Leitartikel

„Natur benötigt Platz in Stadt, Dorf und Land“

Natur benötigt Platz in Stadt, Dorf und Land

Natur benötigt Platz in Stadt, Dorf und Land

Apenrade/Aabenraa
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Redakteur Volker Heesch beschäftigt sich in seinem Leitartikel mit einer Unterschung über die Entwicklung der Arten in Dänemark, die auf mehr Artenvielfalt im Bereich der menschlichen Siedlungen in Dänemark hinweist.

In Dänemark ist eine von der Naturschutzorganisation „Danmarks Naturfredningsforening“, Wissenschaftlern der Universität Kopenhagen und mehr als 20.000 Bürgerinnen und Bürgern durchgeführte oder ausgewertete Studie unter der Überschrift „überraschender Fortschritt für die Stadtnatur“ präsentiert worden. Die Medien griffen die per Pressemitteilung publik gemachten Untersuchungsergebnisse auf. Die Präsidentin des größten dänischen Naturschutzverbandes sprach von Begeisterung und Sorge angesichts der Ergebnisse, denn es sei erfreulich, dass es aufwärts gehe mit der Natur in der Stadt, aber leider seien seltene Arten und Naturtypen in Dänemark weiter gefährdet.

Es ist erstaunlich, welche Schlüsse ein Wissenschaftler wie Biologieprofessor Carsten Rahbek aus dem Datenmaterial zieht. So sieht er in der Zunahme von Arten in Siedlungen einerseits deren Eigenschaft, sich anzupassen und dort Lebensräume zu finden, wo der Mensch die Landschaft geformt hat. Andererseits sieht er in der Zunahme ein Ergebnis des steigenden Interesses, grüne Bereiche in den Siedlungen nach dem Motto zu gestalten, gezielt Wildnis zu schaffen. Naturschutzverband und Biodiversitätsprofessor drücken auch ihr Bedauern aus, dass es in vielen Bereichen der Natur in Dänemark leider weniger günstig aussehe.

Insgesamt muss festgehalten werden, dass die Botschaft des prinzipiell lobenswerten Vorhabens, dass Menschen im ganzen Land Naturbeobachtungen registrieren und der Wissenschaft zur Verfügung stellen, nicht gerade einfach zu verstehen ist. So ist gerade in Dänemark zu beobachten, dass sich während der vergangenen Jahre Siedlungen und Gewerbeflächen landesweit immer weiter ausgedehnt haben. Die Häuserabrisse in Dörfern und auf dem Land können bestimmt nicht den anhaltenden Flächenfraß aufwiegen, der in den zurückliegenden Jahren der Hochkonjunktur trotz aller Bekenntnisse zu Umwelt- und Artenschutz Dänemark, aber auch das relativ ländliche Nordschleswig geprägt hat. Zum Glück gibt es neben immer intensiverer Bewirtschaftung der Agrarflächen mit Verdrängung vieler einst dort typischer Tier- und Pflanzenarten auch seit Jahrzehnten Schutzpflanzungen, renaturierte Auen und Bäche, ökologisch bewirtschaftete Wiesen und Felder sowie mehr Naturschutzgebiete.

So konnten Seeadler und Kraniche wieder heimisch werden. Aber das Verschwinden von Feldlerchen, Kiebitzen und Uferschnepfen – ganz zu schweigen vom Verlust bei Braunkehlchen, Trauerfliegenschnapper oder anderen, den meisten Menschen kaum bekannten Arten – kann gegen Erfolge bei anderen zuvor seltenen oder ausgestorbenen Tieren bestimmt nicht aufgerechnet werden. Die Natur erweist sich als dynamisch. Wer hätte vor 20 Jahren gedacht, dass in Nordschleswig Schafe von Wölfen gerissen werden. Auch hat niemand erwartet, dass einst vom Aussterben bedrohte Nonnengänse inzwischen zu Hunderttausenden auf Nutzflächen „grasen“. Vorstellungen, mehr „Urwälder“ könnten dem  Naturschutz hierzulande gerecht werden, erweisen sich als Illusion.  

Die Botschaft der Studie, die sich beinahe so anhört, als wenn ausgerechnet die Städte einen „Ausgleich“ bieten können, weil Hasen, nicht näher bezeichnete Orchideen und Amphibien in der Nähe der Menschen gedeihen, ist aber auch reichlich konstruiert. Es gibt lobenswerte Initiativen, dass Kommunen Grünflächen nicht mehr mit Rasenmähern und Giftspritze trimmen. Auch lassen viele Bürger in ihren Gärten Bäume und Sträucher so wachsen, dass sich darin Singvögel, Eichhörnchen und Igel wohlfühlen. Doch insgesamt kann man hierzulande im von Geschäftigkeit und Effektivisierung geprägten Alltag leider sehr viele geschotterte oder gepflasterte Gärten, baumfreie Straßen und „rasierte“ Rasenflächen sehen. Die Untersuchung sollte als Anregung verstanden werden, dass überall in Städten, Dörfern und auf dem Lande Beiträge für mehr Naturschutz willkommen sind. Es sind auch Naturmanagement und Natur-Verbundnetze nötig. Für mehr Pflanzen und Tiere, für eine schönere Umwelt. Der Einsatz gegen das Artensterben und den Klimawandel geht alle an. Der Einsatz darf nicht der Politik allein überlassen werden.

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