Grenzjubiläum

Die Stimmen der Minderheiten als Vogelchor des Grenzlandes

Die Stimmen der Minderheiten als Vogelchor des Grenzlandes

Die Stimmen der Minderheiten als Vogelchor des Grenzlandes

Hadersleben/Haderslev
Zuletzt aktualisiert um:
Es ist das historische Ereignis in Hadersleben gewesen: der deutsch-dänische Festgottesdienst im Dom. Foto: Ute Levisen

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Der Dannebrog und ein Meer von Menschen säumten die Apothekerstraße vor dem Dom. Die Schaulustigen hatten sich an diesem Sonntag mit Geduld wappnen müssen, um einen Blick auf die königliche Familie und das deutsche Staatsoberhaupt zu erhaschen, die mit einem deutsch-dänischen Festgottesdienst 101 Jahre Grenzziehung feierten.

Minutiös hatte ein 50-köpfiger Organisationsvortrupp vor einigen Wochen das größte historische Ereignis in der jüngeren Vergangenheit Haderslebens geplant. Es kam dann doch alles ein wenig anders.

 

Die königliche Familie traf pünktlich am Dom ein. Foto: Ute Levisen
Auf dem Domplatz wehte eine steife Brise: Die Monarchin hatte alle Hände voll damit zu tun, ihren Hut zu behalten. Foto: Ute Levisen
Die königliche Familie musste auf den Bundespräsidenten warten, dessen Ankunft sich um einige Minuten verzögert hatte. Foto: Ute Levisen

Verspätung trotz minutiöser Planung

Ausnahmsweise musste die dänische Königin Margrethe in Begleitung von Kronprinz Frederik und Prinz Christian warten – und zwar auf das deutsche Staatsoberhaupt Frank-Walter Steinmeier und die First Lady Elke Büdenbender, deren Ankunft sich um Minuten verzögert hatte.

Zahlreiche Schaulustige hatten sich vor dem Dom eingefunden. Foto: Ute Levisen
Die Altstadt war festlich geschmückt, und die Geschäfte waren anlässlich des Ereignisses geöffnet. Foto: Ute Levisen
Ankunft der dänischen Kirchen- und Kulturministerin Joy Mogensen Foto: Ute Levisen
Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen (Sozialdemokratie) zählte zu den Gästen. Foto: Ute Levisen

Fotochance für die „Untertanen“

Für die königsbegeisterten Bürgerinnen und Bürger, die sich an diesem Tag in der Innenstadt eingefunden hatten, war die Verspätung indes eine gute Nachricht: Verzückt zückten viele Menschen ihre Mobiltelefone, um ein Bild von der wartenden königlichen Familie vor dem Dom zu machen.

Der Bundespräsident und Kronprinz Frederik stellten sich den Fragen der Pressevertreter. Foto: Ute Levisen

Königlicher Schwenker vom Protokoll

Kronprinz Frederik und sein Sohn Christian nahmen sich sogar die Zeit, außerhalb des Protokolls ein Interview zu geben, worin Vater und Sohn die Besonderheit dieses Tages hervorhoben.
 

Dann endlich war es so weit.

Die deutsche Pastorin der Domgemeinde, Christa Hansen, las gemeinsam mit Dompropst Torben Hjul Andersen das einleitende Gebet des Festgottesdienstes – jeweils auf Deutsch und auf Dänisch. Die Teilnahme daran war wegen der Corona-Beschränkungen lediglich einem kleinen Kreis vorbehalten.

 

Die Predigt von Bischöfin Marianne Christiansen war Rück- und Ausblick zugleich. Foto: Ute Levisen

„Wer hätte das geglaubt?“

Die Predigt hielt Bischöfin Marianne Christiansen – und was für eine Predigt!, wie Piet Schwarzenberger, stellvertretender Leiter der Deutschen Schule Hadersleben und Mitglied des Domgemeinderats, lobte.

 

Pastorin Christa Hansen sprach das einleitende Gebet auf Deutsch. Foto: Ute Levisen

„Die Erinnerung an die Abstimmung, der Jubel der Mehrheit und die Tränen der Minderheit, die Erinnerung an den festlichen Ritt König Christian des X. über die Königsau, sein Dankgebet in der Kirche zu Tyrstrup und seine weitere Reise durch den Sommer Südjütlands stehen den meisten von uns lebendig vor Augen“, so die Bischöfin:

 

Mette Frederiksen trifft in Begleitung von Frank-Walter Steinmeier ein und wird von Bürgermeister H. P. Geil (Venstre) empfangen. Foto: Ute Levisen

„Aber zu dem gesellt sich heute die Zukunftshoffnung: Wer hätte vor 101 Jahren geglaubt, dass die Enkelin Christian X., der Urenkel und Ururenkel heute hier zusammen mit dem Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland in Gemeinschaft und Freundschaft im Dom St. Marien, in diesem hohen hellen Festsaal, sitzen würden?

 

Prinz Christian im Interview Foto: Ute Levisen
Abschied von den königlichen Gästen Foto: Ute Levisen

Platz für weitere Stimmen im Vogelchor

Wer hätte zu hoffen gewagt, dass das gespaltene und durch Kriege stark verwundete Grenzland mit der Zeit geheilt und zum Vorbild für Versöhnung und Frieden werden würde? Das wurde möglich, weil nicht nur die Stimmen der Mehrheit gehört wurden, sondern auch die Stimmen der Minderheit. Mit den Bonn-Kopenhagener Erklärungen wurden deren Rechte gesichert, das Rederecht, das Singrecht und die Existenz, und mit der Zeit wurden die Minderheiten nicht nur geduldet, sondern zu anerkannten und geschätzten Stimmen, die zusammen den Grenzland-Vogelchor gestalten – aus dänischen, deutschen, plattdeutschen, sønderjydsken, friesischen Stimmen und mit Platz für noch mehr.“

 

Piet Schwarzenberger lobte die Predigt der Bischöfin. Foto: Ute Levisen
Jens Christian Gjesing und Finn Lykkeskov nach dem Festgottesdienst Foto: Ute Levisen

Ein Fest Gottes für alle

Die Bischöfin hob hervor, dass das Fest Gottes für all jene sei, die sich selbst nicht genug seien: „Es ist sowohl Ruf als auch Hoffnung. Ein Ruf dazu, uns nicht um uns selbst zu schließen und um das, was wir haben, dass wir als Menschen und Nationen nicht zu einsamen Drachen werden, die über Reichtum vor sich hinbrüten. Es ist ein Ruf dazu, zu entdecken, dass wir nicht die Einzigen sind, die zum Fest eingeladen sind – ja, dass das Fest in sich selbst aus der Gemeinschaft mit anderen besteht – mit denjenigen, die andere Geschichten, andere Sprachen und andere Gewohnheiten haben, jenen von der anderen Seite der Straße und der Zäune.“
 

Venstres Gruppenchef Allan Emiliussen, hier im Gespräch mit seinem Stadtratskollegen Finn Lykkeskov (Sozialdemokratie). Im Hintergrund sind die Kommunalpolitiker Bent Vedsted Rønne, Kjeld Thrane, Kim Kabelka und Maria Damgaard zu sehen. Foto: Ute Levisen
Bürgermeister und Vizebürgermeister Jon Krongaard (links) Foto: Ute Levisen

Die gute halbe Stunde, in welcher Hadersleben an diesem windigen Sonntagvormittag den Flügelschlag der Geschichte zu spüren bekam, klang mit der Passage der Kronen-Limousinen und des königlichen Konvois durch das Ehrenportal in der Apothekerstraße vor dem Dom aus.


 

Der Vorsitzende der Domgemeinde, Paul Erik Brodersen, verabschiedet sich von der königlichen Familie mit dem Corona-Gruß. Foto: Ute Levisen
Mehr lesen