Leitartikel

„Gesundheitsreform: Gute Absichten, entscheidend Ergebnisse“

Gesundheitsreform: Gute Absichten, entscheidend Ergebnisse

Gesundheitsreform: Gute Absichten, entscheidend Ergebnisse

Apenrade/Aabenraa
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Nach der Einigung zwischen Regierung und den Folketingsfraktionen sieht „Nordschleswiger“-Redakteur Volker Heesch viele gute Zielsetzungen für eine bessere medizinischen Versorgung. Doch es bleiben Fragen, ob es gelingen wird, nach der Zentralisierung in Regionen wie Nordschleswig die Erwartungen hinsichtlich ärztlicher Fürsorge zu erfüllen.

Bereits im Kommunalwahlkampf 2021 hat Gesundheitsminister Magnus Heunicke (Soz.) erste Vorschläge für eine groß angelegte Reform des seit Jahrzehnten von Personal- und Kapazitätsengpässen geprägten dänischen Gesundheitssystems präsentiert. Als Kernstück wurde die Einrichtung von Nahhospitälern angekündigt.

Damit reagierte die Regierung auf die Problematik, dass nach dem Trend der Dezentralisierung der Krankenhäuser seit rund 20 Jahren mit milliardenteuren „Superkrankenhäusern“ und der Schließung angeblich ineffizienter und inkompetenter kleinerer Kliniken immer mehr Patientinnen und Patienten selbst zu kleinen Eingriffen, Untersuchungen oder zur Nachsorge mitunter zu langen Anfahrten verdammt worden sind. Im Herbst 2021 konnte die Region Süddänemark, die auch für das Krankenhauswesen in Nordschleswig zuständig ist, darauf hinweisen, dass man in Eigenregie beispielsweise in Tondern schon ein Nahhospital mit einem breiten Spektrum ambulanter Behandlungen eingerichtet hatte.

Erinnert wurde auch daran, dass Region und Kommunen ihre Zusammenarbeit verbessert hätten, damit Patientinnen und Patienten angesichts der kommunalen Zuständigkeit auch im Bereich der Gesundheitspflege nicht zum Spielball zwischen den verschiedenen Ebenen der Systeme werden. Im März dieses Jahres wurde schließlich ein konkreteres Reformprogramm vorgelegt. Während es damals weniger darum ging, die bürgernahe Gesundheitsversorgung zu stärken, sorgten die Zielsetzungen für Schlagzeilen, den Menschen in Dänemark ganz das Rauchen abzugewöhnen und den im europäischen Vergleich besonders alkoholdurstigen Jugendlichen künftig den Genuss „geistiger Getränke“ erst ab 18 Jahre zu gestatten.

Ebenfalls angekündigte „Qualitätspläne“ für die Gesundheitsversorgung haben jetzt auch Eingang in die überparteiliche Gesundheitsreform gefunden, für die laut politischer Vereinbarung allein 4 Milliarden Kronen zum Ausbau der Nahhospitäler und 2,8 Milliarden für eine bessere Versorgung chronisch kranker Bürgerinnen und Bürger bereitgestellt werden sollen. Ein Schwergewicht der jetzt beschlossenen Reform liegt im Bereich der Verbesserung der Personalversorgung.

Ebenso wie vermutlich die Patientinnen und Patienten, die darum bangen, dass ihre angestammte hausärztliche Praxis auch in den kommenden Jahren noch existiert, begrüßt der Verband der dänischen Ärztinnen und Ärzte die Ankündigung, dass mit der Reform die Weichen für mehr niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, vor allem auch mit fachärztlichen Praxen, gestellt werden. Bis 2035 sind 6.500 Fachärztinnen und -ärzte mit der Fachrichtung Allgemeinmedizin vorgesehen. Allerdings fordert die Vorsitzende des Ärzteverbandes, Camilla Noelle Rathke, weitere politische Entscheidungen, um die Engpässe in den medizinischen Fachrichtungen Psychiatrie, Neurologie, Geriatrie, Radiologie und Lungenheilkunde zu beseitigen.

Dabei wird an Herausforderungen durch die ständig alternde Gesellschaft erinnert. Die Ärzteschaft sieht auch Chancen, im Rahmen der Reform die Forderung zu erfüllen, dass landesweit die medizinische Versorgung in gleich guter Qualität zur Verfügung steht. Das ist wichtig, um den Trend der Entvölkerung vieler Landesteile zu bremsen. Erwähnt wird, dass neben der personellen Stärkung des Gesundheitswesens, das in den vergangenen Jahren auch von Arbeitskämpfen aufgrund unerfüllter Lohnforderungen erschüttert wurde, der derzeit teilweise mangelhafte Gesundheitseinsatz der Kommunen durch Verpflichtungen überall auf ein gleich gutes Niveau getrimmt werden soll. Vorgesehen ist, dass künftig möglichst eine Ärztin oder ein Arzt bei einer Behandlung für einen einzelnen oder eine einzelne Patientin zuständig sein soll. 

Gestärkt werden sollen die Rechte der Patientinnen und Patienten, ein wichtiger Aspekt angesichts der ständigen Medienberichte über skandalöse Versäumnisse einzelner Krankenhäuser mit teils traurigen Folgen für Patientinnen und Patienten. Die politische Szene auf Christiansborg hat sich sicher mit besten Absichten auf die Reform verständigt. Gesundheitsminister Heunicke hat nach der Einigung erklärt, dass es weitere Verhandlungen zum Thema vorbeugender medizinischer Einsatz geben soll. Denn dieser Bereich ist bisher noch nicht in der Reform enthalten.

Aus der linken Einheitsliste meckert bereits deren gesundheitspolitischer Sprecher, dass die Reform keine Aussagen hinsichtlich der Verbesserung des Lohnniveaus des Gesundheitspersonals enthalte. Venstre und Dänische Volkspartei nennen die Reform eher ein Reförmchen, während bei den Sozialdemokraten von einer historischen Einigung die Rede ist. Es ist zu vernehmen, dass sich Dänemark der nächsten Folketingswahl nähert.

Doch ist es erfreulich, dass es gelungen ist, bei einem so wichtigen Thema wie der Gesundheitspolitik jetzt eine breite Einigung zu erzielen. Aberh letztlich wird es in den kommenden Jahren darum gehen, die angekündigten Reformergebnisse zu erreichen. So wie bisher kommt es im Gesundheitswesen außer auf moderne Medzintechnik, neue und immer teurere Medikamente und der Digitalisierung auch von Behandlungsangeboten weiter auf menschliche Zuwendung und Nähe an.

Es dürfen bei den Bürgerinnen und Bürgern angesichts der hohen Kosten der Gesundheitsversorgung keine zu hohen Erwartungen geweckt werden. Ebenso sollte nicht vergessen werden, dass trotz ständiger Berichte über Mängel und Skandale im medizinischen Sektor dort jede Menge tüchtiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Tag für Tag für die Bevölkerung ihr Bestes tun.   

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