Reformation

Renaissance für Keller aus Luthers Zeit

Renaissance für Keller aus Luthers Zeit

Renaissance für Keller aus Luthers Zeit

Hadersleben/Ripen
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Besichtigung des Kellers. Im Bild Lisbeth Søkilde und Torben Hjul Andersen
Besichtigung des Kellers. Im Bild Lisbeth Søkilde und Torben Hjul Andersen Foto: Ute Levisen

Der Keller des einstigen Priesterseminars am Dom zu Hadersleben soll eine Renaissance erleben. Aber wie? Die Domgemeinde begab sich auf Inspirationsreise nach Ripen, wo man vor allem eins gelernt hat – sich mit Geduld zu wappnen.

Ripen, die älteste Stadt Dänemarks, hat es vermocht, eine architektonische Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schlagen. Das spiegelt sich heute in der harmonischen Einheit wider, die den Dom, seinen Platz sowie die Propstei prägt.
Es ist das Ergebnis langjähriger Bemühungen seitens der dortigen Domgemeinde. Nicht zuletzt die mit Architekturpreisen gewürdigte Propstei, "Kannikegården", die auf dem „teuersten Baugrundstück“ Dänemarks errichtet worden ist, hat dazu beigetragen, die Ripener Stadtmitte zu beleben.

Dies ist ein Grund für den Abstecher der Delegation aus dem „Wittenberg des Nordens“ wie Hadersleben auch genannt wird, in die älteste Stadt Dänemarks. Die Delegation bestand aus Gemeindegliedern und Fachleuten, die eine Vision eint: Die Gebäude der Domgemeinde in der Altstadt, zu denen seit nunmehr einem Jahr auch der Reformationskeller gegenüber dem Dom zählt, sollen in Zukunft ebenfalls – ähnlich wie in Ripen – eine Einheit bilden.

Rundgang durch den Kannikegaarden, wie die Propstei genannt wird. 2016 wurde das Gebäude, das die Reste eines Klosters beherbergt, eingeweiht. Kostenpunkt der archäologische Arbeiten: 15 Millionen Kronen.
Rundgang durch den Kannikegården, wie die Propstei genannt wird. 2016 wurde das Gebäude, das die Reste eines Klosters beherbergt, eingeweiht. Kostenpunkt der archäologischen Arbeiten: 15 Millionen Kronen. Foto: Ute Levisen
Der Ripener Dom, der Domplatz und die Propstei sind ein Paradebeispiel für eine wiederbelebte Stadtmitte.
Der Ripener Dom, der Domplatz und die Propstei sind ein Paradebeispiel für eine wiederbelebte Stadtmitte. Foto: Ute Levisen

Ein dornenreicher Weg

Und, das wurde bei der Stippvisite in Ripen deutlich: Vor der Domgemeinde liegt ein dornenreicher Weg! Die Ripenser hatten auf die harte Tour erfahren, dass ihre gestalterischen Visionen sich als Sisyphos-Arbeit entpuppten, wie der Dompropst von Ripen, Jens Torkild Bak, ausführte.

Er empfing die Domgemeinde sowie Architekten aus dem Bistum Hadersleben an seinem Arbeitsplatz, der Propstei am Dom, und berichtete über die Fort-, vor allem aber die vielen Rückschritte im Laufe der Jahre, die die Kirche bei der Verwirklichung ihrer Ambition hatte hinnehmen müssen.
Denn Ambitionen kosten. Allein der Platz am Dom zu Ripen, beispielsweise, hat 40 Millionen Kronen verschlungen.


Die Haderslebener Domgemeinde ist, wie berichtet, seit gut einem Jahr in Besitz eines baulichen Überbleibsels aus Luthers Zeit. Ihr gehört das Haus mit dem Keller unter dem einstigen Priesterseminar an der Apothekerstraße 11. Lange Zeit war der Abstieg in das winzige Kellergewölbe einem kleinen Publikum vorbehalten. Lediglich einmal im Jahr führte die Wächtergilde ihre Besucher hinab in den kleinen Reformationskeller.

Dompropst Jens Torkild Bak (links) erläuterte der Delegation aus Hadersleben (im Bild Dompropst Torben Hjul Andersen, Christa Hansen, Jens Jessen und Mikkel Marinussen) die Vision der Ripenser und ihre Umsetzung.
Dompropst Jens Torkild Bak (links) erläuterte der Delegation aus Hadersleben (im Bild Dompropst Torben Hjul Andersen, Christa Hansen, Jens Jessen und Mikkel Marinussen) die Vision der Ripenser und ihre Umsetzung. Foto: Ute Levisen

„Das hässlichste Haus der Stadt“

Einheimische bezeichnen das Gebäude über dem Keller als „das hässlichste Haus“ der Domstadt. Ist es doch eine Bausünde, die ihresgleichen sucht! Zugleich ist es ein Haus mit einer wechselhaften Geschichte. Dort firmierten einst ein Käsehändler unter dem Namen „Osteklokken“ und bis vor drei Jahren Fischhändler, wodurch die Käseglocke zum „Fiskehuset“ wurde.


Nun schickt sich die Domgemeinde an, der einstigen Priesterschule aus der Zeit der Reformation neues Leben einzuhauchen. Potenzial, darin sind sich Gemeindeglieder und Fachleute einig, gibt es jede Menge.

 

Das Haus an der Apothekerstraße 11 hat eine wechselvolle Geschichte.
Das Haus an der Apothekerstraße 11 hat eine wechselvolle Geschichte. Foto: Ute Levisen

Keller aus Luthers Zeit mit Potenzial

„Aber wir brauchen die Unterstützung der Leute, ja der Stadt!“, betonte Paul Erik Brodersen, Mitglied des Domgemeinderats.
Den Spagat, den die Domgemeinde als Besitzerin der Immobilie meistern muss, birgt mannigfaltige Herausforderungen: Geht es doch darum, den Dom, seinen Platz, die Alte Lateinschule und das einstige Priesterseminar zu einem funktionierenden Ganzen zu verschmelzen – mit Funktionen, die einander ergänzen und von den Bürgern der Stadt angenommen und genutzt werden.

„Es geht darum, einen erweiterten Campus für alle zu schaffen“, brachte es Christa Hansen, Pastorin des deutschen Teils der Haderslebener Domgemeinde, auf den Punkt.
„Und das Timing zu beachten“, ergänzte Jens Christian Gjesing, der vor Schnellschüssen bei der strategischen Planung warnte.
Dompropst Torben Hjul Andersen fasst den nächsten Schritt folgendermaßen zusammen: „Wir müssen uns erst genau überlegen, was wir wollen – und dann mit unseren Plänen an die Öffentlichkeit gehen.“

 

Der Dom zu Hadersleben
Der Dom zu Hadersleben Foto: Ute Levisen

Brainstorming in der Alten Lateinschule

Nach ihrem Besuch in Ripen traf sich die Delegation in der Alten Lateinschule in Hadersleben zu einem Brainstorming. Architekt Mikkel Martinussen vom Haderslebener Architektenbüro „Tegnestuen Mejeriet“ fand klare Worte“, als er man ihn um seine Einschätzung der Möglichkeiten an der Apothekerstraße 11 bat: Ein klarer Fall für die Abrissbirne! – so sein Fazit.
Gemeint ist alles, was über dem Keller des früheren Priesterseminars liegt.
Zu dem Anwesen gehört ein kleiner Garten, der an die Præstegade grenzt. „Diese Verbindung ließe sich durchaus ausnutzen“, meint Lisbeth Søkilde, die als Architektin zuständig ist für die fachliche Betreuung der Immobilien in Besitz des Bistums Hadersleben.

Ortstermin im Reformationskeller
Ortstermin im Reformationskeller Foto: Ute Levisen

Ideen und Vorschläge für die Nutzung der einstigen Priesterschule

  • Touristenbüro
  • Café-Betrieb
  • Ausstellungen bzw. Veranstaltungen zu kirchenbezogenen Themen, beispielsweise zum Konfirmationsunterricht oder der Pfadfinder vom KFUM
  • Büros der Propstei
  • Proberäume für die Chöre des Doms, die insgesamt etwa 250 Mitglieder haben – zumal die Liederakademie in der Alten Lateinschule aus allen Nähten platzt
  • Raum für Meditation im Garten/Hof des Anwesens
Besichtigung des Gartens der einstigen Priesterschule. Ingrid Vilslev vom Domgemeinderat schlägt vor, in dem Anwesen Proberäume für die Domchöre einzurichten.
Besichtigung des Gartens der einstigen Priesterschule. Ingrid Vilslev vom Domgemeinderat schlägt vor, in dem Anwesen Proberäume für die Domchöre einzurichten. Foto: Ute Levisen

Die Planung geht nunmehr in die nächste Runde. Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Akteuren aus allen gesellschaftlichen Bereichen der Domstadtkommune, soll dem ehrgeizigen Projekt den Weg ebnen.

Die Eingangspartie der einstigen Priesterschule

Dom und Priesterseminar

Die Haderslebener Marienkirche bzw. Dom zu Hadersleben ist nach dem Schleswiger Dom die größte Kirche im ehemaligen Bistum Schleswig. Zum einen war sie bis 1900 die einzige Pfarrkirche der im Mittelalter relativ wohlhabenden Handelsstadt – zum anderen richtete sich dort ein Kollegiatkapitel ein, das in der nördlichsten Propstei des Bistums unabhängig vom Schleswiger Domkapitel agieren konnte.
Mit der Reformation wurde das Kapitel aufgehoben. Christian III., Herzog von Hadersleben, veranlasste daraufhin die Gründung der Priesterschule. Deren Leitung übernahm der deutsche Theologe und Luther-Anhänger Johan Wenth. Dieser wurde indes 1537 zum Bischof von Ripen ernannt, was das höhere Schulwesen in Hadersleben vorerst zum Erliegen brachte – bis Herzog Hans im Jahre 1567 die Lateinschule an der Smedegade gründete.

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