Klima-Kommentar
SP-Vision: Mutig oder unanständig?
SP-Vision: Mutig oder unanständig?
SP-Vision: Mutig oder unanständig?
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Klima-Trottel oder zukunftsgewandt: Das ist in Hadersleben kurz vor dem Endspurt die Gretchenfrage im kommunalen Wahlkampf.
Die Lawine, die Greta Thunberg bei der Klimajugend ins Rollen brachte, macht vor der Kommunalpolitik nicht Halt. Kein Wunder: Auf der Endzeit-Uhr ist fünf vor 12 längst vorbei. Das hat sich noch nicht überall herumgesprochen.
Fragt man Volksvertreter auf kommunaler Ebene, wie sie sich die grüne Umstellung angesichts der zuweilen bescheiden anmutenden Ziele in den Wahlprogrammen vorstellen, ist von Ladestationen über Atomkraft bis zu Solarzellen auf dem Dach alles dabei. Solarfelder gehen gerade noch durch. Größer als 75 Hektar dürfen sie keinesfalls sein. Windkrafträder gehören aufs Meer – und gut ist.
Ja zur Klimapolitik, aber nicht zu viel
Alle Parteien haben die Klimakrise auf der politischen Agenda, manche mehr, einige eher weniger. Energieparks aber waren und sind eine heiße Kartoffel, die Kommunalpolitiker aus Angst vor dem Wähler und der Wählerin nicht mit der Kohlenzange anfassen.
Das erklärt, warum in den vergangenen vier Jahren wenig passiert ist. LED bei Straßenbeleuchtung und die Verbannung kommunaler Plastikverpackung sind gut und wichtig.
Reicht das, um die Kommune Hadersleben auch nur ansatzweise ihrem erklärten Ziel näherzubringen, der Umsetzung der Weltklimaziele?
Wie die Kommune in der Klimawende die Kurve kriegt
Carsten Leth Schmidt, Öko-Landwirt aus Sønderballe (Süderballig), hat sich viele Gedanken zu einer der dringlichsten Fragen unserer Zeit gemacht und zu einem Bürgerforum die Holsteinische Scheune nach Gramm eingeladen. Er gibt mit dem Vorstoß in der Grammer Scheune Antworten seiner Partei auf die Frage: Wie kann Hadersleben als Kommune in der Klimawende die Kurve kriegen?
Viele Stühle blieben leer
Die Resonanz auf die Einladung war – freundlich ausgedrückt – bescheiden. Die meisten Stuhlreihen blieben leer. Von Leths Kollegen im Kommunalparlament hatten lediglich die Dänische Volkspartei mit Per Hauritz, Neue Bürgerliche mit Thomas Vedsted und Bündnispartner, Die Alternative mit Frank Truelsen, die Einladung angenommen. Bent Iversen von den Volkssozialisten führte durch das Programm. Die großen Volksparteien glänzten durch Abwesenheit.
Plädoyer für Atomkraft
Für diejenigen, die gekommen waren, hatte sich die Anreise gelohnt: In diesen gut zwei Stunden sind sie nicht dümmer geworden. Dies gilt für Gegner von Energieparks wie für die Fürsprecher gleichermaßen. Input gab es zuhauf.
Grenzüberschreitende Expertise
Die SP hatte als Experten Horst Leithoff aus Tondern, Landesvorsitzender beim Bundesverband Windenergie, und Geschäftsführer von drei Bürgerwindparks, gewinnen können. Er berichtete von seinen Erfahrungen auf diesem Gebiet und stellte sich nachfolgend den zumeist kritischen Fragen des Publikums.
Einer der schärfsten Kritiker eines Bürger-Windparks vor den Toren der Schlossstadt in Kastrup-Thiset-Enge, Søren Frydendal Krab, argumentierte unter anderem mit Gesundheitsrisiken. Ein Ehepaar macht sich Sorgen, die Politik wolle der Lokalbevölkerung – wieder einmal – einen Windpark vor der eigenen Haustür aufzwingen.
Im Westen nichts Neues
Es sind dieselben Bedenken, die seit gut einer halben Dekade die Lokalbevölkerung im Westen der Domstadtkommune in zwei Lager spalten: in Gegner und Fürsprecher. An der Argumentation der Gegner und Skeptiker hat sich, auch das wurde deutlich, in den vergangenen Jahren wenig geändert.
„Ohne Unterstützung läuft nichts“
Dabei sei die Technologie mit Blick auf die Energiegewinnung aus regenerativen Quellen nicht stehengeblieben, betonte Leth Schmidt. Und er stellte klar: „Wir wollen unsere Energieparks niemandem aufzwingen. Ohne die Unterstützung der Lokalbevölkerung läuft nichts.
„Mutiger Vorstoß“
Es waren nicht nur Gegner und Skeptiker in der Scheune: „Ich wundere mich, dass der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten den Vorstoß der SP als unanständig bezeichnet“, sagte Finn Vedsted Hansen aus Hadersleben: „Ich finde die Initiative mutig!“ Die SP sei damit in seiner Achtung gestiegen.
Sachliche Debatte
Trotz aller Gegensätze: Es war eine Veranstaltung, auf der verschiedenste Meinungen und Lösungsansätze zur Klimakrise sachlich geäußert wurden. Per Hauritz, Gramm, von der Dänischen Volkspartei argumentiert für Solarzellen auf Dächern und eine höhere Ausnutzung von Wasserkraft; für Thomas Vedsted von Neue Bürgerliche ist die Rückkehr zur Atomkraft die grüne Zukunft.
Fakt ist, dass die Nutzung von Wind- und Sonnenenergie noch Baustellen hat, beispielsweise, wenn es um deren Speichermöglichkeiten geht. Auch das kam zur Sprache.
Unterdessen steigen die Nachhaltigkeitsanforderungen – nicht zuletzt an die lokale Wirtschaft. Mit Blick auf die dänische Klimagesetzgebung und auf die klimatischen Herausforderungen – vor Ort und weltweit – ist es mit dem zurzeit propagierten Aufstellen von Ladestationen und Solarzellen auf den Dächern nicht getan. Leider: „Da muss Größeres geschehen“, stellt Svend Brodersen fest, Schlossherr in Gramm und Direktor eines der größten landwirtschaftlichen Öko-Betriebe im Land: „Bislang ist es vor allem unsere Jugend, die die Herausforderungen in Sachen Klima wirklich ernst nimmt.“
Starker Tobak
Die Vision der Schleswigschen Partei ist vor diesem Hintergrund kommunalpolitisch starker Tobak – im Wahlkampf gar „politischer Selbstmord“, so hört und liest man dieser Tage.
Aber um es mit den Worten von Deutsch-Rocker Udo Lindenberg zu sagen: „Einer muss den Job ja machen, wenn sonst keiner am Start ist…“