Diplomatie

„Die Grenze verbindet uns“

„Die Grenze verbindet uns“

„Die Grenze verbindet uns“

Kopenhagen
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Andreas Meitzner
Der neue Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Dänemark, Andreas Meitzner, vor der „alten“ Botschaft in Kopenhagen. Im neuen Jahr zieht die Botschaft um. Foto: Gwyn Nissen

Andreas Meitzner ist der neue Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Dänemark – es ist die erste Stelle als Botschafter für den erfahrenen Diplomaten.

Andreas Meitzner ist seit dem 20. Oktober neuer Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Dänemark. Gestern und heute ist er in Nordschleswig zu Besuch und spricht am Sonnabendnachmittag beim Deutschen Tag in Tingleff erstmals zur deutschen Minderheit.

Herr Botschafter, wie ist Ihr erster Eindruck von Dänemark?

Als meine Frau und ich vor sechs Wochen hierherkamen, fühlten wir uns von Anfang an quasi wie zu Hause. Es herrscht eine angenehme Atmosphäre, und wir fühlen uns sehr wohl aufgenommen; von den dänischen Gesprächspartnern, die ich kennenlernen konnte, den Kollegen in der Botschaft, von den Deutschen hier, zu denen ich auch erste Kontakte knüpfen konnte. Für mich war ein perfekter Einstand, dass kurz nachdem ich hier ankam, der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther mit einer großen Delegation zu seinem Antrittsbesuch nach Kopenhagen kam …

… und auch für Sie alle Türen geöffnet hat …?

Ja, er hat mich mitgenommen zu den Terminen beim Ministerpräsidenten (Anm. der Red.: Staatsminister Lars Løkke Rasmussen) und bei den verschiedenen Ministern, die er getroffen hat. Für mich war das ein perfekter Einstand. Da habe ich gespürt, dass nicht nur Schleswig-Holstein und Dänemark sich eng verbunden fühlen, sondern dass insgesamt das Interesse und die Aufgeschlossenheit Deutschland gegenüber sehr groß sind. Das freut mich natürlich, in einem solchen Land arbeiten zu können. Es gibt viele Länder, in denen das Umfeld nicht so freundlich ist. Von daher fühlen meine Frau und ich uns hier sehr wohl.

Haben Sie bereits in Kopenhagen Orte entdeckt, an denen Sie sich besonders wohlfühlen?

Ich muss gestehen, wir haben noch nicht so richtig Zeit gehabt, uns in Kopenhagen so umzuschauen, wie wir es uns wünschen würden. Wir waren im März zum ersten Mal hier und haben damals eine Hafenrundfahrt gemacht. Von da aus  haben wir sehr viele Facetten Kopenhagens kennengelernt. Wir heben uns für die nächsten Wochen auf, die Stadt noch näher kennenzulernen. Es ist klar, wir sind öfters in Hellerup und Østerbro gewesen, das kennen wir schon. Es ist eine nette Umgebung.

Aber ich denke, nicht nur Kopenhagen bietet eine Menge zu erkunden und zu entdecken, sondern das gesamte Land. Da sind wir sehr neugierig drauf. Ich freue mich, dass ich die Gelegenheit habe, Freitag (gestern) Hadersleben kennenzulernen und beim Deutschen Tag in Tingleff dabei zu sein und dort eine Gegend von Dänemark kennenzulernen, wo ich bisher noch nie war.
Ich werde dann in der nächsten Woche in Silkeborg sein, in Aarhus, und  es hat sich eine Reihe von Terminen angekündigt. So werde ich auf Bornholm unseren neuen Honorarkonsul begrüßen, der mir dankenswerterweise schon ein inhaltsreiches Programm zurechtgelegt hat.

Welche Schwerpunkte wird es bei Ihrer Arbeit in Dänemark geben?

Es sind natürlich dadurch, dass wir Nachbarn sind und eine lange, gemeinsame Geschichte haben, eine Fülle von Kontakten und Beziehungen, die sich in den letzten Jahrzehnten intensiviert haben, sodass wir als Botschaft in der glücklichen Lage sind, über ein sehr intensives Netzwerk zu verfügen im ganzen Land in Bereichen wie  Wirtschaft, Politik, Kultur, Wissenschaft und Forschung. Ich will dennoch versuchen, noch stärker zu fokussieren auf aktuelle Themen, sei es die Europäische Union, die außenpolitische Zusammenarbeit oder auch Themen, die uns gemeinsam geschichtlich und kulturell zusammenbringen.

Ich denke, wir haben da in den kommenden Jahren eine ganze Reihe von Anlässen, wo wir Veranstaltungen mit der dänischen Seite machen können. Wir bereiten uns auf das sehr wichtige Jubiläumsjahr 2020 vor, wo wir 100 Jahre Grenzziehung zwischen Deutschland und Dänemark feiern und auch den Beitrag der  Minderheiten in beiden Ländern entsprechend würdigen werden. Die Grenze ist heute nicht etwas, das trennt, sondern es ist  etwas Verbindendes geworden.

Wobei Feierlichkeiten zu 2020 auf deutscher Seite sicherlich nicht ganz so ankommen wie in Dänemark.

Es muss in der Tat nicht im Mittelpunkt stehen, wer hat gewonnen, wer hat verloren, wer hat was abgetreten, und wer hat welches Gebiet bekommen.  Das wäre, denke ich, kein Thema für eine deutsch-dänische Feier, sondern hier geht es darum, was wir in den letzten hundert Jahren erreicht haben. Ausgehend von der beispielhaften Tatsache, dass es eine Volksabstimmung gab und  das Ergebnis dieser Wahl auch eins zu eins umgesetzt wurde.  Das ist, wenn man sich heute Volksabstimmungen anschaut über Zugehörigkeiten zu einzelnen Ländern oder Teilstaaten, keine Selbstverständlichkeit. Auch nach hundert Jahren kann man hier sagen, dass die Entscheidung von damals Bestand hat, und dass diese dazu beigetragen hat, die Rivalität und die Ressentiments auf beiden Seiten zu überwinden. Wir als Deutsche tun uns, gerade was die Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg angeht, etwas schwerer, Jubiläen zu begehen. Daher ist es ganz wichtig, dass wir den verbindenden Charakter dieser Grenze in den Mittelpunkt stellen.

Welche Bedeutung hat Dänemark für Deutschland?

Für uns ist Dänemark ein ganz wichtiger Partner, und ich sehe und höre in meinen Gesprächen, dass die dänische Regierung und auch die dänische Bevölkerung  sehr großes Interesse an einer engeren  Zusammenarbeit mit Deutschland haben. Gerade vor dem Hintergrund des Austritts von Großbritannien aus der EU, aber auch vor dem Hintergrund der Diskussion über die Zukunft der EU und die Reformen, die anstehen, brauchen wir einen engen Schulterschluss mit unseren Partnern. Gerade wir als Deutsche bemühen uns seit vielen Jahren, all unsere Nachbarn und Partner gleichermaßen einzubeziehen in die Überlegungen, die nicht nur zwischen den Großen geführt werden können.

Wie sehen Sie die wirtschaftliche Verbindung zwischen Dänemark und Deutschland?

Von den Dimensionen her ist Deutschland natürlich Geschäftspartner Nummer eins Dänemarks, während Dänemark aber auch ein wichtiger Partner für die Bundesrepublik ist.

Diese wirtschaftliche Verpflichtung wird, denke ich, eher noch zunehmen,  und wir setzen da ganz besonders auf zukunftsgerichtete Industrien wie regenerative Energien, Digitalisierung und Windkraft, wo Dänemark in vieler Hinsicht weiter ist als Deutschland. In vielen Bereichen können wir profitieren von den Errungenschaften und Entwicklungsfortschritten, die dänische Unternehmen geleistet haben.  Nicht zuletzt kommen Delegationen aus Deutschland hierher, um zu sehen, wie hat Dänemark das eine oder andere Problem gelöst. Da verspreche ich mir eine enge Zusammenarbeit.

Die dänische Regierung hat dankenswerterweise eine Deutschlandstrategie entwickelt, um aus dänischer Sicht erkannte Schwachstellen oder Lücken anzugehen.  Traditionell hat Dänemark eine enge Verbindung zu den norddeutschen Ländern, aber mit Baden-Württemberg und Bayern kann man einige aufholen, zumal diese Regionen sehr starke Träger des technologischen Fortschrittes in Deutschland geworden sind. Daher bietet sich eine engere Zusammenarbeit auch außerhalb der traditionellen Bundesländer an.

Und in der Kultur?

Im kulturellen Bereich können wir noch sehr viel machen und ausbauen. Bevor ich hierherkam war ich unter anderem in verschiedenen Positionen in der  Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes tätig, und ich denke, im Bereich der Auslandsschulen, der deutschen Sprache, des Goethe Instituts  und des Akademischen Austauschdienstes bietet sich noch viel Potenzial.  Das Interesse ist da, und ich freue mich, auch da den einen oder anderen Beitrag leisten zu können.

Mit welchen persönlichen Erfahrungen gehen Sie ihre Stelle als Botschafter in Dänemark an?

Ich bin in einer Grenzregion aufgewachsen – ich komme aus Aachen. Gerade dieses Miteinander mit anderen Ländern und Kulturen hat mich früh geprägt, und ich bin auch in meiner Zeit im Auswärtigen Amt häufiger in  an Deutschland angrenzenden Ländern  eingesetzt. Ich habe also ein gewisses Gespür für die Sensibilitäten auch von kleineren Nachbarstaaten. Ich hoffe, dass ich die Erfahrungen, die ich dort erwerben konnte, in meiner Arbeit hier einsetzen kann.

Wie beurteilen Sie den Stellenwert der deutschen Minderheit in Dänemark?

Das wurde ganz klar beim Besuch des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier vor Kurzem in Schleswig-Holstein – da hat man ihn auch mit Vertretern der Minderheiten zusammengeführt. Aus deutscher Sicht sind die Dänen  in Schleswig-Holstein und die Deutschen in Dänemark wichtige Ansprechpartner und ein zentrales Element der positiven deutsch-dänischen Beziehungen.

Als Botschaft kümmern wir uns außerdem intensiv um die Belange der deutschen Minderheit, sei es kulturell, politisch oder wirtschaftlicher Art.  Wir haben seit der Schließung des Generalkonsulats in Apenrade hier in der Botschaft eine Funktion als Minderheitenbeauftragte(r), und diese Funktion nimmt Anke Meyer seit einigen Jahren wahr.

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