Grenzjubiläum
Die Stimmen der Minderheiten als Vogelchor des Grenzlandes
Die Stimmen der Minderheiten als Vogelchor des Grenzlandes
Die Stimmen der Minderheiten als Vogelchor des Grenzlandes

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Der Dannebrog und ein Meer von Menschen säumten die Apothekerstraße vor dem Dom. Die Schaulustigen hatten sich an diesem Sonntag mit Geduld wappnen müssen, um einen Blick auf die königliche Familie und das deutsche Staatsoberhaupt zu erhaschen, die mit einem deutsch-dänischen Festgottesdienst 101 Jahre Grenzziehung feierten.
Minutiös hatte ein 50-köpfiger Organisationsvortrupp vor einigen Wochen das größte historische Ereignis in der jüngeren Vergangenheit Haderslebens geplant. Es kam dann doch alles ein wenig anders.



Verspätung trotz minutiöser Planung
Ausnahmsweise musste die dänische Königin Margrethe in Begleitung von Kronprinz Frederik und Prinz Christian warten – und zwar auf das deutsche Staatsoberhaupt Frank-Walter Steinmeier und die First Lady Elke Büdenbender, deren Ankunft sich um Minuten verzögert hatte.




Fotochance für die „Untertanen“
Für die königsbegeisterten Bürgerinnen und Bürger, die sich an diesem Tag in der Innenstadt eingefunden hatten, war die Verspätung indes eine gute Nachricht: Verzückt zückten viele Menschen ihre Mobiltelefone, um ein Bild von der wartenden königlichen Familie vor dem Dom zu machen.

Königlicher Schwenker vom Protokoll
Kronprinz Frederik und sein Sohn Christian nahmen sich sogar die Zeit, außerhalb des Protokolls ein Interview zu geben, worin Vater und Sohn die Besonderheit dieses Tages hervorhoben.
Dann endlich war es so weit.
Die deutsche Pastorin der Domgemeinde, Christa Hansen, las gemeinsam mit Dompropst Torben Hjul Andersen das einleitende Gebet des Festgottesdienstes – jeweils auf Deutsch und auf Dänisch. Die Teilnahme daran war wegen der Corona-Beschränkungen lediglich einem kleinen Kreis vorbehalten.

„Wer hätte das geglaubt?“
Die Predigt hielt Bischöfin Marianne Christiansen – und was für eine Predigt!, wie Piet Schwarzenberger, stellvertretender Leiter der Deutschen Schule Hadersleben und Mitglied des Domgemeinderats, lobte.

„Die Erinnerung an die Abstimmung, der Jubel der Mehrheit und die Tränen der Minderheit, die Erinnerung an den festlichen Ritt König Christian des X. über die Königsau, sein Dankgebet in der Kirche zu Tyrstrup und seine weitere Reise durch den Sommer Südjütlands stehen den meisten von uns lebendig vor Augen“, so die Bischöfin:

„Aber zu dem gesellt sich heute die Zukunftshoffnung: Wer hätte vor 101 Jahren geglaubt, dass die Enkelin Christian X., der Urenkel und Ururenkel heute hier zusammen mit dem Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland in Gemeinschaft und Freundschaft im Dom St. Marien, in diesem hohen hellen Festsaal, sitzen würden?


Platz für weitere Stimmen im Vogelchor
Wer hätte zu hoffen gewagt, dass das gespaltene und durch Kriege stark verwundete Grenzland mit der Zeit geheilt und zum Vorbild für Versöhnung und Frieden werden würde? Das wurde möglich, weil nicht nur die Stimmen der Mehrheit gehört wurden, sondern auch die Stimmen der Minderheit. Mit den Bonn-Kopenhagener Erklärungen wurden deren Rechte gesichert, das Rederecht, das Singrecht und die Existenz, und mit der Zeit wurden die Minderheiten nicht nur geduldet, sondern zu anerkannten und geschätzten Stimmen, die zusammen den Grenzland-Vogelchor gestalten – aus dänischen, deutschen, plattdeutschen, sønderjydsken, friesischen Stimmen und mit Platz für noch mehr.“


Ein Fest Gottes für alle
Die Bischöfin hob hervor, dass das Fest Gottes für all jene sei, die sich selbst nicht genug seien: „Es ist sowohl Ruf als auch Hoffnung. Ein Ruf dazu, uns nicht um uns selbst zu schließen und um das, was wir haben, dass wir als Menschen und Nationen nicht zu einsamen Drachen werden, die über Reichtum vor sich hinbrüten. Es ist ein Ruf dazu, zu entdecken, dass wir nicht die Einzigen sind, die zum Fest eingeladen sind – ja, dass das Fest in sich selbst aus der Gemeinschaft mit anderen besteht – mit denjenigen, die andere Geschichten, andere Sprachen und andere Gewohnheiten haben, jenen von der anderen Seite der Straße und der Zäune.“


Die gute halbe Stunde, in welcher Hadersleben an diesem windigen Sonntagvormittag den Flügelschlag der Geschichte zu spüren bekam, klang mit der Passage der Kronen-Limousinen und des königlichen Konvois durch das Ehrenportal in der Apothekerstraße vor dem Dom aus.
