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Gen-Saat eine „höchstwahrscheinlich notwendige Möglichkeit“

Gen-Saat eine „höchstwahrscheinlich notwendige Möglichkeit“

Gen-Saat eine „höchstwahrscheinlich notwendige Möglichkeit“

Tingleff/Kopenhagen
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Sojabohnen-Anbau in Argentinien: Heute setzen die Landwirte dort zumeist auf Glyphosat. Foto: Ivan Pisarenko / AFP / Ritzau Scanpix

Der dänische Ethik-Rat hält sogenannte GMO-Saaten mehrheitlich für ein ethisches Muss. Der Chef des Landwirtschaftlichen Hauptvereins für Nordschleswig versteht die Argumentation – weist aber auf Gefahren hin, wenn die Patentfrage nicht zuvor geklärt wird.

Der Ethische Rat

  • 1987 gegründet
  • Berät das Folketing, Minister und Behörden in Fragen der Bio-und Gentechnologie, seit 2004 auch im Bereich Ernährung und Umwelt.
  • Laut Gesetz soll der Rat im Sinne des „Respektes für die Integrität und Würde der kommenden Generationen und von Natur und Umwelt“ arbeiten.
  • Der Rat hat 17 Mitglieder und wird nach Vorschlägen aus dem Folketing und anderen Ministerien vom Gesundheitsminister bestellt. Die Mitgliedszeit beträgt drei Jahre bei maximal einer  Wiederwahl.

Quelle: etiskraad.dk

Es wäre unethisch, in Dänemark keine gentechnisch modifizierte Organismen (GMO) einzusetzen, während Weltbevölkerung und Lebensmittelknappheit zunehmen. Zu diesem Schluss sind 15 der 16 unterzeichnenden Mitglieder des dänischen Ethischen Rates gekommen. Sie beziehen sich dabei auf die neuartige CRISPR-Technik,  bei der keine fremdartigen Gene mehr verpflanzt werden.

Der Rat Argumentiert in einer Pressemitteilung, dass derartige GMO-Pflanzen nicht weniger natürlich seien als traditionelle Ernteerzeugnisse und dass sie weder für die Gesundheit noch für die Umwelt schädlich seien. Wie videnskab.dk berichtet, sind Forscher der Uni Kopenhagen just zu ganz ähnlichen Schlüssen gekommen. Die meistgenutzten Argumente für die restriktive GMO-Gesetzgebung in der EU würden einer kritischen Hinterfragung nicht standhalten, so die Wissenschaftler.

Es sind vor allem drei Punkte, die Kritiker genmodifizierter Pflanzen beschäftigen – und die der Ethikrat und die Forscher der Uni Kopenhagen zum Großteil entkräftet sehen.

Argument der Natürlichkeit

Natur und Natürlichkeit seien Werte an Sich, so die bisher häufig gebrauchte Argumentation. Doch auch die heute gebräuchlichen Saaten seien bereits durch Zucht und jahrhundertelange Veredelung durch den Menschen manipuliert. Die scharfe Regulierung von GMO-Pflanzen könne so also nicht begründet werden.

Argument der Vorsicht

Auch das Argument der „Vorsicht“, das auf EU-Ebene eine große Rolle spielt, könne nicht gelten. Denn wenn man auf Pflanzen verzichte, weil wir nicht wissen, ob sie möglicherweise negative Auswirkungen irgendeiner Art haben, dann könne überhaupt keine neue Saat mehr entwickelt und benutzt werden.

Argument der Monopolisierung

Seitens der EU herrscht die Sorge, dass arme Landwirte in Entwicklungsländern abhängig von teurem Saatgut gemacht werden, das von großen Produzenten hergestellt wird. Die Studie der Uni Kopenhagen stellt dem gegenüber, dass ein Verbot von GMO-Saatgut keinen Einfluss auf Bauern in Entwicklungsländern hätte und dass die Landwirte einen Großteil des Profits, der durch das neue Saatgut entsteht, behalten könnten.

Kritik aus der Politikwissenschaft

Für den EU-Forscher Jens Ladefoged Mortensen von der Uni Kopenhagen ist die Argumentation seiner Kollegen allerdings nicht überzeugend. Wie er videnskab.dk sagt, herrsche eine „begründete Sorge, dass es einige wenige Produzenten sein werden, die dominieren, wenn man die Kräfte des Marktes einfach loslässt. Die tatsächlichen Kosten, GMO zu entwickeln, sind sehr hoch, auch ohne die EU-Bedingung der Sicherheitstests“.

Jørgen Popp Petersen
Jørgen Popp Petersen Foto: Karin Riggelsen

 

LHN: Ja, aber...

Jørgen Popp Petersen, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Hauptvereins für Nordschleswig (LHN) hat ganz ähnliche Bedenken. GMO sei eine Möglichkeit und „höchstwahrscheinlich eine notwendige Möglichkeit. Das darf aber nicht dazu führen, dass nur einige wenige Unternehmen die Patente in den Händen haben“, warnt er.

 

 

CRISPR

  • Die CRISPR-Technik wird auch Präzisionsmutagenese genannt.
  • Die Technologie wurde 2012 erstmals angewandt und zeichnet sich dadurch aus, genauer und kostengünstiger zu funktionieren als die vorhergehenden gentechnischen Methoden.
  • CRISPR verursacht kleine, zielgerichtete Mutationen im Erbgut der Pflanze, häufig durch Deaktivierung eines Gens. Beispielsweise kann ein bestimmtes wachstumshemmendes Gen in einer Pflanze deaktiviert werden, damit größere Früchte gebildet werden.
  • Bei früheren GMO-Pflanzen wurden ganze (häufig fremdartige) Gene in die Erbmasse der Pflanze eingesetzt.
  • CRISPR steht im Vergleich dazu traditioneller Mutagenese (zum Beispiel Züchtung) näher, bei der Pflanzen einer bestimmten mutationshervorrufenden Flüssigkeit oder Bestrahlung ausgesetzt werden.
  • Im Gegensatz zu bisheriger Mutation ist bei der CRISPR-Technik sichergestellt, an genau welcher Stelle der Erbmasse manipuliert wird.

Quelle: etiskraad.dk

CRISPR-Forschung an der University of Florida – hier mit Zitrus-Saat. Foto: Federica Narancio / AP / Ritzau Scanpix

„Die Getreidesorten von vor 50 Jahren wären umgekippt, wenn sie Erträge wie heute hätten“

„Ob es möglich ist, da Gesetze zu machen, weiß ich nicht. Aber wo GMO derzeit global am meisten genutzt wird, ist beim Saatgut, wo die Früchte resistent gegenüber Roundup, also Glyphosat, gemacht werden. Außer, dass ein bestimmtes Unternehmen einen Haufen Pestizide verkaufen kann, bringt diese Möglichkeit uns hier nichts. Aber es gibt wahnsinnig viele andere Möglichkeiten“, sagt Popp.

„Die herkömmliche Art ist ja, dass wir nach bestimmten Wünschen züchten. Und die Erträge haben sich ja in 50 Jahren fast verzehnfacht. Die Getreidesorten von vor 50 Jahren wären umgekippt, wenn sie Erträge wie heute hätten. Da hat man gezielt gezüchtet, dass die Halme die Menge tragen können. Gerade im Bereich Öko wird auf Gesundheit gezüchtet, zum Beispiel bei der Resistenz gegen bestimmte Pilze. Und das ist eigentlich fast lebensnotwendig für den Bio-Anbau, damit der Ertrag nicht verschwindet. Denn künstlich kann man da in der Wachstumssaison nichts mehr machen“, zieht er die Verbindung zur Bio-Landwirtschaft.

Bio-Landwirte sträuben sich

Die sträubt sich allerdings in Dänemark noch gewaltig. So sagt Popps Kollege vom Verband „Økologisk Landsforening“, Per Kølster, der Nachrichtenagentur Ritzau, dass er anerkenne, dass der Gebrauch von Pestiziden durch GMO erheblich reduziert werden könne. Doch: „Unsere Haltung ist ganz grundlegend weiterhin, dass die Natur selbst die Methoden hat, die es braucht.“ Es bestehe die Gefahr, die Überlebensfähigkeit von Kulturpflanzen so sehr zu erhöhen, dass „sie sich auf Kosten anderer Arten in der Natur verbreiten“. So könne das Ökosystem auf ungewollte Weise beeinflusst werden.

„Unethisch, die Methode nicht zu nutzen“

Der Ethikrat sieht diese Risiken mit der neuen CRISPR-Methode soweit minimiert, dass die Vorteile überwiegen, sagt die Vorsitzende des Rates, Anne-Marie Geerdes, hauptberuflich Klinikchefin an der Genetischen Klinik des Reichshospitals in Kopenhagen. „In den vergangenen Jahren ist eine neue und genauere Technologie zur Herstellung von GMO-Pflanzen gekommen. Und wenn man vergleicht, dass es jetzt zumindest 20 Jahre Daten gibt, die dokumentieren, dass kein spezielles Risiko mit GMO verbunden ist, dann wäre es unethisch, die Methode nicht zu nutzen“, sagt sie zu Ritzau.

Laut UN wird die Weltbevölkerung bis 2100 von 7,5 auf 11,2 Milliarden Menschen anwachsen. Zugleich muss laut Klimaexperten der UN eine Fläche von der Größe der USA aus der landwirtschaftlichen Produktion genommen werden, um die globale Erwärmung abzubremsen.

„Wir haben Herausforderungen genug“, sagt Jørgen Popp Petersen. „Wenn es eine Möglichkeit wäre, Trockenheitsresistenz zum Beispiel, und das züchten wir ja auch auf herkömmliche Art, nur eben über viele Jahre, dann sollten wir das nutzen“, so der Lügumklosteraner.

 

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