Thema der Woche: Familie

Pflegefamilien: Zweite Chance für Kinder

Pflegefamilien: Zweite Chance für Kinder

Pflegefamilien: Zweite Chance für Kinder

Julia Röhr
Nordschleswig
Zuletzt aktualisiert um:
Es gibt Pflegefamilien, die haben bereits Kinder. Es gibt aber auch kinderlose Paare, die Pflegekinder aufnehmen. (Symbolfoto) Foto: Casetta, Alberto / Unsplash

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Es gibt Fälle, in denen können sich die biologischen Eltern nicht um ihre eigenen Kinder kümmern. Eine zweite Chance auf ein einigermaßen geregeltes Familienleben bieten Pflegefamilien, die diese Kinder dann aufnehmen. „Der Nordschleswiger“ hat mit einer Pflegemutter gesprochen.

Monika Brogaard und ihr Mann Egon Brogaard betreuen seit zehn Jahren drei Pflegekinder. Als das erste Kind zu ihnen kam, war es gerade mal zwei Jahre alt. Mit dem „Nordschleswiger“ hat Monika Brogaard über ihre Erfahrungen als Pflegemutter gesprochen.

Der Grundgedanke, eine Pflegefamilie zu werden

Es begann damit, dass Monika Brogaard und ihr Mann Egon Brogaard keine eigenen Kinder haben konnten. Durch eine Freundin, die selbst Pflegekinder hat, kamen sie auf die Idee. „Erst waren wir uns unsicher, weil wir keine eigenen Kinder haben“, erklärt Monika Brogaard. Dann haben sie sich jedoch mit der Idee auseinandergesetzt und bei der Kommune Apenrade nachgefragt, ob es möglich wäre, Kinder aufzunehmen. Hier wurden ihnen anfängliche Zweifel genommen: Pflegefamilien ohne Kinder sind kein Problem, denn manche Eltern möchten ihre Kinder nur zu Paaren geben, die keine eigenen Kinder haben.

Vorbereitungen

Als die Entscheidung feststand, haben Monika und Egon Brogaard einen Kurs abgelegt, in dem sie darauf vorbereitet wurden, was bei einer Pflegefamilie passieren kann. So wurden eventuelle Schwierigkeiten und weitere Abläufe erklärt. Dort wurde ihnen auch mitgeteilt, dass sie als neue Pflegefamilie eventuell nicht direkt ein Kind vermittelt bekommen. Sie sollen sich aber trotzdem weiterhin mit den anderen teilnehmenden Familien aus der Kursgruppe treffen und darüber sprechen, wie es bei ihnen und den anderen läuft.

Alle dachten, dass wir als Letztes ein Kind bekommen. Dann haben wir aber als Erstes eins bekommen – das war schon eine große Überraschung.

Monika Brogaard

Das erste Kind

Entgegen allen Erwartungen wurde dem Ehepaar Brogaard dann doch direkt beim ersten Gespräch mit der Kommune Apenrade ein Kind vermittelt. „Alle dachten, dass wir als Letztes ein Kind bekommen. Dann haben wir aber als Erstes eins bekommen – das war schon eine große Überraschung“, erzählt Monika Brogaard weiter. Das erste Kind war zwei, als es in die Familie kam.

Der Grundgedanke

Ein Kind wird in eine Pflegefamilie mit dem Hintergedanken gegeben, dass es irgendwann wieder zu den biologischen Eltern kommt. Das erste Kind war erst nur tagesweise bei Monika und Egon Brogaard. „Und dann hieß es auf einmal, wenn sie das nächste Mal kommt, bleibt sie permanent bei uns“, erklärt Monika Brogaard. Mit acht Jahren kam sie dann auch mal länger zu ihrer biologischen Mutter, dann kam sie wieder zurück in die Pflegefamilie. Wie lange also ein Kind bleibt, ist sehr individuell.

Es ist nicht für alle Paare selbstverständlich, eigene Kinder zu bekommen. (Symbolfoto) Foto: Ellaby, Daiga / Unsplash

Regelmäßige Kontrollen

Die Organisation Socialtilsyn Syd ist mit verantwortlich für die Pflegefamilie und prüft die Bedingungen und Zustände vor Ort. Dazu zählen auch der Zustand und die Größe des jeweiligen Hauses, in dem die Familien lebt. Außerdem arbeitet die Organisation mit den Kommunen zusammen und prüft auch hier, ob die Familien die benötigte Unterstützung von den Kommunen erhält.

Voraussetzungen für eine Pflegefamilie

Bei Gesprächen mit Vertreten der Kommune oder der Organisation wird sich ein Bild von den potenziellen Pflegefamilien gemacht. Da wird der eigene Charakter der Erwachsenen erforscht und beispielsweise die Kindheit beleuchtet. So entsteht ein unmittelbarer Eindruck, und es lässt sich heraushören, ob die Paare als Pflegeeltern geeignet sind.

Die Hobbys und Aktivitäten in der Freizeit sind ebenfalls wichtig, um ein richtiges Match für die Kinder zu finden. Das Kind muss mit den Interessen gut zu der Familie passen, damit es sich auch wohlfühlen kann.

Wenn die Kinder dann in den Familien untergebracht werden, kommen bestimmte Betreuerinnen oder Betreuer mit den Kindern ins Gespräch und erkundigen sich nach der Lage in der Familie. So wird geprüft, wie Pflegeeltern mit dem Kind klarkommen und umgehen.

Für die Kinder muss ein richtiges Match gefunden werden, deswegen werden die Pflegeeltern auch zu ihren Hobbys und Interessen genau befragt. (Symbolfoto) Foto: Campbell, Mieke / Unsplash

Eingewöhnung

Der Anfang war ungewohnt, sie waren die ganze Zeit zu zweit. „Und dann ist da plötzlich so ein kleines Kind, was bei uns fest wohnt. Und dann wachst du auf einmal in der Nacht öfter auf und kümmerst dich um das Kind“, erzählt Monika Brogaard weiter. Sie vergleicht es mit Menschen, die zum ersten Mal Eltern ihres eigenen Kindes werden. „Für die wird das Leben ja auch komplett umgekrempelt. Und so war das bei uns auch“, beschreibt sie.

Dann gibt es noch die Tage, wo die Kinder bei ihren leiblichen Eltern sind. Dies kann ein Wochenende sein oder auch mal für eine längere Zeit. Dies ist ungewohnt für Monika Brogaard: „Dann ist es auf einmal ruhig zu Hause.“

Schwierigkeiten

Jedes halbe Jahr gibt es ein gemeinsames Treffen mit den biologischen Eltern und der Kommune. Hier wird die Entwicklung des Kindes besprochen und was eventuell unternommen werden muss, wenn das Kind gesundheitliche oder generelle Probleme mit der Entwicklung hat. Auch hier gab es zwischen den einzelnen Parteien manchmal Unstimmigkeiten, was Monika Brogaard als schwierig beschreibt.

„Wir haben sehr viel Glück mit unseren Kindern“, berichtet Monika Brogaard. Viele Kinder agieren stark nach außen, das äußert sich auch durch Treten oder Schlagen. „Sowas entsteht eben auch durch die Frustration bei den Kindern. Die fragen sich dann, warum bin ich hier und nicht bei meinen biologischen Eltern?“, erklärt sie weiter. Diese Probleme hat sie jedoch nicht mit ihren Pflegekindern.

Wir haben sehr viel Glück mit unseren Kindern.

Monika Brogaard

Enttäuschung

Allerdings entstehen auch Probleme, die dann oft bei den Kindern zu Enttäuschungen führen. Wenn ein Treffen mit den biologischen Eltern geplant ist und diese kurzfristig vorher absagen, frustriert das Kinder in diesen Momenten. Dann sind die Pflegeeltern für sie da, um sie emotional aufzubauen: „Was auch nicht immer ganz einfach ist. Aber das ist eben die Arbeit, die wir dann haben – und leider das Schicksal der Kinder“, berichtet Monika Brogaard.

Familie - Geborgenheit

Für Monika Brogaard umfasst der Begriff Familie: Zusammenhalt, Liebe geben und bekommen, Geborgenheit. Für einander da sein. „Der Nordschleswiger“ hat sie gefragt, ob sie froh ist, die Entscheidung getroffen zu haben, Pflegemutter zu werden. „Ja, auf jeden Fall. Und ich bereue es kein Stück“, erzählt sie abschließend.

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Cornelius von Tiedemann
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