Leitartikel

„Klima retten per Kochtopf“

Klima retten per Kochtopf

Klima retten per Kochtopf

Apenrade/Aabenraa
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„Nordschleswiger“-Redakteur Volker Heesch befasst sich in seinem Leitartikel mit den neuen Ernährungsratschlägen der dänischen Regierung, die dem Klimaschutz dienen sollen.

Nein, er komme nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, versprach Nahrungsmittelminister Rasmus Prehn (Sozialdemokraten) bei der Vorstellung der neuesten offiziellen Ernährungsratschläge des Ministeriums für Nahrungsmittel, Landwirtschaft und Fischerei, wie das Fachministerium seit der jüngsten Regierungsumbildung heißt. Nach über sieben Jahren gibt es aber sieben neue offizielle Ernährungsvorgaben. Während es 2013 vor allem darum ging, den Menschen in Dänemark durch die richtige „Fütterung“ zu einem gesünderen, aktiveren Lebensstil zu verhelfen, heißt das Motto 2021, dass es nun auch darum gehe, durch die richtige Wahl bei den Nahrungsmitteln einen Beitrag zur Rettung des Weltklimas zu leisten. Fast wie ein Trost klingt Prehns Aussage, dass die Nahrung, die gesund für das Klima ist, auch der Gesundheit der Menschen dienlich ist.

In Beiträgen zur Veröffentlichung der neuen Ratschläge wird mit der Überschrift, durch korrekte Ernährung lasse sich der individuelle Kohlendioxidausstoß um 50 Prozent senken, ein wahrer Gewissens-Leckerbissen aufgetischt. Nachlesen kann man, dass der Durchschnittsdäne täglich in Verbindung mit dem Verzehr von Getränken und anderen Nahrungsmitteln acht Kilogramm Kohlendioxid ausstößt. Und es folgen dann die sieben neuen Ratschläge, unter anderem soll viel pflanzliche Nahrung, möglichst abwechslungsreich gegessen werden. Gewürzt mit dem originellen Tipp, nicht zu viel zu essen. Dann folgt der Hinweis, mehr Gemüse und Obst zu essen. An diesen schließt sich der Rat an, der wohl vielen Einwohnern des traditionellen Agrarstaates Dänemark schwer aufstößt: Verspeise weniger Fleisch, dafür mehr Hülsenfrüchte und Fisch. Weiter geht es mit dem Hinweis, mehr Vollkornprodukte zu futtern, an den sich wieder ein für viele Bürger sicher schwer verdaulicher Ratschlag reiht, mehr pflanzliche Öle und magere Meiereiprodukte zu wählen. Es folgt die nächste Qual, weniger Süßes, Salziges und Fettes zu essen, zum Schluss die kalte Dusche, den Durst am besten mit Wasser zu löschen.

Den meisten Ratschlägen wird sicher kaum widersprochen werden. Doch es darf daran erinnert werden, dass Dänemark seit Jahren mit Ernährungsratschlägen beglückt worden ist, die als Pyramiden vielen Menschen wohl oft eher ein schlechtes Gewissen verpasst als zu mehr Gesundheit verholfen haben. Das belegen Umfragen, die zeigen, dass die meisten Ratschläge dieser Art nicht eingehalten worden sind. Hinzu kommen statistische Daten, die verraten, dass immer mehr Menschen in Dänemark an Übergewicht leiden, ganz zu schweigen von den Klimakonsequenzen vieler zu Recht oder Unrecht kritisierter Produktionsformen, die eine Lammwurst aus heimischer Schafzucht sicher als Klimaretter im Vergleich zu „gesunden“ Früchten erscheinen lassen, die per Flugzeug aus Neuseeland nach Dänemark gekommen sind. Was auch irritiert, ist das Prinzip der Ratschläge, die Dinge auf dem Gebiet der Nahrungsmittel sehr zu vereinfachen. Es wird sicher erforderlich sein, den teilweise sehr hohen Fleischkonsum der Menschen zu verringern, vor allem weil industriell organisierte Rinder- und Schweinemast auf Basis importierter Futtermittel vor allem in unterentwickelten Ländern die Nahrungsmittelproduktion untergraben oder zur Vernichtung von Urwäldern beitragen.

Ein Aspekt sollte auch nicht vergessen werden: In Dänemark sollen laut Umfragen über 30 Prozent der Nahrungsmittel weggeworfen werden, weil zu viel eingekauft worden ist, oder es an Kenntnissen fehlt, vernünftig zu haushalten. Doch es sollte gerade in einem Agrarland wie Dänemark möglich sein, den Menschen, die bereit sind, per Kochtopf einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, Alternativen aufzuzeigen, auch in Maßen an traditionellen Leckerbissen wie einem Braten, Schlagsahne usw. festzuhalten, ohne in Gewissenskonflikte zu geraten. Die Ernährung darf nicht zu einer Art Ablasshandel werden oder gar noch mehr Menschen in Zeiten verwirren, in denen Essstörungen, Unwissenheit, sozialer Druck und Falschinformationen in Sachen gesunder Ernährung gerade auch junge Menschen in Verzweiflung stürzen können.      

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