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„Europa in Trauer - über eine Monarchin, die nicht von allen geliebt wurde“

Europa in Trauer - über eine Monarchin, die nicht von allen geliebt wurde

Eine Monarchin, die nicht von allen geliebt wurde

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Apenrade/Aabenraa
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Vergangene Woche verstarb bekanntlich Königin Elizabeth II.. Jan Diedrichsen erinnert daran, dass sie, neben allen Verdiensten, auch Staatsoberhaupt einer Kolonialmacht gewesen ist. Er hofft, dass ihr Sohn, Charles III., eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit offensiv angeht.

Eine Welle der Trauer ging um die Welt, als Königin Elizabeth II. im Alter von 96 Jahren am Donnerstagnachmittag vor einer Woche verstarb und damit eine Ära endete. Ihre Regentschaft erstreckte sich über die Regierungszeit von 15 britischen Premierministerinnen und Premierministern.

Für viele Menschen versinnbildlichen die 70 Jahre der Regentschaft der Queen in der Rückschau eine Stabilität und Weltordnung, die sich mit ihrem Tode symbolisch dem Ende entgegen neigt.

Doch die Königin wurde nicht von allen geliebt. Die Rolle der Monarchie in der britischen Kolonialgeschichte in Afrika, der Karibik und Asien bleibt in vielen Huldigungen oft unerwähnt, heruntergespielt oder gar romantisiert. Während die Staatsoberhäupter der Königin ihren Respekt erwiesen – unter anderem die Präsidenten von Kenia, Südafrika und Nigeria – und dabei die aktuellen Beziehungen mit Großbritannien lobten, wird in den ehemaligen Kolonien öffentlich von den Verwüstungen und Traumata berichtet, die das Empire hinterlassen hat.

Es wird heftig darüber gestritten, inwieweit Königin Elizabeth, deren Aufgaben weitgehend zeremonieller Natur waren, Verantwortung trug und wie man den Respekt vor der Verstorbenen mit der Aufarbeitung vergangenen Unrechts in Einklang bringen kann. Der Tod der Königin hat die Forderungen in Afrika und Südasien verstärkt, dass die königliche Familie Reichtümer zurückgeben solle, die aus ihren Ländern geraubt wurden – darunter der Kohinoor-Diamant und der Große Stern von Afrika, die von Indien und Südafrika „geschenkt“ wurden. Es geht in den Diskussionen oftmals um Wiedergutmachung und um Anerkennung erlittenen Leids in der Kolonialzeit, vor allem im 19. und 20. Jahrhundert; eine Kolonialzeit, die noch heute ihre Schatten wirft.

Die verstorbene Königin hat keines der kolonialen Verbrechen Großbritanniens begangen oder direkt zu verantworten. Zum vollständigen Bild gehört jedoch, dass es in ihrer langen Regentschaft kein Wort der Entschuldigung, kein Bedauern, keine Wiedergutmachung, keine moralische Verantwortung oder Abrechnung mit dem Kolonialismus und den Verbrechen gab, die im Namen der Krone begangen wurden.

Die Liste der Kolonialverbrechen ist lang, die zum Beispiel in Kenia begangen wurden, das seit 1895 unter britischer Herrschaft stand, 1920 offiziell zur Kolonie gemacht wurde und dies blieb bis zur Erlangung der Unabhängigkeit im Jahr 1963. Zu den schlimmsten Gräueltaten unter britischer Herrschaft gehörte die Niederschlagung des Mau-Mau-Aufstands, der 1952 begann – in dem Jahr, in dem Königin Elizabeth den Thron bestieg. Die damalige Kolonialverwaltung führte in Gefangenenlagern, in denen bis zu 150.000 Menschen festgehalten wurden, extreme Folterungen durch und zahlreiche Personen wurden ermordet. Andere wiederum erinnern an die Rolle Großbritanniens im nigerianischen Bürgerkrieg Ende der 60er Jahre, als heimlich durch Großbritannien und die UdSSR Waffen an die nigerianische Regierung geliefert wurden, um diese gegen die Biafraner einzusetzen, die eine eigene Republik gründen wollten. In diesem Krieg starben zwischen eine Million und drei Millionen Menschen. Das barbarische Morden war damals unter anderem der Anlass für die Gründung der Gesellschaft für bedrohte Völker.

Mit dem Tod der Königin endet eine Epoche. In Großbritannien sind die Umbrüche besonders deutlich zu spüren. Die Unabhängigkeitsbestrebungen in Schottland, Wales und Nordirland werden nach dem Tod von Königin Elizabeth nicht nachlassen. Der Brexit, der sich in seiner ganzen Dramatik erst jetzt zu entfalten beginnt, verstärkt eine katastrophale politische, ökonomische und soziale Ausgangslage auf der Insel. Es darf bezweifelt werden, dass König Charles III. die gleiche Bindekraft wird entfalten können, wie sie seine Mutter besaß.

Eines steht jedoch fest: Die Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit wird weitergehen. Es ist zu hoffen, dass König Charles III. die Vergangenheit des Empires und die begangenen Kolonialverbrechen offensiv angeht. Weltweit warten Millionen Menschen auf Anerkennung und Entschädigung für erlittenes Leid.

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