Minderheitenpolitik

Sozialdienst: Ministerin zeigt die kalte Schulter

Sozialdienst: Ministerin zeigt die kalte Schulter

Sozialdienst: Ministerin zeigt die kalte Schulter

Kopenhagen/Apenrade
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Will an der Entscheidung der Sozialbehörde nicht rütteln: Sozialministerin Astrid Krag (Archivbild) Foto: Jens Dresling/Ritzau Scanpix

Die deutsche Minderheit kämpft um 350.000 Kronen für die soziale Arbeit. Das Geld stehe ihr zu, sagen auch Folketings-Politiker. Doch die Sozialministerin verweist auf Formalien – und übergehe somit internationale Konventionen, meint nicht nur der Sozialdienst-Vorsitzende.

Sozialministerin Astrid Krag (Soz.) hat es abgelehnt, dem Sozialdienst Nordschleswig wie bisher 350.000 Kronen für die Organisation seiner sozialen Arbeit zu bewilligen. Das steht nach einem Gespräch der Ministerin mit dem Folketingsabgeordneten der Radikalen Venstre, Nils Sjøberg, fest.

Das Geld hatte der Sozialdienst, ein Verband unter dem Dach des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN), auch 2018 und 2019 dafür beantragt, soziale Arbeit in der deutschen Minderheit im Rahmen der Strukturen eines dänischen Freiwilligencenters („Frivillighedscenter“) organisieren zu können.

Doch die Sozialbehörde strich für die Antragsteller überraschend die Bewilligung ersatzlos. Die Begründung: Der Sozialdienst erfülle nicht die formellen Bedingungen für die Förderung. Unter anderem wird kritisiert, dass der Verband seinen Service auf Deutsch anbietet und sich somit nicht an die gesamte Bevölkerung richte.

Ministerin geht nicht auf Minderheiten-Sonderstatus ein

Der Vorsitzende des Sozialdienstes, Gösta Toft, bezeichnet die 350.000 Kronen als entscheidend für die Arbeit des Verbandes. Krags Ablehnung kann er nicht nachvollziehen. „Das muss mangelndes Wissen, mangelnde Einsicht sein“, vermutet er.

Dabei hat Sjøberg eindringlich versucht, die Ministerin darüber aufzuklären, dass es sich beim Sozialdienst um einen Minderheitenverband handelt, für den laut internationalen und bilateralen Übereinkommen, die Dänemark ratifiziert hat, andere Spielregeln gelten müssten.

Der Koldinger Sjøberg, der als Vertretung für die in Elternzeit befindliche Lotte Rod im Folketing sitzt, hat der Ministerin kürzlich in einem persönlichen Gespräch im Namen der gesamten Radikale-Fraktion verdeutlicht, dass der Sozialdienst auf das Freiwilligkeitszentrum angewiesen sei, um die Arbeit der mehr als 30 Einrichtungen zu koordinieren.

Dem Gespräch vorausgegangen waren seit September fünf schriftliche und zwei mündliche Eingaben und Vorsprachen. Alles vergebens.

„Angesichts der Höhe des Betrages, der Dringlichkeit und der Erwartung, dass die Sozialministerin die Bonn-Kopenhagener Erklärungen, die Rahmenübereinkunft zum Schutz nationaler Minderheiten und die Sprachencharta respektiert, sollte das eine reine Formsache sein“, so Sjøberg zum „Nordschleswiger“.

In der Angelegenheit hat es, wie berichtet, seitens der Minderheit bereits Gespräche mit Experten des Europarats gegeben, die unter anderem die Sprachencharta überwachen, durch die sichergestellt werden soll, dass Minderheiten ihre Sprache ungehindert und gleichberechtigt nutzen können.

Nils Sjøberg (Archivbild) Foto: Anders Dohn Sonne

Nils Sjøberg

Nils Sjøberg erhielt bei der Folketingswahl im Juni 1.411 persönliche Stimmen – nach Lotte Rod das zweitbeste Ergebnis der Radikalen Venstre im Wahlkreis Südjütland. Derzeit vertritt er die Apenraderin im Folketing – Lotte Rod ist in Elternzeit.

Der 59-Jährige aus Kolding ist Chefredakteur der Magazine „Sundhed+" und „Magasinet Sundhed".

Er lebt seit 32 Jahren gemeinsam mit seiner Frau Else Marie in Kolding. Das Ehepaar hat zwei erwachsene Söhne. Seinerzeit hat Nils Sjøberg auch eine Ausbildung als Volksschullehrer gemacht und ist diplomierter Pädagoge.

Sjøberg: Ministerin irrt sich

„Ich denke, dass die Bonn-Kopenhagener Erklärungen an sich schon ausreichen sollten, die finanzielle Förderung durch die Sozialbehörde zu rechtfertigen“, so Sjøberg weiter. „Dass die Bonn-Kopenhagener Erklärungen darüber hinaus von der Rahmenübereinkunft zum Schutz nationaler Minderheiten und der Sprachencharta unterstützt werden, zeigt nur umso mehr, dass die Förderung berechtigt wäre. Deshalb bin ich der Meinung, dass die Ministerin sich irrt.“

Dem „Nordschleswiger“ stand Krag für einen Kommentar nicht zur Verfügung, ließ stattdessen auf die Sozialbehörde verweisen. Genau da sieht Toft aber das Problem, denn in der Verwaltung sei man sich erst recht nicht über die Bedeutung der Minderheitenkonventionen im Klaren.

Die Ministerin zeigte laut Sjøberg „keinen Willen, das Gesetz zu ändern“ oder „selbst die Initiative zu übernehmen, etwas zu tun, um dem Freiwilligkeitscenter des Sozialdienstes für Nordschleswig zu helfen“, berichtet er.

Stattdessen habe die Ministerin vorgeschlagen, dass der Sozialdienst doch Geld aus einem anderen Topf der Sozialbehörde beantragen soll, ließ aber offen, aus welchem.

„Das wäre Zeitverschwendung“, sagt Sjøberg. Der zweite Vorschlag der Ministerin: Der Sozialdienst solle sich ans Kulturministerium wenden. Die Minderheitenkonventionen würden jedoch im Sozialministerium genauso greifen wie im Kulturministerium, sagt Sjøberg. „Hier wird der Schwarze Peter an ein anderes Ministerium weitergeschoben.“

Gösta Toft (Archivbild) Foto: Cornelius von Tiedemann

Vorsichtiger Optimismus

Gösta Toft ist dennoch vorsichtig optimistisch, dass es doch noch ein kleines Happy End für die Minderheit geben kann. „Wir haben jetzt eigentlich alle Mittel ausgeschöpft, die uns zur Verfügung stehen. Doch jetzt nehmen sich die Parteien des Folketings der Sache an“, berichtet er und setzt darauf, dass die Radikalen nicht die einzige Fraktion bleiben, die die Sache der Minderheit unterstützen.

Schließlich gebe es die Tradition, dass in der Minderheitenpolitik keine parteipolitischen Unterschiede gemacht werden.

Nach Informationen des „Nordschleswigers“ gibt es tatsächlich erste Anzeichen dafür, dass sich eine fraktionsübergreifende Zusammenarbeit dafür formiert, den Sozialdienst direkt in den dänischen Haushalt für das kommende Jahr aufzunehmen.

Sollte dies geschehen, wäre das Geld zumindest für ein Jahr gesichert. Eine langfristige Lösung wäre es aber nicht – und daran, dass die Entscheidung von Sozialbehörde und Ministerin „de facto“, wie Toft es ausdrückt, den Konventionen widerspricht, würde das auch nichts ändern.

Braucht die Minderheit also auch in Kopenhagen einen dezidierten Minderheitenbeauftragten, wie ihn die Regierungen in Berlin und Kiel als Ansprechpartner und „Anwalt der Minderheiten“ installiert haben? Der Hauptvorsitzende des BDN, Hinrich Jürgensen, hatte das kürzlich am Rande des Deutschen Tages in Tingleff ins Gespräch gebracht.

„Ich denke, dass die Minderheit einen Anspruch darauf hat, auf Christiansborg gehört zu werden“, sagt Sjøberg, der die Idee als „gut“ bezeichnet – und fährt fort: „Solange es keinen dezidierten Minderheitenbeauftragten gibt, bin ich gerne dazu bereit, die völlig legitimen Forderungen der Minderheit vorzubringen.“

 

 

 

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