Leitartikel

„Die dänische Regierung will Europa mit Beton und Stacheldraht“

Die dänische Regierung will Europa mit Beton und Stacheldraht

Dänische Regierung will Europa mit Beton und Stacheldraht

Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Die Zaunteile, die Dänemark an Litauen liefert, waren für die dänisch-deutsche Grenze eingekauft worden. Jetzt sollen sie Menschen in Not im Osten fernhalten. Ein politisch-moralisches Armutszeugnis, meint Cornelius von Tiedemann.

Anfang September hat Ausländer- und Integrationsminister Mattias Tesfaye mitgeteilt, die Regierung habe beschlossen, 15 Kilometer Stacheldrahtzäune an Litauen zu verkaufen, um die litauische Grenze gegen eine stark steigende Zahl von Flüchtlingen und Migranten abzuriegeln. Der Grund, so Tesfaye: Es soll „den Zustrom nach Dänemark begrenzen“.

Die Aktion zeigt einmal mehr, dass die Priorität der Europapolitik dieser Regierung vorrangig darin besteht, die europäischen Strukturen zu nutzen, um Innenpolitik zu betreiben.

Tesfaye will mit seiner Stacheldraht-Aktion im wahrsten Sinne des Wortes untermauern, dass die Außengrenzen der EU mit harten Barrieren gefestigt werden sollen.

Dänemark geht hier also einmal mehr mit schlechtem Beispiel voran und stellt sich seiner besonders inhumanen Linie als Vorreiter in der europäischen Sicherheits- und Migrationspolitik dar. Weitere Elemente sind die Politik der Rückführung bzw. Abschiebung von Menschen und die Härte in der Einwanderungs- und Asylpolitik insgesamt.

Tesfaye (und somit die Regierung) will sich nun dafür einsetzen, dass die EU insgesamt Mittel bereitstellt, um Eiserne Vorhänge wie den an der litauisch-weißrussischen Grenze zu finanzieren. Dazu verbündet sich die dänische Regierung mit EU-Ländern, die sich der solidarischen Flüchtlingspolitik der EU verweigern und sieht einen „immer besseren Dialog“.

Dänemarks Beitrag zur europäischen Flüchtlingspolitik besteht derzeit also unter anderem darin, Zäune zu liefern und sich für mehr Zäune einzusetzen. Zäune wohlgemerkt, die als Schutz vor Menschen in Not aufgestellt werden.

Die dänische Sozialdemokratie hat sich unter Mette Frederiksen und ihrem ehemaligen Chefideologen Henrik Sass Larsen schon längst von der internationalen Solidarität verabschiedet und diese auf eine Art und Weise in ihr Gegenteil verkehrt, wie es einst der DF-Pastor Søren Krarup mit dem Gebot der Nächstenliebe getan hat, um den Nationalismus und die christliche Lehre miteinander in Einklang zu bringen. Seine Tochter, die Abgeordnete Marie Krarup, formulierte es einmal so: „Ein syrischer Flüchtling ist nicht mein Nächster.“

Dieses selbstgenügsame Weltbild zeugt von politisch-moralischer Verkommenheit, die einer fantastisch kreativen und aufgeklärten Gesellschaft wie der dänischen schlicht nicht gerecht wird.

So, wie die Menschen, die in der Hoffnung auf ein Leben in Frieden oder auch in angemessenem Wohlstand nach Europa kommen, es verdient haben, mit Menschlichkeit und Anstand empfangen und behandelt zu werden – selbst wenn am Ende die Ausreise steht –, so haben es die Menschen in Dänemark verdient, dass ihre Regierung nicht Angst und Unmut der Menschen in Dänemark schürt, sondern ihre Stärken auch nach außen hin ins Spiel bringt: Auf menschliche Weise konstruktive und innovative Lösungen zu finden, die Dinge vorbehaltlos anzugehen und das Ganze mit großem Gemeinschaftssinn.

Über Grenzen hinweg – und ohne Mauern oder Stacheldraht in den Köpfen. Stacheldraht übrigens, den die dänische Regierung einst eingekauft hat, um ihn an der Grenze zu Deutschland aufzustellen. Nun steht er in Litauen. Doch macht es das besser?

Mehr lesen

Leitartikel

Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
„Wenn Minderheiten als Gefahr für andere dargestellt werden“