Sicherheit

Datenschutz: Behörde verbietet Google-Computer an Schulen in Helsingør

Datenschutz: Behörde verbietet Google-Computer an Schulen in Helsingør

Datenschutz: Behörde verbietet Google-Computer an Schulen

Apenrade/Kopenhagen
Zuletzt aktualisiert um:
Viele Schulen in Dänemark arbeiten mit dem cloudbasierten Chromebook-System der Firma Google. Im Zuge der Corona-Pandemie hat es im Fernunterricht seine Vorzüge ausspielen können, doch zu den Nachteilen gehört laut Kritikerinnen und Kritikern, dass Daten in den USA gesammelt werden (Symbolfoto). Foto: Thomas Park/unsplash

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Ein Urteil über die Nutzung von cloudbasierter Software in der Kommune Helsingør könnte Auswirkungen in ganz Dänemark haben. Die Datenschutzbehörde befürchtet, dass Daten von Chromebook-Laptops von Schülerinnen und Schülern in den USA gespeichert werden. DSSV-Chefin: Vermutlich kein großes Problem für deutsche Schulen in Nordschleswig.

 

Redaktionelle Anmerkung: Der Artikel vom 16. Juli 2022 wurde nachträglich überarbeitet, da inzwischen klargestellt wurde, dass die Entscheidung der Behörde direkt ausschließlich die Kommune Helsingør betrifft. Zwei Google-Ressortleiter schreiben dazu in einem Blogpost bei Google Cloud: „Obwohl dieses Urteil auf die Kommune Helsingør beschränkt ist, könnte es jedoch auch für andere dänische verantwortliche Stellen von Interesse sein.“ Weiter schreiben sie: „Um es klarzustellen: Das Urteil gilt weder für Google direkt noch für andere Kunden, noch verbietet es die Nutzung von Google Workspace for Education oder Chromebooks in Dänemark. Es dient als Erinnerung daran, dass Kunden eine gründliche Bewertung ihrer Systeme durchführen sollten.“

 

Als „ziemlich katastrophal“ bezeichnete die stellvertretende Vorsitzende des dänischen Verbandes der Schulleiterinnen und Schulleiter, Dorte Andreas, Mitte Juli die zunächst befürchteten Folgen einer aktuellen Entscheidung der Datenaufsichtsbehörde. Der zufolge durfte in einer ersten Auslegung laut „Politiken“ an den allgemeinbildenden Volksschulen in Dänemark nach den Sommerferien kein Laptop der Marke Google Chromebook mehr benutzt werden.

Die Schulen befinden sich in einer äußerst kritischen Situation.

Dorte Andreas, Skolelederforeningen

„Da unser Unterricht an den Schulen auf digitaler Nutzung, auf der Nutzung von Chromebooks und dem Zugang zu mehreren Lernplattformen beruht, bedeutet das, dass wir den Unterricht komplett neu denken müssen“, sagte Andreas.

Und das müsse bereits bis zum 1. August, nach den Sommerferien, geschehen. „Die Schulen befinden sich in einer äußerst kritischen Situation“, sagte sie.

Inzwischen (Stand 28. Juli 2022) steht fest, dass das Urteil sich zunächst lediglich auf die Schulen in der Kommune Helsingør bezieht.

Laut Allan Frank, einem Juristen bei der dänischen Datenschutzbehörde, gibt es derzeit jedoch etwa 26 weitere Verfahren gegen Kommunen wegen der Nutzung von Chromebooks. Diese Fälle sind noch nicht entschieden worden. Gleichzeitig steht ein neues sogenanntes Transferabkommen zwischen der EU und den USA noch aus. Es soll klären, wie Daten zwischen europäischen Ländern und den USA übertragen werden dürfen, berichtet die Nachrichtenagentur „Ritzau“.

Hälfte der Kommunen in Dänemark nutzt Chromebooks

Das Verbot der Behörde umfasst die Verarbeitung von personenbezogenen Informationen auf Chromebook-Laptops und in der virtuellen Lern- und Arbeitsumgebung Google Workspace – ein Programmpaket, das auf den Chromebook-Computern installiert ist.

Ausgesprochen wurde das Verbot im Zuge einer Untersuchung in der Kommune Helsingør. Laut „Politiken“ nutzen Schulen in rund der Hälfte der Kommunen Dänemarks solche Computer.

Chromebooks und Datenschutz

Chromebooks zeichnen sich dadurch aus, dass anders als bei einem klassischen Notebook Anwendungsprogramme zum überwiegenden Teil als Applikation im Chrome-Browser laufen. Daten und Einstellungen werden in der Regel nicht lokal, sondern in der Google-Cloud gespeichert und online zur Verfügung gestellt. Dadurch sind einerseits auch kostengünstige und ältere Computer in der Lage, ein schnelles Nutzungserlebnis zu liefern – andererseits sind sie schnell austauschbar: Durch Anmelden über ein persönliches Google-Konto auf einem anderen Gerät werden alle Daten und Einstellungen synchronisiert. Um ihren vollen Funktionsumfang auszuschöpfen, sind Chromebooks darauf angewiesen, an einen Google-Server angebunden zu sein –  über einen Internetzugang.

Datenschützerinnen und Datenschützer bemängeln bereits seit Jahren, dass die Nutzerinnen und Nutzer von Chromebooks nicht nur die Kontrolle über ihre Daten, sondern auch über die Programme verlieren. Wenn eine App zurückgezogen wird oder es ein Daten- oder Sicherheitsleck gibt, seien sofort alle Nutzenden betroffen. Außerdem werden in hohem Maße Nutzungsdaten an Google übertragen. Dies ist auch bei von Google im Rahmen eines Service-Vertrages vertriebenen Geräten für Bildungseinrichtungen der Fall.

Quelle: eff.org

Schulrätin Anke Tästensen (Archivfoto) Foto: Volker Heesch

Keine Panik an deutschen Schulen

Die Schulrätin des Deutschen Schul- und Sprachvereins für Nordschleswig (DSSV), der unter anderem die deutschen Schulen in Nordschleswig unter sich vereint, sieht keinen Grund zur Panik für Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler der Minderheitsinstitutionen.

„Wenn es etwas zu lösen gibt, werden wir das natürlich tun, aber ich sehe für uns nicht die großen Herausforderungen“, sagte Anke Tästensen kurz nach Bekanntwerden des Urteils zum „Nordschleswiger“.

So kurz nach der Entscheidung habe sie noch keinen Überblick über das genaue Ausmaß, doch „normalerweise arbeiten wir nicht mit dem System“.

Mit welchen Computern die Schülerinnen und Schüler ausgestattet sind, sei im DSSV nicht einheitlich geregelt, sondern könne von Schule zu Schule variieren, so Tästensen.

Daten der Kinder und Jugendlichen könnten an US-Behörden ausgehändigt werden

Viele dänische Schulen bauen ihren Unterricht hingegen auf dem seit langem von Datenschützerinnen und Datenschützern kritisierten und nun erstmal für den Unterricht an Volksschulen in der Kommune Helsingør verbotenen System auf. Laut „Politiken“ ist Dreh- und Angelpunkt der Entscheidung der Umstand, dass die Daten der Jugendlichen an amerikanische Behörden ausgehändigt werden können.

Dorte Andreas ist der Meinung, dass der digitale Unterricht an den Volksschulen durch die Chromebooks verbessert wurde. Zudem hätten die Rechner eine wichtige Rolle während der Corona-Pandemie gespielt, als die Kinder und Jugendlichen von zu Hause aus am Unterricht teilnahmen.

Es können einige Monate kommen, wo die Schülerinnen und Schüler nicht den geplanten Stoff abarbeiten können. Aber dann arbeiten sie eben an etwas anderem. Alles wird gut.

Dorte Lange, Danmarks Lærerforening

Im Gegensatz zu Andreas hat der Verband der Lehrerinnen und Lehrer, Danmarks Lærerforening, keine Sorge vor einer Katastrophe. Doch es werde viel Arbeit sowohl auf die Lehrkräfte als auch auf die Schülerinnen und Schüler zukommen, die betroffen sind.

„Das wird den Lehrerinnen und Lehrern viel Professionalität abverlangen“, sagt die stellvertretende Verbandsvorsitzende Dorte Lange. Und Verständnis und Geduld seien von allen Seiten gefragt.

„Es können einige Monate kommen, wo die Schülerinnen und Schüler nicht den geplanten Stoff abarbeiten können. Aber dann arbeiten sie eben an etwas anderem. Alles wird gut“, so Lange.

Google bemüht ums Image der Chromebooks

Nach dem Erscheinen dieses Artikels in seiner ersten Fassung, in dem die Darstellung von „Politiken“ und „Ritzau“ übernommen wurde, dass das Urteil aus Helsingør unmittelbar landesweite Auswirkungen habe, hat sich eine von Google beauftragte Agentur aus Hamburg an den „Nordschleswiger“ gewandt und uns folgende Zitate einer oder eines namentlich nicht genannten Google-Sprecherin oder Sprechers zur Verfügung gestellt: „Wir wissen, dass Schüler:innen und Schulen erwarten, dass die von ihnen genutzte Technologie rechtskonform, verantwortungsvoll und sicher ist. Deshalb investiert Google seit Jahren in bewährte Datenschutzpraktiken sowie sorgfältige Risikobewertungen und macht seine Dokumentation allgemein zugänglich, damit jeder sehen kann, wie wir Organisationen bei der Einhaltung der DSGVO helfen."

Die Person schreibt weiter: „Schulen sind Eigentümer ihrer eigenen Daten. Wir verarbeiten ihre Daten nur in Übereinstimmung mit unseren Verträgen mit ihnen. Bei Workspace for Education werden die Daten der Schüler:innen niemals für Werbung oder andere kommerzielle Zwecke verwendet. Unabhängige Organisationen haben unsere Dienste geprüft, und wir überprüfen unsere Praktiken ständig, um die höchstmöglichen Sicherheits- und Compliance-Standards aufrechtzuerhalten."

 

 

 

Mehr lesen
Amelie Petry, Wencke Andresen

„Mojn Nordschleswig“

Jetzt im Podcast: Mit 18 nach Brüssel und die Trophäe aus Barcelona

Apenrade/Aabenraa Cornelius von Tiedemann begrüßt die Politik-Juniorinnen Amelie Petry und Wencke Andresen, die ihm von ihrer Reise nach Brüssel berichten – und Chefredakteur Gwyn Nissen, der aus Katalonien eine Überraschung mitgebracht hat. Walter Turnowsky befragt die Glaskugel nach dem Termin für die nächste Folketingswahl, und Helge Möller fordert Hannah Dobiaschowski in „Wer hat’s gesagt?“ heraus.

Leitartikel

Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
„Wenn Minderheiten als Gefahr für andere dargestellt werden“

Diese Woche In Kopenhagen

Walter Turnowsky ist unser Korrespondent in Kopenhagen
Walter Turnowsky Korrespondent in Kopenhagen
„Hurra, der Kindersegen ist ausgeblieben!“