Leitartikel

„Neuer Trend? Ehrenamt in der Arbeitszeit“

Neuer Trend? Ehrenamt in der Arbeitszeit

Neuer Trend? Ehrenamt in der Arbeitszeit

Nordschleswig
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Eine dänische Bank gibt ihrem Personal frei, damit es ukrainischen Flüchtlingen helfen kann. Diese gesellschaftliche Verantwortung kann man in der Wirtschaft auch weiterdenken, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Kannst du dir vorstellen, in deiner Arbeitszeit ukrainischen Flüchtlingen zu helfen? Bei voller Bezahlung? Die drittgrößte dänische Bank, Jyske Bank, bietet ihren über 3.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern genau das an, nämlich während der Arbeit ehrenamtlich aktiv zu sein.

Auch andere Unternehmen im Finanzbereich haben ähnliche Angebote an ihr Personal. Allerdings sind diese oft mit einigen Auflagen verbunden, zum Beispiel, dass die ehrenamtliche Arbeit und Job zusammenhängen müssen. Heißt: Es darf zum Beispiel finanzielle Beratung in sozialen Einrichtungen gegeben werden.   

Das Angebot der Jyske Bank geht nun einen Schritt weiter, da es sich hier generell um humanitäre Hilfe dreht. 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben das Angebot angenommen und arbeiten ein bis zwei Tage freiwillig für die ukrainischen Flüchtlinge. Jyske Bank will das Angebot das ganze Jahr aufrechterhalten.

Der Bank zu unterstellen, dass sie dies nur tut, um ein positives Presse-Echo zu bekommen, wäre unangebracht, denn natürlich sorgen sich auch Führungskräfte in den größten Unternehmen des Landes um die Flüchtlinge aus der Ukraine.

Auf der anderen Seite ist es natürlich auch Imagepflege. Viele Unternehmen legen heute nicht nur eine finanzielle Jahresrechnung ab, sondern auch eine CSR-Rechenschaft: Corporate social responsibility ist in der Wirtschaft heute – neben dem Geldverdienen – ein magisches Wort. Gesellschaftliche Verantwortung eben.

Es reicht also nicht mehr, nur den Aktionären zu dienen – und Geld zu verdienen –, sondern es muss der Gesellschaft auch etwas zurückgegeben werden. Dies möchte der Finanzverband für die Angestellten im finanziellen Sektor bereits seit einigen Jahren gerne auf andere ehrenamtliche Tätigkeiten erweitern.  

Hinzu kommt, dass es in diesen Jahren immer schwieriger geworden ist, neue Mitarbeiter zu rekrutieren. Wenn neben Gehalt und anderen Extras auch noch ein bis zwei Tage ehrenamtliche Arbeit zum Angebot gehören, kann das schon die Entscheidung beim Jobwechsel beeinflussen.

Kurzfristig gesehen ist dieses Angebot eine Herausforderung für viele Unternehmen. In den Betrieben stehen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Monaten Kopf, um überhaupt die ganze Arbeit zu erledigen. Überall mangelt es an Arbeitskraft. Dann noch Leute abstellen für ehrenamtliche Arbeit?

Das mag für manchen Arbeitgeber unüberschaubar sein – auch später, wenn nicht mehr so viel los ist. In der Zeit, in der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ehrenamtlich arbeiten, können sie ja kein Geld für den Betrieb erwirtschaften.

Auf längere Sicht kann man sich aber vorstellen, dass Unternehmen, die ihrem Personal ehrenamtliche Tätigkeit während der Arbeitszeit erlauben, die Gewinner sein werden: Es gibt potenziell loyale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ein gutes Image in der umliegenden Gesellschaft sowie bei Kunden. Denn auch mit Sympathien ist Geld zu verdienen – wenn man der richtigen Sache dient.

 

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