Leitartikel

„Deutsche als Chance“

Deutsche als Chance

Deutsche als Chance

Nordschleswig/Apenrade
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In den vergangenen 14 Jahren hat sich die Zahl der in Dänemark lebenden deutschen Staatsbürger verdoppelt. Doch das Bild des „hyggeligen Dänemarks“ hat sich in Deutschland verzerrt, warnt Chefredakteur Gwyn Nissen.

In dieser Woche haben wir unseren Fokus unter anderem auf deutsche Zuzügler gelegt. Die Zahl der Deutschen in Dänemark steigt von Jahr zu Jahr und hat sich seit 2004 verdoppelt. Fast 25.000 deutsche Staatsbürger leben heute in Dänemark – viele davon in Nordschleswig.

„Wir wollen nie wieder zurück“, so der Tenor der deutschen Familien in Dänemark – wobei die Übersiedelung natürlich nicht immer klappt. Meistens geht es allerdings gut, und die Makler in Nordschleswig können derzeit ein Lied davon singen, dass immer mehr Deutsche den Blick gen Norden werfen.

Es haben in den vergangenen Jahren viele Deutsche in Dänemark Fuß gefasst – vor allem in Nordschleswig, wo der Abstand zur Heimat gering ist und die sprachliche Umstellung leicht gemacht wird, weil die Region zweisprachig ist.

Für Nordschleswig ist die Zuwanderung aus Deutschland lebenswichtig. Ohne deutsche Mitarbeiter – seien es Pendler oder Zuzügler – hätten viele nordschleswigsche Unternehmen Schwierigkeiten, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Das gilt vom Transport- und Logistikgewerbe über Bildungseinrichtungen und Industrie bis hin zum Gesundheits- und Pflegesystem.

Auch für die deutsche Minderheit in Nordschleswig birgt die Zuwanderung neue Möglichkeiten, um vor Ort in den Institutionen weiterhin die nötige kritische Masse und somit die Grundlage zu haben, so viele deutsche Schulen und Kindergärten wie möglich aufrechtzuerhalten. Für neue deutsche Familien wird der Einstieg nach Dänemark durch das Angebot der deutschen Minderheit erheblich erleichtert – Nordschleswig ist sozusagen Dänemark in einer „Light-Ausgabe“.

Doch es ist heute eben nicht alles Dänisch, was glänzt. Die politische Ausrichtung der vergangenen Jahre und die Abschottung durch Grenzkontrollen haben das Bild des „hyggeligen Dänemarks“ verzerrt. Hinzu kommen – aus deutscher Sicht – unverständliche dänische Maßnahmen und Behinderungen in Verbindung mit der Corona-Krise sowie Ferienhausanbieter, die Abzocke betrieben haben.

Da blicken inzwischen mehr Deutsche argwöhnisch nach Dänemark und sagen sich „there is something rotten in the State of Denmark“. Das geht zum Teil über die Imagepflege und den Effekt einer deutsch-dänischen Freundschaftserklärung hinaus.

Hier muss erst wieder das grundlegende Vertrauen in den Nachbarn aufgebaut werden. Was in sehr kurzer Zeit zerfleddert worden ist, muss nun in mühsamer Kleinarbeit über viele Jahre wieder aufgebaut werden – eine wichtige Aufgabe für Mehrheit und Minderheit. 

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Cornelius von Tiedemann
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