Leitartikel

„Vorbeugender Katastrophenschutz nötig“

Vorbeugender Katastrophenschutz nötig

Vorbeugender Katastrophenschutz nötig

Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Auch in Dänemark müssen Konsequenzen aus den jüngsten Überschwemmungskatastrophen in Deutschland gezogen werden. Nordschleswig ist aufgrund des Klimawandels zunehmenden Gefahren ausgesetzt, so „Nordschleswiger“-Redakteur Volker Heesch.

Die Schreckensnachrichten aus den Überschwemmungsgebieten in Deutschland mit Bildern zerstörter Dörfer, Städte und Verkehrsanlagen und die hohe Zahl an Todesopfern haben auch viele Menschen in Dänemark erschüttert. Königin Margrethe hat in einem Beileidsschreiben an den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier ihr Mitgefühl zum Ausdruck gebracht. Vielen Menschen in Dänemark sind die Mittelgebirgslandschaften und Flusstäler, die jetzt teilweise verwüstet daliegen, von Reisen her bekannt. 

So wie in Deutschland haben auch in Dänemark die neuesten Überschwemmungs-Ereignisse die Debatte um Klimawandel und Klimaschutz angeheizt. Die Professorin für Design und Stadtlandschaften an der Universität Kopenhagen, Marina Bergen Jensen, erwartet nicht, dass Dänemark im gleichen Umfang wie Deutschland von Überschwemmungen verwüstet werden kann. Gegenüber „Jyllands-Posten“ meinte sie, dass es in Dänemark nicht so große Flussysteme gebe wie in Deutschland. Viele Städte und Kommunen, vor allem auch Kopenhagen, hätten Maßnahmen zur Klimasicherung eingeleitet.

Beim Verband „Danske Beredskaber“, in dem sich die kommunalen Einsatzeinrichtungen organisiert haben, mahnt Sekretariatschef Bjarne Nigaard allerdings, dass auch in Dänemark zusätzliche Ausrüstung für Überschwemmungsnotfälle angeschafft werden müsse.

Das Thema Überschwemmungsgefahren und deren Abwehr zählt an der Wattenmeerküste Nordschleswigs seit Jahrhunderten mindestens ebenso zur regionalen Geschichte wie das Wirken von Herzögen und Königen. Sind dort doch verheerende Sturmfluten mit sehr vielen Opfern im kollektiven Gedächtnis geblieben.

Heute zeigt sich, dass fast 100 Jahre nach der wasserbaulichen Umgestaltung der Tonderner Marsch gerade auch der unbestreitbare Klimawandel die Marschen vor neue Herausforderungen stellt. Es müssen neben den Seedeichen, die auf höhere Wasserstände in den Meeren eingerichtet werden müssen, vor allem zunehmende Wassermassen aus dem Hinterland durch die Niederungen geleitet und in die See entwässert werden.

Neben häufigeren Starkregenfällen, die laut Wissenschaft durch Klimaerwärmung verursacht werden, spielt auch eine Rolle, dass seit Jahrzehnten immer größere Flächen „versiegelt“ worden sind, durch Ausdehnung der Siedlungen, immer mehr Verkehrsflächen von Autobahnen bis zu gepflasterten Garagenauffahrten oder auch „Kultivierung“ von Feuchtniederungen und Mooren.

In Nordschleswig gab es vor 14 Jahren im Bereich Gravenstein (Gråsten) und Atzbüll (Adsbøl) einen Wolkenbruch, der innerhalb sehr kurzer Zeit 150 Millimeter Regen auf die Erde prasseln ließ. Dort wurden Straßenbrücken fortgespült und der Damm der Eisenbahnlinie Gravenstein-Sonderburg durch den kleinen Fiskbæk schwer beschädigt. Der kleine Wasserlauf hatte sich in wenigen Minuten in einen reißenden Strom verwandelt. Auch die Wiedau in Nordschleswig, einer der wasserreichsten Wasserläufe in Dänemark mit einem Einzugsgebiet von fast 140 Quadratkilometern, konnte erst nach Jahrhunderten „gebändigt“ werden und ist seit Jahren Gegenstand von Renaturierungen und Klimaanpassungsmaßnahmen in Hoyer (Højer) und Tondern (Tønder). Wobei es darum geht, Regenwasserleitungen mit größeren Kapazitäten zu verlegen, aber auch Schäden in Wohngebieten und Gewerbebereichen vorzubeugen. Zu erinnern sei an Überschwemmungen in Tondern, die drohten, Industrie- und Lagerhallen unter Wasser zu setzen. Millionenschäden konnten durch Einsatz von Pumpen des Technischen Hilfswerkes (THW) aus Nordfriesland gerade noch verhindert werden.

Die Schäden bei Gravenstein vor über einem Jahrzehnt, wo ein Eisenbahnzug nur knapp einer Entgleisung auf der unterspülten Strecke entgangen war, mahnen, dass auch in unserem Land ohne größere Berge und Flüsse unerwartet entfesselte Naturgewalten gefährliche Zerstörungen anrichten können. So sollte nicht vergessen werden, dass gerade Städte an der Ostseeküste bei jüngsten Berichten über Sturmflutgefahren als mögliche Brennpunkte genannt wurden. Und es sollte vor allem auch bedacht werden, dass in der modernen digitalisierten Welt Dänemarks auch die Technik an ihre Grenzen stößt. So konnten leider in den deutschen Katastrophengebieten Warnungen nicht zu den Menschen vordringen, weil in weiten Landstrichen die Mobilfunknetze nicht mehr funktionierten.

Erforderlich ist Vorsorge, indem Siedlungen, Deiche verstärkt, aber auch ungefährliche Überflutungsflächen geschaffen werden, was oft mit Renaturierungsprojekten verknüpft werden kann.  

Mehr lesen