu Besuch beim Bund Deutscher Nordschleswiger. Im Gespräch mit unserer Redaktion sprach sie vorab über die ambitionierten Pläne der schwarz-grünen Landesregierung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in dieser Legislaturperiode.

Als gebürtige Flensburgerin kennen Sie das Grenzland nicht nur durch Ihre Ausbildung und die Arbeit in der Europa-Union. Was haben Sie bei Ihrem Besuch in Nordschleswig für Ihre Arbeit mitnehmen können?

„Der Tag in Nordschleswig war sehr wichtig und hilfreich für unsere Arbeit, insbesondere auch, um die wechselvolle Geschichte des Grenzlandes besser zu verstehen, gerade für unsere Kollegen, die weiter südlich zu Hause sind und die Besonderheiten unseres Miteinanders und auch die feinen Zwischentöne nur aus Gesprächen kennen.“

Wie wollen Sie als Flensburgerin und die CDU-Fraktion die Minderheit in Nordschleswig stärken?

„Wir haben die Minderheiten auf beiden Seiten der Grenze immer im Blick. Sie sind ein wichtiger Bestandteil unserer DNA. Dies zeigt auch den Stellenwert, den dies für den Ministerpräsidenten hat. So wurde der ehemalige Landtagsabgeordnete aus Schleswig, Johannes Callsen, zum Beauftragten des Ministerpräsidenten für nationale Minderheiten ernannt. Im Europaausschuss befassen wir uns regelmäßig mit allen das Grenzland betreffenden Themen.

Wir werden gemeinsame Kulturprojekte wie das ‚folkBalitca' oder ‚Schengen-Festival' an der Grenze unterstützen, aber auch grenzüberschreitende politische Bildung stärken, wie etwa die Academica Baltica.

Außerdem sind zum Beispiel Stipendien für die deutsche Nachschule in Tingleff oder die Einrichtung von 20 Oberstufenpartnerschaften der Schulen der Grenzregion ein Bestandteil unserer Pläne. Einsetzen möchte ich mich für die Einrichtung einer Dependance des Goethe-Instituts im südlichen Dänemark zum Beispiel in Apenrade oder Sonderburg, natürlich in enger Abstimmung mit unseren Freunden in Nordschleswig.

Unsere schwarz-grüne Koalition hat sich außerdem vorgenommen, die Kernfinanzierung für das ‚European Centre for Minority Issues' (Das europäische Zentrum für Minderheitenfragen) zu erhöhen. All diese Projekte in enger Abstimmung mit den Kommunen und Minderheitensekretariaten werden die Minderheiten in Nord- und Südschleswig in den kommenden Jahren weiter stärken.“

Sie schreiben auf Ihrer Homepage, dass Sie in einem weltoffenen Zuhause aufgewachsen sind, die Deutsche Einheit miterleben durften. Sie schreiben auch über das Grenzland, wo alte Konflikte beendet wurden und Vertrauen und Freundschaft heute bestimmend sind. Wie passen die seit 2016 andauernden Grenzkontrollen dazu?

„In Flensburg und der Grenzregion beidseits der Grenze haben wir das Glück, mit der dänischen und deutschen Kultur aufzuwachsen, die über die Zeit gewalttätige Konflikte überwunden und sich zu einem freundschaftlichen Miteinander gewandelt hat. Das ist beispielgebend in Europa.

Dieses Miteinander spiegelt sich auch in unserer vielfältigen Kultur- und Bildungslandschaft wider und bereichert unsere Region und Gesellschaft ungemein. Denn wir leben grenzüberschreitend. Wir pendeln beruflich über die Grenze, haben Familien auf der anderen Seite oder fahren zum Arztbesuch, Einkaufen oder Schön-essen-Gehen ins Nachbarland.

Die anhaltenden Kontrollen schaden unserer Grenzregion, sie sind vor allem für die vielen Pendlerinnen und Pendler eine große Belastung und müssen endlich beendet werden. Das ständige Verlängern der Ausnahmeregelung verstößt gegen den Kern des Schengener Abkommens und somit gegen eine der wichtigsten Errungenschaften Europas. Das sieht auch der Europäische Gerichtshof so, dessen Urteil in Bezug auf die rechtswidrigen Verlängerungen der Grenzkontrollen Österreichs gleichsam für unsere Region von Bedeutung sein dürfte. Denn nun ist die Kommission aufgefordert, die Kontrollen neu zu bewerten. 

Der Landtag hat im September einstimmig Dänemark ermutigt, die Grenzkontrollen zu beenden. Unsere Landesregierung setzt sich seit Langem für ein Ende der Kontrollen ein, während unsere dänischen Freunde in Kopenhagen leider immer neue Begründungen für weitere Verlängerungen gefunden haben. Doch die veränderte Ausgangslage durch das EuGH-Urteil ist ein Grund zum Optimismus. Auch gibt es viele kritische Stimmen auf dänischer Seite. Es ist an der Zeit, die Grenzen wieder zu öffnen.“

Beim Oeversee-Marsch Anfang des Monats sprachen vier Schülerinnen und Schüler aus der dänischen und deutschen Minderheit in einer offiziellen Rede darüber, wie eine für lange Zeit als kaum mehr existent wahrgenommene Grenze nun wieder spürbar geworden ist. Für das Leben im Grenzland sei das eine Last. Sehen Sie das ähnlich?

„Die derzeitige Situation ist, wie Sie bereits richtig beschrieben haben, eine Last für das Grenzland. Das muss sich ändern. Die Entscheidung fällt aber Kopenhagen.“

Aber nur zuzuschauen, scheint auch keine Lösung zu sein. Was möchten die CDU-Fraktion im Landtag und Sie in ihrem Wahlkreis Flensburg dafür tun, solche Barrieren direkt vor der Haustür wieder abzubauen?

„Wir möchten unseren dänischen Nachbarn bestärken, wieder den Kern des Schengener Abkommens umzusetzen, der da lautet: ‚Die Binnengrenzen dürfen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden'. Damit unsere Kinder im Grenzland auch in ein freies Europa hineinwachsen können, so wie wir. Dafür machen wir auch explizite Angebote in Richtung Kopenhagen. Insbesondere der Umsetzung des Aktionsprogramms im Zuge der deutsch-dänischen Freundschaftserklärung von 2021 kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. Schleswig-Holstein hat hier bereits Vorschläge zur Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Ordnungs- und Sicherheitsbehörden eingebracht und somit klar signalisiert, dass wir bereit sind, in den Dialog zu treten. Aber auch der Bundesregierung kommt bei diesem Thema eine entscheidende Rolle zu. Hier werden wir nicht müde, Berlin aufzufordern, mit der Regierung in Kopenhagen in den Dialog zu treten.“

Sie betonen bei Ihren Themen die grenzüberschreitende Bildung und MINT-Förderung (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik). Ich selbst habe an der SDU in Sonderburg studiert. Einen Bachelor-Studiengang mit dem Titel Sprach- und Kulturmittler (Sproglig og kulturel formidling), den es heute leider nicht mehr gibt. Es entsteht das Gefühl, dass es an Universitäten und Hochschulen in Schleswig-Holstein und Süddänemark noch reichlich Potenzial für eine grenzübergreifende Zusammenarbeit gibt – nicht nur in den MINT-Fächern. Wie bewerten Sie den aktuellen Stand?

„Nicht ohne Grund ist die Weiterentwicklung unserer Region zu einer grenzüberschreitenden Bildungsregion einer der zentralen Punkte des Koalitionsvertrages der Landesregierung. In diesem Bereich liegt ein enormes Entwicklungspotenzial für die Grenzregion. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, mehr Angebote zu schaffen. Mit Austauschprogrammen für die Schülerinnen und Schüler und vor allem mehr Angeboten von Dänisch-Unterricht an allgemeinbildenden Schulen haben wir hier auch schon konkrete Ziele formuliert. Diese gilt es nun zügig umzusetzen. Der gemeinsame Studiengang ‚International Management' der Europa-Universität in Flensburg und der Syddansk Universitet in Sonderburg zeigt, wie grenzübergreifendes Studieren gelingen kann. Hier gilt es, nach diesem Vorbild weitere grenzübergreifende Studiengänge zu schaffen. [...] Grenzübergreifende Forschungs- oder Ausbildungsprojekte bieten ebenfalls ein großes Potenzial und Alleinstellungsmerkmal für unsere Region. Der Wirtschaftsrat in Flensburg entwickelt derzeit ein Büro, um skandinavischen Firmen den Zugang zum deutschen Markt zu erleichtern. Und gerade im Bereich der Klimawende gibt es viel Potenzial.“

Klimawende ist ein gutes Stichwort. Noch heute ist es als Grenzpendler eine Herausforderung, mit Bahn und Bus regelmäßig über die Grenze und zurück zu kommen. Daher nehmen die meisten wohl das Auto, denn auch das Radwegenetz im Grenzland ist nicht sonderlich gut ausgebaut. Wie könnte man das verbessern?

„Auch hier gilt wieder: Es braucht mehr gemeinsame Projekte der Kommunen beidseitig der Grenze. Ein gutes Beispiel ist die Linie 110 aus Flensburg nach Sonderburg. Erst Ende vergangenen Jahres hat der Planungsausschuss der Stadt Flensburg einer Mitfinanzierung der Busverbindung nach Sonderburg zugestimmt und somit deren Fortbestehen gesichert. Im Land diskutieren wir derzeit, wie wir hier unterstützen könnten. 

Beim Thema Radverkehr ist einiges in Bewegung gekommen. Der Kreis Schleswig-Flensburg hat jüngst sein erstes Radverkehrskonzept aus der Taufe gehoben. Das kommt auch der Grenzregion zugute. Der grenzüberschreitende Zugverkehr bleibt weiterhin eine Herausforderung, Stichwort Zustieg der Bundespolizei etc. Auch der Dänemark-Bevollmächtigte des Ministerpräsidenten, Johannes Callsen, steht hierbei im engen Austausch mit unseren dänischen Freunden. Die schwarz-grüne Koalition setzt sich aktuell dafür ein, dass Flensburg ein Haltepunkt auf der von der EU priorisierten Jütlandlinie wird.“

Das Thema Nationalpark Ostsee und insbesondere der Naturschutz der Flensburger Förde tauchen in Diskussionen aktuell immer häufiger auf. Können Sie etwas über den aktuellen Stand berichten?

„In Bezug auf den Nationalpark Ostsee laufen jetzt viele Gespräche, da es viele Fragen und auch Vorbehalte gibt, auch da unsere Ostseeküste natürlich sehr stark besiedelt und unterschiedlich genutzt wird, sodass alle Interessen, alle Anwohner und Nutzer gehört werden müssen. Welche Konsequenzen die Einrichtung eines Nationalparks hätte und welche Vor- und Nachteile sich ergäben, muss offen auf den Tisch und diskutiert werden. Ich würde für die Flensburger Förde eine Ausweitung des dänischen Nationalparks Lillebelt auf die Förde begrüßen, damit das auf deutscher Seite verbotene Muschelfischen auch auf dänischer Seite nicht mehr möglich ist und die Flensburger Förde sich erholen kann.“

Sie schreiben, dass Flensburg zum „Global Player“ für gute Ideen und Innovationen werden soll. Wie könnte das Grenzland in Zukunft von Flensburg als größter Stadt zwischen Kiel und Kolding profitieren? Oder tut es das bereits?

„Flensburg ist die Heimat einer lebendigen Start-up Szene, mit Projekten weit über die Landesgrenzen hinaus. Es gibt eine tolle Kooperation von der Hochschule und der heimischen Wirtschaft mit bedarfsgerechter Förderung von Gründungen und Unternehmen. Die Erweiterung des Technologiezentrums der WIREG (Anm. d. Red. Wirtschaftsregion Flensburg/Schleswig) in Flensburg sorgt für einen weiteren Aufschwung in der Gründerszene. Hier bilden wir den Motor für Innovationen im Landesteil Schleswig. Durch Kooperationen, unter anderem auch mit der heimischen Wirtschaft, profitiert auch das Grenzland schon seit geraumer Zeit von dieser Entwicklung. Zu nennen sind hier natürlich auch die Interreg-Programme. Uns ist es hier vor Ort gelungen, eine Vielzahl von ‚Hidden Champions' anzusiedeln und aufzubauen, sodass Flensburg in gewissen Bereichen schon jetzt zum ‚Global Player' geworden ist. Aber auch im Bereich der Schifffahrt haben wir mit dem ‚Maritimen Zentrum' eine der innovativsten Ausbildungsstätten in Nordeuropa. Flensburg ist der Standort für maritime Innovationen, wie wir es auch im Rahmen der von mir organisierten Flensburger Schifffahrtstage am 15. und 16. Februar zeigen werden.“

 

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