Leitartikel

„Ein Datenloch im Gedächtnis“

Ein Datenloch im Gedächtnis

Ein Datenloch im Gedächtnis

Nordschleswig
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Die lokalhistorischen Archive in Dänemark können ihrer Arbeit nicht richtig nachgehen, weil der Datenschutz ein Hindernis darstellt. Dafür ist unser geschichtliches Erbgut aber eine viel zu wichtige Sache, als dass historisches Material nicht aufbewahrt werden darf, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Die DSGVO – oder die Datenschutz-Grundverordnung – ist 2018 von der EU zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger eingeführt worden. Im Großen und Ganzen ist dies eine gute und notwendige Sache, denn wir müssen heute davon ausgehen können, dass gewissenhaft mit unseren Daten umgegangen wird.

Die DSGVO (oder im englischen General Data Protection Regulation – GDPR) und die damit verbundene Datensicherheit macht aber auch Schwierigkeiten. So hadern die ehrenamtlich Tätigen der lokalhistorischen Archive derzeit mit den strengen Regeln, die bedeuten, dass zum Beispiel auch bei historischen Fotos das Einverständnis der gezeigten Personen eingeholt werden muss – auch bei Klassen- oder Gruppenfotos muss jede Einzelne gefragt werden.

Die dänische Datenaufsicht – Datatilsynet – hat laut „JydskeVestkysten“ noch keine Bußgelder ausgestellt, aber die Mitarbeiter der Archive sind dennoch verunsichert. Schon jetzt weisen sie mögliches Archivmetrial ab, um nicht in Teufels Küche zu kommen.

Das Problem: Die DSGVO ist in das dänische Archivgesetz eingearbeitet worden. Dabei haben Beamte und Politiker die Archiv-Problematik vor Augen gehabt, denn staatliche und andere offizielle Archive und Museen, dürfen geschichtliches Material lagern – ohne zu fragen.

Dabei dreht es sich aber nur um einen Bruchteil des dänischen geschichtlichen Erbguts – und zwar vor allem, was sich auf einem übergeordneten, nationalem Niveau bewegt.

Die lokalhistorischen Archive sind dagegen unser örtliches Gedächtnis. Was hier und jetzt für einige uninteressant sein mag, ist in 20, 50 oder 100 Jahren wichtig, um unsere Geschichte und damit unser Leben einzuordnen – in der Stadt und in den Dörfern.  

Die mehr als 500 lokalhistorischen Archive in Dänemark machen schon seit drei Jahren auf das Problem aufmerksam, sind einer Lösung aber nicht näher gekommen. In der Zwischenzeit ist der Minister gewechselt worden, und so hat die Venstre-Abgeordnete Eva Kjer Hansen nun auch den neuen Justizminister, Mattias Tesfaye (Soz.), in Szene gesetzt.

Es muss was getan werden.

Natürlich müssen auch die lokalhistorischen Archive mit unseren Daten und Informationen über unser Leben sorgsam und verlässlich umgehen.

Es ist aber eine falsche Entscheidung, dies über ein De-facto-Verbot zu tun. Stattdessen sollte man Regeln einführen, die teils von den Archiven zu handhaben sind und teils auch die Datensicherheit der einzelnen Personen gewähren.

Das ist bestimmt kein leichter Spagat, aber es geht hier schließlich um unsere Geschichte, und ein Gut, dass nicht im schwarzen Datenloch verschwinden darf.

 

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