Proteste in Hongkong

Leben zwischen Hongkong und Hadersleben

Leben zwischen Hongkong und Hadersleben

Leben zwischen Hongkong und Hadersleben

Hadersleben/Haderslev
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Anna Bülow Fuglsang studiert in Hongkong Politikwissenschaft. Foto: Privat

Anna Bülow Fuglsang aus Hadersleben studiert Politikwissenschaft in Hongkong. Aufgrund der Proteste wurde ihr Semester verkürzt, und sie ist zurück in Dänemark.

Seit dem vergangenen Sonntag ist Anna Bülow Fuglsang wieder zurück in Hadersleben. Erst vor 14 Wochen war sie aufgebrochen, um in Hongkong an der chinesischen Universität Politikwissenschaft zu studieren.

„Meine ganze Familie hat enge Beziehungen nach Asien. Mein Großvater hat vor 70 Jahren in Hongkong gewohnt, meine Eltern haben in Peking gelebt, ich habe ein Jahr an einer Highschool in Taiwan verbracht“, erzählt die 21-Jährige. 2018 absolvierte sie ihr Abitur am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig in Apenrade und entschloss sich, am 28. August 2019, ein Vollzeitstudium in Hongkong zu beginnen.

Doch die Universität hat aufgrund der Proteste und Demonstrationen entschieden, dass die Sicherheit der Studenten nicht gewährleistet werden kann, das Semester verkürzt wird und die Studierenden nach Hause geschickt werden. Im Selbststudium müssen sie nun schriftliche Aufgaben von zu Hause erledigen – Prüfungen wurden verschoben.

Anhaltende Proteste

Fünf Monate dauern die Proteste gegen Hongkongs Regierung, das als brutal empfundene Vorgehen der Polizei und der wachsende Einfluss der kommunistischen Pekinger Führung schon an. Seit die frühere britische Kolonie 1997 an China zurückgegeben wurde, wird Hongkong nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ autonom regiert. Die sieben Millionen Hongkonger haben – anders als die Menschen in der kommunistischen Volksrepublik – viele Rechte, wie Versammlungs- und Meinungsfreiheit, um die sie fürchten und wofür sie neben direkter Demokratie auf die Straße gehen.

„Bis vor zehn Tagen waren die Proteste in meinem Alltag zwar präsent, aber ich konnte ihnen aus dem Weg gehen. Wenn ich wusste, dass in einem bestimmten Viertel demonstriert wird, habe ich es vermieden, dort hinzugehen“, berichtet Anna Bülow Fulgsang. Auch der öffentliche Verkehr wurde durch die Proteste eingeschränkt, trotzdem ging das Studium weiter. Als am 11. November allerdings die Demonstrationen auf ihrem Campus stattfanden, war es nicht mehr möglich, Vorlesungen zu besuchen.

Anna Bülow Fuglsang bekommt die Demonstrationen von ihrem Zimmer in Hongkong aus mit. Foto: Anna Bülow Fuglsang

„Ich habe von meinem Zimmer aus gesehen, wie Demonstranten Autos angezündet haben und Polizisten mit Tränengas schossen.“ Angst habe sie nicht gehabt, aber ihr Körper war voller Adrenalin. Innerhalb von zehn Minuten schoss die Polizei mit 40 Kanistern Tränengas. Anna Bülow Fuglsang spürte von ihrem Zimmer aus ein Kratzen in Hals und Augen. „Aus der Sicht einer Politikstudentin war das alles sehr interessant, das werde ich nie wieder vergessen“, erzählt die Haderslebenerin, die mit ihren Kommilitonen Englisch und Mandarin spricht. In ihrem Studiengang ist sie die Einzige, die nicht aus Hongkong stammt. An der gesamten Universität kommt etwa die Hälfte der Studenten aus Hongkong, der Rest aus dem Ausland.

Anna Bülow Fuglsang mit ihren Kommilitonen in Hongkong Foto: Privat

An den Protesten auf dem Campus der chinesischen Universität haben zwar auch Studenten teilgenommen, aber nicht viele ihrer Kommilitonen. „Die Demonstranten kommen aus ganz Hongkong, es sind nicht nur Studenten“, so Bülow Fuglsang. Sie selbst habe an keiner Demonstration teilgenommen: „Ich halte mich da raus.“

Ich mache in Hongkong nicht nur ein Auslandssemester, sondern ein ganzes Studium.

Anna Bülow Fuglsang

Dass die Universität das Semester vorzeitig beendet hat, kann sie nachvollziehen. Von allein wäre sie aber nicht zurück nach Dänemark gekommen, weil sie keine Vorlesung verpassen wollte. „Ich mache in Hongkong nicht nur ein Auslandssemester, sondern ein ganzes Studium“, erklärt die Haderslebenerin. Wenn das nächste Semester im Januar beginnt, wird sie zurückkehren, daran hat sie keinen Zweifel. Darauf freut Anna Bülow Fuglsang sich jetzt schon, da sie sich in Hongkong sehr wohlfühlt.

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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