Krieg in der Ukraine

„So schlimm wird es nicht kommen“

„So schlimm wird es nicht kommen“

„So schlimm wird es nicht kommen“

Apenrade/Nordschleswig
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Der Folketingsabgeordnete Christian Juhl von der Einheitsliste und Jan Diedrichsen, ehemaliger Vorsitzender der Gesellschaft für bedrohte Völker, diskutierten in Apenrade unter der Leitung von Büchereidirektorin Claudia Knauer den Krieg in der Ukraine. Foto: Gwyn Nissen

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Wie ist die Lage in der Ukraine einzuschätzen? Beim Politischen Forum der Bücherei und der Schleswigschen Partei wurde Position bezogen.

Überwältigend, erdrückend, erschlagend.

Jan Diedrichsen, ehemaliger Vorsitzender der Gesellschaft für bedrohte Völker, und früher Sekretariatsleiter der deutschen Minderheit in Kopenhagen, konnte seine Verachtung über das Verbrechen von Putins Russland an die Ukraine nicht unterdrücken, als der Krieg in der Ukraine am Mittwochabend im Mittelpunkt einer Diskussion in der Bücherei in Apenrade (Aabenraa) stand.

Die Zentralbücherei der deutschen Minderheit hatte gemeinsam mit der Schleswigschen Partei zum Politischen Forum eingeladen. Der Krieg sei vor unserer Haustür, so Büchereidirektorin Claudia Knauer in ihrer Einleitung: „Nein, der Krieg ist sogar bei uns im Haus“, korrigierte sie sich selbst. Die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine seien schon hier.

Über 30 Zuhörer vernahmen zunächst Jan Diedrichsens Einschätzung der aktuellen Lage. Vor einigen Wochen hatte eine Bekannte aus der Ukraine noch gesagt: „So schlimm wird es doch nicht werden.“

Mutige Ukrainerinnen und Ukrainer

Heute sei man schlauer. Putin habe mit seinem Angriffskrieg das Völkerrecht verletzt, so Jan Diedrichsen, der den Mut der Ukrainerinnen und Ukrainer bewundert, aber auch den Russinnen und Russen Respekt zollte, die heute in Russland unter Androhung langer Gefängnisstrafen auf die Straße gehen, um gegen den Krieg zu protestieren.

Für Jan Diedrichsen sei das Horrorszenarium, dass Putins Russland nicht bei der Invasion der Ukraine stoppt, sondern auf dem Balkan einen neuen Flächenbrand entfacht.

Über 30 Zuhörerinnen und Zuhörer nahmen an der Ukraine-Debatte teil. Foto: Gwyn Nissen

Diedrichsen: „Europa muss sich wehren können“

Es seien in Verbindung mit dem Krieg noch viele offene Fragen, aber eins sei sicher, so Jan Diedrichsen: Die Demokratie in Europa müsse wehrhaft werden. Dies sei durch eine stärkere Zusammenarbeit in der EU in Kooperation mit der Nato möglich.

„Wie es enden wird, wissen wir nicht, aber die Bedrohung ist real“, sagte Jan Diedrichsen, der nur wenig Positives aus der augenblicklichen Situation ziehen konnte.

Als zweiten Referenten hatten Bücherei und SP Christian Juhl von der politisch linken Einheitsliste im Folketing gewinnen können. Juhl ist öfter bei der deutschen Minderheit zu Besuch, zumal er Vorsitzender des Südschleswig-Ausschusses für die dänische Minderheit, aber auch Mitglied des Kontaktausschusses im Folketing für die deutsche Minderheit ist.

Christian Juhl nicht in Feierlaune

Diesmal sei er allerdings nicht zum Feiern hier, so Christian Juhl, der ähnlich wie Jan Diedrichsen die Invasion Russlands verurteilte. Er sei schockiert, zumal er auch zu denen gehört habe, die nicht an eine Invasion Putins geglaubt hatten.

„Wir müssen verlangen, dass Russland seine Truppen aus der Ukraine zurückzieht und den Krieg einstellt“, sagte Christian Juhl, der jedem Versuch eines Dialogs Tribut zollt.

„Eines ist uns deutlich gezeigt worden: Die Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Wir müssen jeden Tag dafür kämpfen. Aber dass wir in Europa mit Waffen dafür kämpfen müssen, damit hatte kaum jemand von uns gerechnet”, so Juhl.

Christian Juhl und Jan Diedrichsen vor der Ukraine-Debatte im Gespräch mit Bücherei-Direktorin Claudia Knauer und dem Bücherei-Vorsitzenden Peter Asmussen (im Hintergrund). Foto: Gwyn Nissen

Den Blick nach vorne richten

Juhl war vor Kurzem ins Fadenkreuz der Kritik geraten, als er scheinbar der Ukraine eine Mitverantwortung für die Krise zugesprochen hatte. Er stellte jedoch klar, dass Putin der Aggressor sei, der allein für den Krieg verantwortlich sei.

Christian Juhl warf allerdings auch einen Blick nach vorne – auf die Zeit nach dem Krieg. Man habe nicht nur eine Verantwortung, sich in den Konflikt einzuschalten, sondern müsse auch Bemühungen anstellen, um aus der Krise zu kommen.

Laut dem Folketingsabgeordneten gehe dies nicht allein über eine Stärkung des Militärs.

„Man kann mich gerne als naiv bezeichnen, aber wir müssen als Nachbarn mit weniger Waffen auskommen“, sagte Juhl und zitierte die Professorin Eva Smith, man müsse sich auch die Frage stellen, ob man genug getan habe, um den Konflikt zu verhindern.

„Es ist nicht sicher, dass wir etwas hätten ändern können. Aber wir müssen uns die Frage stellen“, so Juhl.

Kurzkommentare aus Nordschleswig

In zwei Kurzkommentaren vor der eigentlichen Diskussionsrunde erklärte Gösta Toft, Vizepräsident der europäischen Minderheitenorganisation FUEN (Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten), dass es in der Ukraine in den vergangenen Jahren eine positive Entwicklung für die Minderheiten gegeben habe. Nicht problemlos, aber dies müsse man dennoch berücksichtigen, meinte Toft und wies damit die Argumente von Wladimir Putin zurück.

„Hätte eine stärkere Berücksichtigung der russischen Minderheit in der Ukraine etwas an der jetzigen Situation geändert? Ich glaube nicht – es ist ein vorgeschobenes Argument von Putin“, so Toft – es gebe ganz andere Gründe für die russische Invasion.

Schließlich stellte sich Carsten Leth Schmidt, Vorsitzender der Schleswigschen Partei, auf die Seite von Jan Diedrichsen. Europa müsse sich wehren können, und dazu gehöre auch, dass der dänische EU-Vorbehalt gegen die militärische Zusammenarbeit aufgegeben wird.

„Wir müssen die Bündnisse machen können, die nötig sind, um gemeinsam Macht zeigen zu können“, so Leth Schmidt.

 

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