Krieg in der Ukraine

Flüchtlingshilfe: „Die Situation ist schlimmer als je zuvor“

Flüchtlingshilfe: „Die Situation ist schlimmer als je zuvor“

Flüchtlingshilfe: „Die Situation ist schlimmer als je zuvor“

Hadersleben/Haderslev
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Mia Gade Møller und das Team an Freiwilligen fahren weiterhin zur polnisch-ukrainischen Grenze, um Geflüchteten zu helfen (Archivfoto). Foto: Annika Zepke

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Seit knapp vier Monaten herrscht in der Ukraine Krieg. Während die Ukrainerinnen und Ukrainer weiterhin um ihr Land kämpfen oder auf der Flucht sind, macht sich in Dänemark eine gewisse Krisenmüdigkeit breit: Die Welle der Hilfsbereitschaft ebbt ab, der Alltag kehrt zurück. Das dürfe jedoch auf keinen Fall passieren, warnt Mia Gade Møller.

„Jetzt gerade ist die Situation schlimmer als je zuvor“, sagt Mia Gade Møller, die im März die Haderslebener Flüchtlingsinitiative „Hjælp Ukrainere i Haderslev“ ins Leben gerufen hat. Das Engagement der Freiwilligen hatte in Hadersleben und im gesamten Landesteil eine Welle der Hilfsbereitschaft hervorgerufen. Daher hat sich die Initiative vor einiger Zeit auch in „Hjælp Ukrainere i Sønderjylland“ umbenannt.

Die letzten Aktiven

19 Busse hatten die Ehrenamtlichen an die polnisch-ukrainische Grenze geschickt, als „Der Nordschleswiger“ zuletzt über die Initiative berichtete. „Mittlerweile haben wir Bus Nummer 34 und 35 losgeschickt“, erzählt Mia Gade Møller.

Mia Gade Møller und ihr Freiwilligen-Team wollen weiterhin helfen und sind dafür auf die Hilfe der dänischen Bevölkerung angewiesen, denn das Geld für die Busfahrten zur polnisch-ukrainischen Grenze wird knapp (Archivfoto). Foto: Annika Zepke

Die Freiwilligen aus Hadersleben seien inzwischen die einzigen in Dänemark, die noch mit Bussen an die Grenze fahren, um Geflüchtete aufzunehmen und Hilfsgüter zu liefern. „Dabei haben wir einen Riesenbedarf für Hilfe. Ich habe den Eindruck, wir starten gerade in eine zweite Phase.“

Riesiger Andrang

Binnen weniger Minuten seien die Plätze der beiden Reisebusse restlos „ausgebucht“ gewesen, berichtet die Wahl-Haderslebenerin. Die meisten Leute, die sie aufnehmen, stammen aus den am härtesten vom Krieg betroffenen Regionen wie Charkiw, führt die Helferin der ersten Stunde fort. „Diese Menschen hatten bislang keine Chance zu fliehen oder hatten gehofft, dass der Krieg schnell vorbei sein würde.“

Nun habe sich die Lage vor Ort jedoch weiterhin zum Negativen gewendet, so Gade Møller, deren E-Mail-Postfach derzeit von Nachrichtenanfragen derzeit nur so überquillt. „Allein seit gestern habe ich noch 600 ungeöffnete Mails. Da sind die, die ich bereits beantwortet habe, noch gar nicht eingerechnet.“ Auch für den nächsten Busshuttle von der polnisch-ukrainischen Grenze habe sie bereits mehr als 200 Leute auf der Warteliste.

Polen steht aufgrund der nicht abreißenden Flüchtlingsströme kurz vor dem Kollaps. Wir müssen einfach helfen, sonst haben wir bald eine Hungersnot in Europa.

Mia Gade Møller

Kurz vor dem Kollaps

Während sich die Lage in der Ukraine und in Polen weiter zuspitzt, kehrt die dänische Bevölkerung langsam zu ihrem Alltag zurück, meint Mia Gade Møller und schlägt deshalb Alarm: „Das darf auf keinen Fall passieren. Polen steht aufgrund der nicht abreißenden Flüchtlingsströme kurz vor dem Kollaps. Wir müssen einfach helfen, sonst haben wir bald eine Hungersnot in Europa.“

So kannst du helfen:

Die Haderslebener Flüchtlingsinitiatve benötigt weiterhin sowohl Sach- als auch Geldspenden. Von besonderer Dringlichkeit sind:

  • Lang haltbare Lebensmittel wie Konserven, Reis, Nudeln, H-Milch, Saft, Müsliriegel etc.
  • Wasser in 0,5-Liter Flaschen und Saftpäckchen für die Busfahrten zur polnisch-ukrainischen Grenze
  • Hygieneartikel wie Binden, Inkontinenz-Windeln und schmerzstillende Medikamente
  • Sommerkleidung und -schuhe, die Flüchtlingszentren und Kinderheimen in Polen und der Ukraine gespendet werden können
  • Geldspenden für die Finanzierung der Busfahrten bzw. der Spritkosten (das Geld kann direkt an das Busunternehmen VTS überwiesen werden, das auf Wunsch auch Quittungen ausstellt)
  • Spendengelder für die ehrenamtlichen Dolmetscherinnen und Dolmetscher, da für sie hohe Benzinkosten anfallen, wenn sie für ihre Aufgaben durch ganz Dänemark fahren müssen

Alle Sachspenden werden im Haderslebener Reformhaus „Frk. Helsekost“ an der Nørregade 28 während der allgemeinen Geschäftsöffnungszeiten entgegengenommen.

Geldspenden können an „Haderslev Butikker“ (Bankleitzahl: 7932, Kontonummer: 1172383) gerichtet werden. Der Branchenverband hat bereits vor einiger Zeit die Koordination von Privat- und Firmenspenden übernommen.

Neben fehlender finanzieller Unterstützung für die anfallenden Spritkosten der Busse, mangle es der Haderslebener Flüchtlingsinitiative insbesondere an lang haltbaren Lebensmitteln, die sie nach Polen und in die Ukraine mitnehmen. „Wir haben eine Kooperation mit zwei Kinderheimen, eines in Polen und eines in Lwiw. Wenn wir denen keine Lebensmittel zukommen lassen, müssen wir die Kinder nach Dänemark holen. Und das belastet das dänische System dann richtig“, mahnt sie.

Aufhören ist keine Option

Sie könne verstehen, dass viele wegen der Inflation privat aktuell etwas klamm seien. „Aber wir haben so viele Landwirte in der Gegend, da müsste es doch ein Leichtes sein, beispielsweise eine größere Menge Kartoffeln zu beschaffen.“

Für die Initiatorin der Haderslebener Flüchtlingshilfe steht daher fest: Sie wird weiter machen. Und dagegen ankämpfen, dass der Krieg in der Ukraine und das Notleiden der ukrainischen Bevölkerung in Dänemark im Alltagsgeschehen in Vergessenheit gerät.

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