Leitartikel

„Unsere Natur gehört anderen“

Unsere Natur gehört anderen

Unsere Natur gehört anderen

Nordschleswig
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Dänemark schneidet in einem Bericht über den Naturschutz schlecht ab. Die Antwort ist mehr Natur. Aber dafür muss eine gemeinsame Lösung gefunden werden – die nicht einseitig zulasten der Landwirtschaft gehen darf, meint Chefredakteur Gwyn Nissen

Es sieht alles schön grün aus, wenn man durch Dänemark reist – ob mit dem Auto, dem Fahrrad oder zu Fuß. Außerdem ist alles sauber – sowohl das Land als auch das Image. Doch der Schein trügt. Laut einem EU-Bericht über den Naturschutz in Europa landet Dänemark auf einem der hinteren Ränge. Das ist gar nicht gut – weder für die Natur noch für das Selbstverständnis der Dänen.

Denn was in Dänemark grün ist, wird auch bewirtschaftet: Wälder und Wiesen sind fest in Bauernhand. Effizient und intensiv wird das aus der Erde herausgeholt, was zu holen ist. Das verlangt vor allem die Marktlage, denn wer heute keinen effizienten Betrieb führt, hat keine Überlebenschancen.

Als Gegengewicht hat Dänemark weder Berge, Steilhänge noch große, zusammenhängende Feuchtgebiete. Mit anderen Worten kann fast jeder Quadratmeter Boden bewirtschaftet – beziehungsweise bebaut – werden. Auch wenn es also schön grün aussieht: Für wilde Natur und Biodiversität ist in Dänemark nicht viel Platz.

Von der Land- und Forstwirtschaft zu verlangen, dass sie ihre Betriebe weniger intensiv bewirtschaften sollen, wäre das Gleiche, wie von einem Fabrikanten zu verlangen, dass er auf seinen Maschinen weniger Schuhe oder Windeln produzieren soll. Das Ergebnis wäre ein Vorteil für die ausländische Konkurrenz und ultimativ die Schließung eines dänischen Standortes. Die Produkte würden stattdessen woanders in der Welt produziert werden. 

Das gilt auch für die Landwirtschaft, wobei es sich dort beim Produktionsapparat unter anderem um „unsere“ Natur dreht. Aus diesem Grund ist der Naturschutz auch keine Aufgabe – oder Auflage – für die Landwirtschaft allein. Wenn wir als Gemeinschaft mehr Natur in Dänemark wünschen, dann muss auch eine gemeinsame Lösung gefunden werden.

Entweder werden der Landwirtschaft Gebiete zu fairen Preisen abgekauft oder wir bezahlen den Landwirt für eine extensive Bewirtschaftung des Bodens. Anders geht es nicht, denn „unsere“ Natur ist das Eigentum anderer – und das ist laut Grundgesetz unantastbar (Ejendomsretten er ukrænkelig). Nur wenn es das Gemeinwohl verlangt, muss Boden oder Eigentum abgegeben werden – dann aber „bei voller Kompensation“, heißt es im dänischen Grundgesetz.

Dänemark braucht mehr Natur – und gern mehr wilde Natur. Daran besteht kein Zweifel. Aber dies ist eine gemeinsame Aufgabe, die von  allen Schultern getragen werden muss – und nicht von einzelnen Landwirten.

 

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