Ländlicher Raum

Kulturgeschichte kontra Klimaeffizienz

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Süderballig/Sønderballe
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Carsten Leth Schmidt wird ein Fall für die Kollegen im Kommunalparlament. Es geht um den Abriss seines Wohnhauses. Dies aber ist offenbar eine kulturhistorische Perle, allerdings nur auf dem Papier, so der SP-Politiker. Foto: Ute Levisen

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Das Wohnhaus des Hofes von Kommunalpolitiker Carsten Leth Schmidt (Schleswigsche Partei) wird ein Fall für seine Kollegen im Haderslebener Kommunalparlament. Das als bewahrenswert eingestufte Haus soll einem Neubau weichen. Eine Mehrheit im Technischen Ausschuss votiert dagegen. Das Museum hegt indes keine Bedenken – unter gewissen Voraussetzungen.

Das Anwesen, genauer gesagt, das Wohnhaus am Gåsevig 2 in Süderballig, wird ein Fall für den Kommunalrat. Dort wohnt Carsten Leth Schmidt, Abgeordneter der Schleswigschen Partei (SP). Der Öko-Landwirt bewirtschaftet dort einen Hof, der seit Generationen im Besitz der Familie ist. Gern würde er das Wohnhaus abreißen, da es mit Blick auf den Wohnstandard nicht zeitgemäß ist.

Wiederholt umgebaut

Das Gebäude stammt in seiner jetzigen Form aus dem Jahr 1877 und ist im Laufe der Zeit mehrfach umgebaut und renoviert worden, um Abhilfe zu schaffen, unter anderem mit Blick auf die Deckenhöhe und eindringende Feuchtigkeit. Wenig habe es geholfen, stellt Leth resigniert fest. Er würde das Haus daher gern abreißen und durch einen Neubau ersetzen.

So sieht die Visualisierung des Architekten aus. Die einstmals vier Längen des Hofes sollen wiedererrichtet werden. Foto: Tegnestuen Mejeriet

Das Problem: Das Wohnhaus ist im Kommunalplan mit SAVE-4 als bewahrenswert eingestuft. SAVE-Werte werden von eins bis neun vergeben. Je niedriger der Wert, umso höher der kulturelle Wert der Häuser. Ein Abriss bis SAVE 4 ist nur mit kommunaler Erlaubnis möglich.

Mehrheit gegen Abriss

Auf der jüngsten Sitzung votierte die Mehrheit des Technischen Ausschusses gegen den Abriss. Lediglich der Ausschussvorsitzende Benny Bonde (Neue Bürgerliche) und die beiden Repräsentanten der Dänischen Volkspartei befürworten das Vorhaben.

 

Benny Bonde (Mitte), hier zu sehen mit seinem Ausschusskollegen Svend Brandt (Einheitsliste, rechts), bezeichnet das Votum der Mehrheit als „verrückt“. Foto: Ute Levisen

„Völlig verrückt“

Bonde wünscht, dass das Kommunalparlament den Antrag diskutiert: „Es ist total verrückt, ein solches Haus erhalten zu wollen“, sagt Bonde: Die Gegner des Vorhabens sollten ihre Argumente in aller Öffentlichkeit wiederholen dürfen.

Entscheidender SAVE-Wert

Der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses, Søren Rishøj Jakobsen (Sozialdemokratie), räumt ein, dass die Gegner des Vorhabens weder das Haus noch die Pläne dafür kennen: „Diese waren nicht Teil der Präsentation seitens der Verwaltung. Wir haben bei unserer Entscheidung allein auf den SAVE-Wert fokussiert. Wir wussten nicht einmal, wem das Haus gehört, was auch nichts zur Sache tut.“ Es sei gut möglich, so Jakobsen, dass der Ausschuss das Vorhaben erneut diskutieren müsse, weil das Material unvollständig sei.
 

Der Denkmalschutzverein „By & Land Haderslev“ spricht sich ebenfalls gegen einen Abriss aus. Der Vorsitzende Helge C. Jacobsen begründet dies unter anderem damit, dass Gåsevig 2 mit seiner Architektur die Geschichte des Dorfes widerspiegele und dass ein Neubau diesen Verlust nicht wettmachen könnte.

Das Dorf Süderballig fand bereits im Mittelalter Erwähnung, unter anderem 1542 als Sunderballi. Das Museum Sønderjylland schließt nicht aus, dass sich im Erdreich unter dem Anwesen Überbleibsel einer früheren Besiedlung finden. Foto: Ute Levisen

An den Neubauplänen kein Interesse

Vom Rande verfolgt Carsten Leth Schmidt das Ganze kopfschüttelnd. Er hatte einen Entwurf für einen Neubau beim Haderslebener Architektenbüro „Mejeriet“ in Auftrag gegeben, das bekannt ist für die Neugestaltung kulturhistorisch wertvoller Gebäude: „Niemand, wirklich keiner hat sich bisher dafür interessiert, was stattdessen entstehen soll“, sagt er: „So sind in dem Entwurf alle Bedenken berücksichtigt worden.“

Der Vereinsvorsitzende von „By & Land Haderslev“ räumt ein, diese Pläne nicht gesehen zu haben: „Nichtsdestotrotz bin ich davon überzeugt, dass Carsten und Mejeriet nichts Dummes vorhaben und stattdessen etwas Gutes bauen würden. Das Alte aber geht dadurch unwiederbringlich verloren.“

Eine Million teurer, aber wenig nachhaltig

Er habe sich seit vielen Jahren den Kopf zerbrochen, sagt Leth, wie man das Haus bewahren könnte: „Eine Sanierung wäre eine Million Kronen teurer – und wir würden trotzdem mit einem Haus dastehen, das höchstens die Energieeffizienzklasse F erreicht.“ Dies aber würde in keinem Verhältnis zu den kulturhistorischen Aspekten des Hauses stehen, die man bewahren möchte – zumal sich die Kommune Hadersleben im Falle eines Abrissverbots nicht an einer Sanierung beteiligen würde, wie dies beispielsweise in der Kommune Apenrade bei Häusern mit SAVE 4 oder niedriger der Fall ist.

Auch das Museum Sønderjylland hat sich zum Fall geäußert. Die Fachleute dort sind zwar nicht gegen einen Abriss, betonen aber, dass unter dem Anwesen kulturhistorisch wertvolle Funde von einer Besiedlung aus dem Mittelalter liegen könnten und empfehlen, dass Museumsleute eventuelle Bauarbeiten begleiten.

Das Kommunalparlament entscheidet auf seiner Oktobersitzung über eine erneute politische Behandlung des Falls.

 

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