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Unterwegs für die Mehrsprachigkeit: Per Anhalter durch Europa

Unterwegs für die Mehrsprachigkeit: Per Anhalter durch Europa

Unterwegs für die Mehrsprachigkeit: Per Anhalter durch Europa

Rothenkrug/Rødekro
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Nichlas M. Walsted (links) und Allan V. Hermansen auf dem Weg nach Kiel. Foto: Cornelius von Tiedemann

Zwei Studenten aus Aarhus verbinden mit ihrem Sprach-Projekt Menschen verschiedener Herkunft in ganz Europa – und bald auch weltweit. Jetzt haben sie sich auf die Reise gemacht, um diejenigen zu besuchen, die sie zusammengebracht haben.

Von Marketing verstehen die beiden etwas – das wird schon deutlich als Allan V. Hermansen und Nichlas M. Walsted an diesem grauen Dezemberfreitag auf dem Parkplatz eines Schnellrestaurants an der E45 in Nordschleswig aus dem Auto klettern: Knallorange Jacken mit dem Logo ihres Projektes „Swaplanguage“ haben sie an, in den Händen halten sie eigens designte Anhalter-Schilder mit den Namen der Orte, an die sie ihre Europa-Tournee führen soll.

Sprachen lernen – gratis und gemeinsam mit Muttersprachlern

Die beiden 27-Jährigen machen im Sommer ihren Master in „IT, Kommunikation und Organisation“ in Aarhus. Für ihre Anschlussbeschäftigung haben sie schon selbst gesorgt. Mit einer Internetplattform für Menschen, die Sprachen nicht im Klassenraum, nicht online, sondern direkt von Muttersprachlern lernen wollen. Und das gratis.

„Uns beiden fehlten Sprachpartner im Studium. Wir konnten einfach in Aarhus niemanden finden, der spanischsprachig ist. Dabei gibt es davon massenhaft, aber man weiß nicht, wo man suchen soll. Da dachte ich, das muss doch einfacher zu machen sein“, erzählt Hermansen beim Zwischenstopp in Rothenkrug. Per Anhalter geht es von Aarhus nach Kiel – und dann weiter bis nach Spanien.

„Ich habe damals gerade ein Marketingunternehmen aufgebaut. Dann kam Allan und sagte ,Hey, ich habe diese fantastische Idee, es gibt überhaupt keine Aussichten auf Einnahmen – aber es ist wirklich eine gute Sache'. Ich machte diese Marketing-Sache und wir haben viel Geld gemacht, aber irgendwie gefiel mir das nicht so. Ich habe einfach gesagt ,Fett, lass uns das machen, Allan!'“, sagt Nichlas.

Auf Tour zu den Nutzern in ganz Europa

Und sie haben es gemacht. Ein halbes Jahr später sitzen sie beim Kaffee mit dem Nordschleswiger in Rothenkrug, voller Vorfreude auf ihre Europareise. Kiel, Hamburg, Gent, Grenoble, Barcelona und Madrid – das sind die Stationen ihrer Tour. Dafür, dass die Plattform während dessen auch funktioniert, sorgen sie von unterwegs aus per Laptop.

3.500 Menschen haben sie seit dem Startschuss vor einem halben Jahr schon zusammengebracht. Jetzt wollen sie mit ihnen auf Tuchfühlung gehen, bei ihren Treffen dazustoßen und sich bei den vielen Freiwilligen bedanken. Denn Swaplanguage ist gratis – und alle, die mithelfen, zum Beispiel Treffen in Cafés in ganz Europa zu organisieren, tun dies unentgeltlich.

Wie die beiden dann von ihrer Idee leben wollen? Sie treffen Provisions-Vereinbarungen mit Cafés und Bars, in denen sich die Sprachgruppen treffen – und mit Unternehmen, die ihre Plattform nutzen, um den Mitarbeitern Partner zum Sprachenlernen zu vermitteln. „Zum Beispiel hat ein dänisches Unternehmen eine Filiale in Spanien, wo die dänischen Mitarbeiter sich bisher einfach nicht mit den Lokalen integrieren“, berichtet Nichlas, „und dann ist es schwer, ein Zugehörigkeitsgefühl zu entwickeln. Diesen Unternehmen ist es aber wichtig, dass ihre Mitarbeiter auch dort, wo sie arbeiten, das Gefühl haben, dazuzugehören.“

 

Swaplanguage
Vorfreude auf die Europareise. Foto: Cornelius von Tiedemann

„Wir rechnen damit, dass es jetzt richtig losgeht“

Im direkten Gespräch mit Muttersprachlern laufe das Sprachenlernen einfach informeller, sagt Nichlas. Als er nach drei Jahren Spanisch-Studium in Dänemark nach Spanien zog, habe er sich zwar fachlich ausdrücken können, aber „ich konnte ums Verrecken kein normales Gespräch führen. Das war aber das, was eigentlich das Allerwichtigste für mich war, um mich in Madrid wohlfühlen zu können“.

Mit ihrem Projekt jedenfalls fühlen sich die beiden wohl, das ist ihnen anzumerken. Sie sind sich sicher, dass es nicht bei den 3.500 Nutzern bleiben wird, stecken ihre Ausbildungsförderung („SU“) in die Plattform und die Vermarktung. Die Uni Aarhus, die Uni Kopenhagen und die staatliche dänische Plattform zum Dänisch-Spracherwerb für Erwachsene, Lærdansk, sind schon mit an Bord.

„Wir rechnen damit, dass es jetzt richtig losgeht. Wir sehen, dass es funktioniert. Als wir unsere Reise angekündigt haben, haben wir Anfragen aus Hamburg, aus New York bis nach Mexiko bekommen“, sagt Nichlas. Ganz soweit werden sie es dieses Mal nicht treiben – aber bis nach Spanien soll es per Anhalter gehen.

Link: Das Reisetagebuch von Allan und Nichlas auf Facebook

„Das Reisen per Anhalter, das ist ja eigentlich das, wofür Swaplanguage steht. Mit jedem Auto, in das du dich setzt, setzt du dich in eine neue Kultur, eine neue Hintergrundgeschichte, eine neue Sprache“, sagt Nichlas. „Wir wollen kein Unternehmen sein, dass sich von seinen Nutzern entfernt. Wir wollen unsere eigene Medizin schmecken, wollen unsere Identität leben.“

Barrieren abreißen, Akzeptanz durch Verständnis schaffen

Dazu gehört für sie auch der Glaube daran, dass Sprachen Brücken bauen können. „In Europa und den USA sind die Leute wirklich aufgeteilt in ihrer Haltung dazu, ob wir eine inkludierende internationale Gemeinschaft sein oder  Mauern bauen sollen. Allan und ich, das ist kein Geheimnis, glauben daran, dass durch Verständnis, von dem die Sprache ein großer Teil ist, auch Kulturverständnis, jeder die Barrieren abreißen kann, die zwischen uns stehen“, sagt Nichlas und ergänzt: „Wenn du denjenigen, der dir gegenüber sitzt, wirklich verstehst, durch Sprache und Kultur, dann könnten wir wirklich für mehr Harmonie in der Dynamik sorgen“. „Und für mehr Akzeptanz“, sagt Allan. „Wenn dein Gegenüber weiß, dass du seinen Standpunkt aus seiner Sicht verstehst, ist es auch leichter, zu einem Kompromiss zu gelangen.“

Am Donnerstag haben die beiden eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, um das Projekt weiterzuentwickeln und um die Internetseite nutzerfreundlicher zu machen. Schon nach einem Tag hatten sie 34 Prozent ihrer Zielsumme erreicht.

„Wir lieben, was wir machen!“, sagt Allan noch. Dann machen sich die beiden wieder auf. In ihren orangen Jacken und dem Pappschild mit der Aufschrift „Kiel“ in der Hand geht es zur Autobahnauffahrt. Europa wartet.

Mehr erfahren: Die Internetseite von Swaplanguage

Video: Die Swaplanguage-Gründer beim Nordschleswiger-Interview

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