Geschichte

Danewerk: Vom Nationalsymbol zum gemeinsamen Kulturerbe

Danewerk: Nationalsymbol heute gemeinsames Kulturerbe

Danewerk: Nationalsymbol heute gemeinsames Kulturerbe

Dannewerk/Dannevirke
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Die dänische Königin Margrethe hat 2019 das Danewerk besucht und dort eine Plakette zur Auszeichnung der historischen Stätte als Weltkulturerbe enthüllt. Der Generalsekretär des Sydslesvigsk Forening (SSF), Jens Christiansen, hielt den Regenschirm für das dänische Staatsoberhaupt. Foto: Marcus Dewanger

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Das neue Buch „Danevirke. Nationalisme, Nazisme og dansk-tysk forsoning“ von Lars Erik Bethge liefert interessante Informationen über die Erforschung und heutige Sicht auf die berühmten Wallanlagen in Südschleswig. Der Startschuss für das Haithabu-Museum sorgte in der 1970er-Jahren für deutsch-dänische Unstimmigkeiten.

In diesem Jahr berichteten die Medien im deutsch-dänischen Grenzland über die enge Zusammenarbeit des Danewerk- und des Haithabu-Museums bei Schleswig. So stellt das Schleswig-Holsteinische Landesmuseum dem von der kulturellen Organisation der dänischen Minderheit, SSF, betriebenen „Danevirke-Museum“ Fundstücke aus dem Bereich der weltberühmten Wallanlagen zwischen Schlei und Treene zur Verfügung.

Einst deutsch-dänischer Zankapfel

Vor wenigen Jahrzehnten war die seit dem Frühmittelalter errichtete Wallanlage noch Gegenstand für deutsch-dänische Unstimmigkeiten. Das berichtet Lars-Erik Bethge, Chef des  „Danevirke-Museum“. Der Leiter der Einrichtung, die 2024 in einem Neubau im weit größeren Rahmen als bisher neu eröffnet wird, hat gerade sein neues Buch „Danevirke. Nationalisme, Nazisme og dans-tysk forsoning“ veröffentlicht.

Das Titelbild auf dem neuen Buch zeigt als Collage Motive aus der dänischen Danewerk-Mythologie und NS-Soldaten auf dem historischen Bauwerk. Foto: Danevirke-Museum

Die neue dänische Ausgabe des vor einiger Zeit in deutscher Sprache erschienenen Werkes zur Geschichte der Entdeckung, Erforschung und des Missbrauchs des historischen Ortes ist um Passagen erweitert worden, die an deutsch-dänische „archäologische Spannungen“ noch in den 1970er- und 1980er-Jahren erinnern, als Bemühungen gescheitert waren, eine gemeinsame museale Darstellung des Themas Danewerk zu realisieren.

Stoltenberg eckte mit schleswig-holsteinischem Haithabu an

Schleswig-Holstein setzte auf ein eigenes „Haithabu-Museum“ am Standort der einstigen Handelsmetropole am östlichen Ende des Danewerks. Dänische Akteure, so Bethge in seinem Buch, reagierten verstimmt auf eine Rede des damaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Gerhard Stoltenberg zum Auftakt des Museumsprojektes, weil dieser die Bedeutung des Danewerks als nationales dänisches Symbol übergangen hatte. Im Buch kann man lesen, dass Stoltenberg offenbar gar nicht klar war, in welches nationalpolitische Fettnäpfchen er geraten war, als er nur die Bedeutung des „internationalen“ Handelsplatzes für die Geschichte Schleswig-Holsteins unterstrichen hatte.

Wichtige Rolle in Epoche des Nationalismus

Dabei spielte der in Dänemark seit dem Aufkommen des Nationalismus im Königreich im 19. Jahrhundert mitunter zum Nationalheiligtum und Symbol des Anspruches auf das Herzogtum Schleswig aufgestiegene Wall eine Hauptrolle im Selbstverständnis. Die Erdarbeiten bewiesen durch „dänische“ Baumeister vor 1.500 Jahren, dass nationalistische Ansprüche auf Schleswig bis zur Eider im 19. und 20. Jahrhundert nicht in Zweifel gezogen werden dürften. Bethge erinnert daran, dass die wissenschaftliche deutsche und dänische Archäologie seit den 1960er-Jahren bereits viel weiter bei der Danewerk-Kooperation war als die damalige politische Szene.

 

Lars Bethge ist Leiter des Danevirke-Museums, das 2024 neu eröffnet wird. Foto: Tim Riediger / Flensborg Avis

Bethge liefert interessante Ausführungen zur Anziehungskraft „nordischer“ Mythologie und Frühgeschichte auf dänische Geistesgrößen wie Grundtvig ebenso wie auf deutsche Dichter und Denker wie Herder oder die Gebrüder Grimm. Die beiden Letztgenannten waren aber nicht an nationalistischen Initiativen beteiligt.

Stoff für NS-Kult

Es wird berichtet, dass in Deutschland Linien von völkisch-nationalistischer Selbstbeweihräucherung mit nord-germanischem Klamauk über die Kaiserzeit direkt zu Nazikult führten, der zum Erschauern der dänisch-nationalen Welt zu intensivem archäologischen deutschen Aufgraben des Bereiches entlang des Danewerks Anlass gab. Bethge berichtet über gute Drähte der auch nach dem Zweiten Weltkrieg teilweise noch angesehenen deutschen Archäologen zu Spitzenvertretern des NS-Regimes.

Bereits im Ersten Schleswigschen Krieg 1848-1850 wurde das Danewerk militärisch „reaktiviert". Das Foto zeigt, wie im Krieg 1864 der frühmittelalterliche Wall erneut überarbeitet wurde. Foto: Danevirke-Museum

So lieferte Chefarchäologe Herbert Jankuhn Material, mit dem sich die „Nazi-Germanen“ schmücken konnten. Der Leiter des Museums lässt auch nicht Kapitel wie die Eingriffe am Danewerk vor allem durch das dänische Militär im Ersten Schleswigschen Krieg 1848-1850 aus. Ebenso informiert er über Verwüstungen am archäologischen Denkmal in der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs beim Bau von Verteidigungsanlagen auf Befehl des zum Untergang geweihten Hitlerregimes.

Nazizeit sorgte für Grabungsboom im Danewerk 

So erfährt die Leserschaft, dass sich viele Strömungen des Bauwerks und des Symbols Danewerk bedient haben, das seit 2018 als Weltkulturerbe anerkannt ist. Ein Extra-Kapitel widmet Lars Erik Bethge dem dänischen selbst ernannten Archäologen Søren Telling (1897-1968), der bereits als junger Mann nach dem Ersten Weltkrieg als Freikorps-Soldat unter anderem in Estland gegen die Rote Armee kämpfte und später auch in der dänischen Nazibewegung tätig war, bis er ab 1938 in Schleswig-Holstein am Danewerk wirkte.

 

In der 1930er-Jahren wurden viele Grabungen durch Archäologen im und am Danewerk vorgenommen. NS-Größen wie Heinrich Himmler hofften dort auf Funde, mit denen sich der NS-Staat schmücken könnte. Es wurden während des Krieges auch Zwangsarbeiter eingesetzt. Foto: Danevirke-Museum

Dabei geht Bethge auch auf den Einsatz von Zwangsarbeitern und „Expeditionen“ der Archäologen des Hitler-Regimes in von Nazi-Truppen eroberten Gebieten Osteuropas ein, in der „germanische“ Fundorte den Expansionsdrang des Regimes untermauern sollten. Im Buch wird beschrieben, wie Telling, nach dem Zweiten Weltkrieg in einer Baracke am Wall lebend, gegen Zerstörungen des Danewerks aktiv war. Dort wurde in der Nachkriegszeit teilweise wild gebaut und landwirtschaftliche sowie neue militärische Nutzung von Flächen bedrohten die Fundstätten.. Tellings braune Vergangenheit wurde von national gesinnten Förderern in Dänemark übersehen.

Wohlwollen in Schleswig-Holstein

Auch konnte er noch auf Unterstützung durch deutsche Archäologen setzen, die er aus seinen Glanzzeiten während der NS-Zeit kannte. Im Buch ist auch Information zu finden, dass es in Schleswig-Holstein seit Jahren fast nur noch Wohlwollen gegenüber der dänischen Minderheit mit ihrem Wunsch gibt, am Danewerk ein eigenes Danewerkmuseum zu betreiben. So erwähnt Bethge die heute verbreitete Auffassung des Danewerks als gemeinsames Kulturerbe, dem die dänische Königin ungestört einen Besuch abstatten kann und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident gemeinsam mit dem Botschafter Dänemarks die Urkunde der Unesco überreicht, die den Titel Weltkulturerbe bezeugt. 

Das Buch ist reich illustriert, umfasst 180 Seiten und kostet 15 Euro oder 170 Kronen.  

 

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