Grenzjubiläum

Fest des Friedens und Versöhnung

Fest des Friedens und Versöhnung

Fest des Friedens und Versöhnung

Hadersleben/Haderslev
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Die Pastorin des deutschen Teils des Domgemeinderats, Christa Hansen, betete im Rahmen des deutsch-dänischen Festgottesdienstes auf Deutsch. Hier ist sie im Gespräch mit dem früheren Kultur- und Kirchenminister Bertel Haarder (Venstre) zu sehen. Foto: Ute Levisen

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Die Vorbereitungen für das Grenzjubiläum haben sich gelohnt: Hadersleben blickt zurück auf einen historischen Sonntag, dessen Krönung die Teilnahme des dänischen und deutschen Staatsoberhaupts am Festgottesdienst im Dom gewesen ist.

Dompropst Torben Hjul Andersen und Christa Hansen, Pastorin des deutschen Teils der Domgemeinde, sprachen das Gebet jeweils auf Deutsch und Dänisch. Die Predigt hielt die Bischöfin des Stiftes Hadersleben, Marianne Christiansen.

Das einleitende Gebet im Wortlaut auf Deutsch und Dänisch

„Ewiger allmächtiger Gott, wir danken Dir, dass Du uns heute hier zusammenführst, in deinem Haus, da nichts Trennendes uns belasten kann.

So kommen wir vor Dein Angesicht, denn hier wissen wir uns von guten Mächten wunderbar geborgen, behütet und getröstet wunderbar.
Du livets Gud.

Vi takker dig for at du kalder os mennesker til at tage del i din fest, og du inviterer og henter os ind fra pladser og sidegader, fra byernes hovedstrøg og fra markvejens sidste hus. Dit ord taler til os og kalder os henover sprog, grænser, køn, social status – ja, kalder også på mig, selv når jeg i hovmod mener at jeg er bedre end andre og vogter på alt mit.

Aus der Tiefe unserer Herzen bitten wir Dich um Vergebung für schlechte Entschuldigungen dafür, dass wir uns einer Teilnahme am Miteinander verweigern; schaue Du in unsere Herzen und erkenne jene Sehnsucht nach Gemeinschaft und Versöhnung, die so menschlich ist. Heile Du alle Wunden derer, die verletzt wurden. Nimm Dich derer an, die Sühne empfinden für Versagen oder Versäumnis.

Dompropst Torben Hjul Andersen (Bildmitte) betete auf Dänisch. Foto: Ute Levisen

For du ser mennesket, siger Jesus, din søn og vores bror.

Darum schaue uns an, ewiger Gott, und leite uns auf dem Weg des Friedens in dieser Welt. Schenke darin Erfüllung. Und öffne unsere Augen und Herzen für diejenigen, die Hilfe nötig haben, hier bei uns und in der ganzen Welt, der unsere Verantwortung gilt.

Vi takker for den mangfoldige rigdom som vi lever i - midt i din natur og også i vores menneskelige samfund. Du ser hvordan både grådighed og frygt kan friste mig til at sætte hegn og gøre verden lille og overskuelig. Del med os mod, glæde, fred, tro og håb.

Darum stärke unsere Verantwortung füreinander und hilf uns, dass auf aufrichtige Gebete verantwortliche Taten in deinem Namen geschehen. Du kannst aus allem Gutes entstehen lassen, darauf hoffen wir und erwarten daher getrost, was kommen mag.

Du Håbets Gud, vend os mod livet, livet med dig og med hinanden på din dejlige jord.

Und jetzt wollen wir das Fest feiern, ewiger Gott, das Fest, zu dem wir geladen sind, das unser Miteinander stärken und bekräftigen will. Und lass uns hören jenen vollen Klang, der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet, all deiner Kinder hohen Lobgesang.

I Jesu navn. Amen

Astrid Sundland Kristensen fotografiert die dänischen Pastoren der Domgemeinde, Sofie Eriksen, Kim Legarth und Kirsten Münster: „Wenn ich schon kein Foto von unserer Königin machen kann, dann mache ich eben eins von unseren wunderbaren, kompetenten Pastoren.“ Foto: Ute Levisen

Die Predigt von Bischöfin Marianne Christiansen im Wortlaut

„Wir sind eingeladen zu einem Fest: „Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde.“

Wir werden genötigt, als ob das Fest des Reiches Gottes die jütländische Kaffeetafel wäre, wo man bekanntlich genötigt wird, so viel wie eben geht zu verzehren. Das Evangelium des heutigen Sonntages über das große Gastmahl lädt unseren 101-jährigen Jubiläumstag ein in noch größeren Festglanz: alle, die entlang der Wege leben, die sich über Grenzen hinweg strecken, wir Dänen, Deutsche, Südjüten, Friesen, Nord- und Südschleswiger und aus allen anderen Herkünften – wir können leben wie Menschen, die zu demselben Fest eingeladen sind.

Ein Meilenstein

Immer auf dem Weg dazu mit all den anderen auf einer Bank zusammengesetzt zu werden, auch mit jenen von denen wir nicht ahnten, dass wir mit ihnen an einem Tisch sitzen würden, zu einem gemeinsamen Fest. In diesem Glanz feiern wir heute, dass die Zukunft bereits begonnen hat. 101 Jahre für die Wiedervereinigung, die Grenzziehung, die Teilung Schleswigs. Einhundert und ein Jahr.
Obgleich es nicht mit unserem guten Willen geschah, dass die Feierlichkeiten ein Jahr verschoben wurden, fügt es gleichsam eine Zukunftshoffnung zu unserer Feier hinzu. Die Erinnerung an die Abstimmung, der Jubel der Mehrheit und die Tränen der Minderheit, die Erinnerung an den festlichen Ritt König Christian des X. über die Königsau, sein Dankgebet in der Kirche zu Tyrstrup und seine weitere Reise durch den Sommer Südjütlands stehen den meisten von uns lebendig vor Augen.

Aber zu dem gesellt sich heute die Zukunftshoffnung: Wer hätte vor 101 Jahren geglaubt, dass die Enkelin Christian X., der Urenkel und Ururenkel heute hier zusammen mit dem Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland in Gemeinschaft und Freundschaft im Dom St. Marien, in diesem hohen hellen Festsaal, sitzen würden?

Stimmen der Minderheit wurden gehört

Wer hätte zu hoffen gewagt, dass das gespaltene und durch Kriege stark verwundete Grenzland mit der Zeit geheilt und zum Vorbild für Versöhnung und Frieden werden würde? Das wurde möglich, weil nicht nur die Stimmen der Mehrheit gehört wurden, sondern auch die Stimmen der Minderheit. Mit den Bonn-Kopenhagener Erklärungen wurden deren Rechte gesichert, das Rederecht, das Singerecht und die Existenz, und mit der Zeit wurden die Minderheiten nicht nur geduldet, sondern zu anerkannten und geschätzten Stimmen, die zusammen quasi den Grenzland-Vogelchor gestalten, aus dänischen, deutschen, plattdeutschen, sønderjysken, friesischen Stimmen und mit Platz für noch mehr.

Wie wir vorhin sangen: „Versammelt sich aller Zungenschlag, dass vom Völker Dank erfüllt, die Opferschale überquillt.“

Dankbarkeit über die Zukunft

Das 101. Jubiläum enthält die Dankbarkeit über die Zukunft, die auch damals kam, trotz Hass und tiefer Wunden. Wir müssen uns an diese Zukunft erinnern, die kam, um mit Hoffnung jener Zukunft entgegenzusehen, die für uns kommen wird.
Diese wird auch Versöhnung und herrliche Veränderungen mit sich bringen, auf die wir noch nicht zu hoffen wagen. Grenzen wird es immer geben, für Menschen sowohl wie für Nationen – Grenzen sind menschlich. Aber genauso, wie unsere Haut die Grenze ist, womit wir der Welt und anderen Menschen begegnen, so können Grenzen zwischen Nationen auch Treffpunkte, Bindestriche sein. Und viele Menschen haben Bindestriche zwischen Nationalität und Sprache in sich selbst.
 

Bischöfin Marianne Christiansen, hier zu sehen mit Kommunaldirektor Peter Karm, hielt die Predigt. Foto: Ute Levisen

Die Liebe zum Vaterland und zur Muttersprache und der Heimat ist ein Geschenk, wie die Liebe zur eigenen Familie es ist – und gerade darin können wir auch die Liebe anderer Menschen zu ihrem Eigenen und ihrer eigenen Sprache und Kultur wiedererkennen und anerkennen. Die Geschichte wird ständig weitererzählt, und gebe Gott, dass wir so das Glück haben, dass in einhundert Jahren erzählt werden kann, wie unser Weg der Versöhnung und des Friedens zwischen Mehrheit und Minderheit weiter geht – nicht nur im Grenzland, sondern in unseren Nationen und in der Welt.

Göttliche Botschaft über Grenzen hinweg

Grenzen sind menschlich; göttlich ist es, dass Jesus über die Grenzen hinweg ruft. Diese Botschaft wurde und wird in verschiedenen Sprachen verkündet, dieser Ruf gilt allen Menschen, ungeachtet deren Nationalität. In dem Gleichnis, der Bilderzählung, die wir gehört haben, vergleicht Jesus das Reich Gottes, den eigentlichen Sinn des Lebens, mit einem großen Fest. Nicht alle in der Geschichte folgen der Einladung – und warum sollte man das, wenn man sich selbst genug ist?

„Ich bitte dich, entschuldige mich“, sagt einer nach dem anderen.  Denn sie haben Entschuldigungen: „Ich habe zu viele Immobilien gekauft, habe zu großen Reichtum; ich muss hinaus, um meine nagelneues Ochsengespann Probe zu fahren; ich habe gerade geheiratet und muss mein perfektes Familienleben pflegen, mir reicht es zu haben. Ich habe keine Lust auf dein Fest!“

Und dann geht die Einladung weiter an alle anderen, an diejenigen, denen etwas fehlt, die arbeitsunfähig sind, die, denen Status und ein Platz an der Sonne fehlt – an all jene geht die Einladung, die einer Gemeinschaft mit anderen bedürfen, die Speis und Trank bedürfen. Die Einladung geht hinaus auf die Wege, die bekanntlich nie enden, und entlang der Zäune, wo diejenigen, mit denen keiner spielen will, sich aufhalten. Das Fest Gottes ist für all jene, die sich selbst nicht genug sind.

Ruf und Hoffnung zugleich

Es ist sowohl ein Ruf als auch eine Hoffnung. Ein Ruf dazu, uns nicht um uns selbst zu schließen, und um das, was wir haben, dass wir als Menschen und Nationen nicht zu einsamen Drachen werden, die über Reichtum vor sich hinbrüten. Es ist ein Ruf dazu, zu entdecken, dass wir nicht die Einzigen sind, die zum Fest eingeladen sind – ja, dass das Fest in sich selbst aus der Gemeinschaft mit anderen besteht – mit denjenigen, die andere Geschichten, andere Sprachen und andere Gewohnheiten haben, jenen von der anderen Seite der Straße und der Zäune.
 

Und eine Hoffnung ist es: Denn stell Dir vor, wir könnten unser Leben wie Menschen leben, die auf dem Weg zu einem Fest sind. Denn das IST das Fest: Lebensmittel und Leben zu teilen und das Antlitz des Gegenübers wahrzunehmen im Glanz der Liebe Gottes. Sie allein ist grenzenlos.“

 


 

 

An dem Festgottesdienst nahmen unter anderem die dänische Monarchin, Königin Margrethe, sowie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und First Lady Elke Büdenbender teil. Foto: Ute Levisen
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