Leitartikel

„Geteiltes Dänemark“

Geteiltes Dänemark

Geteiltes Dänemark

Kopenhagen/Apenrade
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Der Waren-Transport wird ab 2025 Versuchskaninchen für kilometerabhängige Straßensteuern. Danach sind die Autobesitzer dran – aber das darf nicht zulasten der Einwohner auf dem Land geschehen, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Die grüne Umstellung kommt nicht von allein – es gehöre dazu politischer Mut, sagte Verkehrsminister Benny Engelbrecht, als die Regierung Anfang des Monats eine klimafreundliche Transport-Absprache mit ihren politischen Stützen vom linken Flügel präsentieren konnte.

Mitte des Jahres hatte es noch eine breitere Klimaabsprache gegeben, an der auch die bürgerlichen Parteien beteiligt waren, doch am Ende setzte die Regierung doch ihren roten Stempel auf den Transportbereich, wo die E-Mobilität angeschoben wird.

Dabei ist die Transportpolitik traditionell ein Bereich, in dem die Folketingsparteien sich auf eine breite Zusammenarbeit einigen können. Doch den Sozialdemokraten werden diese Absprachen zu bunt, und stattdessen folgen wechselnde sozialdemokratische Regierungen zunehmend ihrer ideologischen Überzeugung.

Das war unter der Regierung von Helle Thorning-Schmidt mit dem Zug-Fonds der Fall, als Steuern aus der Ölförderung für eine Verbesserung des Schienenverkehrs sorgen sollten (aufgrund der fallenden Ölpreise konnte dies nur bedingt durchgeführt werden). Nun scheinen die Sozialdemokraten im zweiten Versuch ihren heißesten Wunsch erfüllt zu bekommen, nämlich eine kilometerabhängige Straßensteuer, das sogenannte Roadpricing.

Beim Roadpricing wird für jeden gefahrenen Kilometer bezahlt. Noch ist das System nicht ausgereift, doch ab 2025 sollen dänische und ausländische Lkws auf den dänischen Straßen so ihre Steuern abrechnen. Ein gerechteres System, so die Regierung, weil Lkws aus dem In- und Ausland das Gleiche bezahlen und weil je nach Länge der Fahrt bezahlt wird.

Man braucht nicht lange zu analysieren, dass, wenn das System funktionieren sollte, in einigen Jahren auch die Autobesitzer dran sind. Hoffentlich weiß Benny Engelbrecht dann auch, wo er gewählt ist, nämlich in der Provinz. Dort wo es keine Stadtbusse gibt, keine Metro alle zwei Minuten und keine S-Bahnen, die im 10-Minuten-Takt fahren.

Er kommt aus einer Gegend, in der der nächste Bus manchmal erst Stunden oder gar einen Tag später fährt – wenn überhaupt. Deshalb haben Familien in Nordschleswig, Nordjütland oder Westjütland oft zwei Autos – oder gar drei, wenn Vater Richtung Norden zur Arbeit muss, die Frau in südliche Richtung fährt, wahrend die Teenager das Gymnasium ganz woanders besuchen.

Das ist die Realität in großen Teilen Dänemarks. Deshalb hat Benny Engelbrecht hoffentlich auch den Mut, die Klimarechnung von allen begleichen zu lassen – und nicht nur von Provinz-Dänemark, wo die Abstände natürlich größer sind als in den Metropolen.

Sonst entsteht ein geteiltes und ungerechtes Dänemark, denn die Mobilität ist eine Voraussetzung dafür, dass Dänemark auch außerhalb der großen Städte mit Leben gefüllt wird.

 

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