Kunst

Eine Statue für die Welt

Eine Statue für die Welt

Eine Statue für die Welt

Annie Lander Laszig
Kopenhagen/Nordschleswig
Zuletzt aktualisiert um:
Die Vor Frue Kirke in Kopenhagen – die Domkirche der Hauptstadt. Foto: Jakob Faurvig

Ein neues Buch widmet sich der Christusstatue des weltberühmten dänischen Bildhauers Bertel Thorvaldsen.

Das Jahr 2020 war nicht nur das Gedenkjahr zum 100. Geburtstag der neuen Grenzziehung zwischen Dänemark und Deutschland („Genforening“), sondern auch für den 250. Geburtstag Bertel Thorvaldsens, eines international gefeierten Künstlers. Aber leider fielen auch hier viele Veranstaltungen der Corona-Pandemie zum Opfer.

Kurz vor Weihnachten erschien das umfassende Buch „Kristus – Thorvaldsens staue i Vor Frue Kirke“ von der Kunsthistorikerin und zugleich Oberinspektorin am Thorvaldsens Museum, Margrethe Floryan. Es ist das erste größere Werk über Bertel Thorvaldsen als Kirchenkünstler.

Auf 544 Seiten wird spannende dänische und internationale Kunstgeschichte erzählt, alles mit Blick auf die Christusstatue. Der weltberühmte dänische Bildhauer Bertel Thorvaldsen (1770-1844) lebte über 40 Jahre lang in Rom (1797-1838) und war hier auch eine Schlüsselfigur im deutschen Milieu.

Berühmte Christus-Statue

Die Christus-Statue ist die wohl bekannteste Christus-Statue der Welt, 345 cm hoch. Reproduktionen gibt es weltweit von ihr wie auch von Edvard Eriksens Kleiner Meerjungfrau an der Langelinie. Sicherlich sind beide auch die am meisten fotografiertesten Motive in Kopenhagen. Außerdem gibt es in vielen Ländern Reproduktionen der Christus-Statue in Kirchen, auf Friedhöfen und in vielen privaten Haushalten. 

Zu Lebzeiten Thorvaldsens brannten das zweite Christiansborg Schloss und die Schlosskirche 1794 nieder, und dem englischen Bombardement 1807 fiel die Frauenkirche (Vor Frue Kirke), wo sich heute der Dom von Kopenhagen befindet, zum Opfer. 

Die Kirche spielte eine wichtige Rolle in Kopenhagen. Im Jahr 1363 heiratete dort Margarethe I. den Norwegerkönig Haakon VI., und ab 1449 bis 1648 wurden die dänischen Monarchen in der Frauenkirche gekrönt.

Auch haben dort Trauerfeiern für berühmte dänische Persönlichkeiten stattgefunden, so z. B. für Bertel Thorvaldsen 1844, 1855 für Søren Kierkegaard und 1875 für Hans Christian Andersen. Am 14. Mai  2004 fand dort die Trauung von Kronprinz Frederik und Mary statt.

Wiederaufbau der Schlosskirche

Der dänische Architekt und königlich-dänische Oberbaudirektor Christian Frederik Hansen bekam die Aufträge für den Wiederaufbau des Schlosses und der Schlosskirche, für den Neubau der Frauenkirche und dazu den Neubau des Rats- und Domhauses auf dem Neumarkt. Thorvaldsen wurde für alle drei Bauprojekte mit der künstlerischen Innenausstattung beauftragt.

C. F. Hansen war da schon ein bekannter Baumeister in Altona, Lübeck und Schleswig Holstein, wo er 1805 zusätzlich zum Landbaumeister des Herzogtums Schleswig ernannt war. In Schleswig-Holstein schuf er das Rathaus in Neustadt und die Vicelinkirche zu Neumünster, die als eine der bedeutendsten klassizistischen Kirchenbauten Schleswig-Holsteins bekannt ist. Außerdem stammt auch die St. Marienkirche in Husum von ihm. Er war der bedeutendste Architekt in Dänemarks Goldenem Zeitalter.

Ein weiteres Werk Thorvaldsens in der Vor Frue Kirke in Kopenhagen. Foto: Jakob Faurvig

Christiansborg – ein Gesamtwerk

 

Die Frauenkirche wurde nach dem Bombardement nach den Plänen von C. F. Hansen neu im klassizistischen Stil aufgebaut. Für Thorvaldsen folgte eine Bestellung einer Christus-Figur für die Schlosskirche Christiansborg und eine Bestellung von 12 Aposteln für die Frauenkirche.

Am Pfingstsonntag 1829  wurde die Frauenkirche eingeweiht. Die Werke von Thorvaldsen in der Kirche sind so zahlreich (fast 30 Reliefs und Statuen) und wichtig. Sie unterstützen die Architektur, sodass man von einem Gesamtwerk von Hansen und Thorvaldsen sprechen kann.  Dieses Zusammenspiel macht die Kirche zu einem Hauptwerk des europäischen Neu-Klassizismus. 

Die dänische Hauptstadt wurde erst ab 1922 ein selbstständiges Bistum und die Frauenkirche damit zum Dom geweiht.

Zuerst wurden die 12 Apostel und Christus von Italien aus nur aus Gips geliefert, erst zehn Jahre später wurden sie durch Marmorstauen ersetzt. Der ursprüngliche Plan, die Christus-Statue in der Schlosskirche aufzustellen, wurde geändert und 1838 schließlich entschieden, dass sie in der Frauenkirche bleiben sollte.

Siegeszug einer Statue

Schon zu Lebzeiten Thorvaldsens fing man an Zeichnungen, von seinen Werken für den Verkauf anzufertigen, und ein italienischer Kupferstecher bekam die Genehmigung, Kupferstiche herzustellen und zu verkaufen.

Von Mitte des 19. Jahrhunderts an gehörte es zum guten Ton, eine Christusfigur-Kopie zu besitzen, aus Ton, Gips oder Biskuit-Porzellan. Sie war für die gute Stube oder für Kirchen, aus Zink oder Bronze für den Friedhof geschaffen. Ein Beispiel findet man in der Ballum Kirche südlich von Ribe.

Nicht nur in Dänemark, sehr oft auch auf schleswig-holsteinischen Friedhöfen, sind solche Christus-Statuen zu finden. Schon 1841 erwarb die Königliche Porzellan Fabrik die Alleinrechte zur Herstellung der Christus-Statue in einer Größe von 35 cm in Biskuit-Porzellan. Später wurde das Angebot deutlich erweitert.

Die Kirche zu Ballum in Nordschleswig – auch hier kann man die Arbeit von Thorvaldsen bewundern. Foto: Margrethe Floryan

Bergmann und die Christus-Statue

 

Die Popularität der Christus-Statue zeigt sich auch in der Literatur. Bei Thomas Manns Buddenbrooks wird erzählt, wie die Thorvaldsen-Christus-Statue nach einem Todesfall im Vorzimmer des Kaufmanns aufgestellt wurde.  Ingmar Bergmann erzählt in seinen Erinnerungen, wie seine Großeltern in den 1920er Jahren Gottesdienste in der Wohnstube mit der Christus-Statue auf einem Spitzentuch abhielten.

Auch das Thorvaldsens Museum hat seit seiner Eröffnung eine umfassende Produktion von Gipsabgüssen von seinen Werken.100 Jahre nach der Eröffnung des Museums konnte es 175 Katalognummern anbieten, sogar eine Thorvaldsen-Christus-Figur in Originalgröße.  Eine solche wurde 1936 in der Evangelischen Böhmischen Brüdergemeine in Pilsen, Tschechien, aufgestellt.

Nach Thorvaldsens Tod 1844 gab es sowohl in Dänemark als auch im Ausland eine regelrechte Massenproduktion. Hätte Thorvaldsens Familie oder das Museum die Patentrechte der Figuren, wie die Nachkommen von Edvard Eriksen, wären sie heute steinreich. Heute wird in den Carrara Marmorwerken Thorvaldsens Christus-Staute immer noch aus Stein gemeißelt, aber es gibt starke Konkurrenz aus China. Die Nachfrage scheint aktuell immer noch groß zu sein.

Originalgröße in Bronze

Im Innenhof der Friedenskirche im Schlosspark Sanssouci in Potsdam steht die Christus-Figur in Originalgröße in Bronze. In der Martin Luther Kirche in Gütersloh ist der Taufengel in Zink als bedeutendstes Ausstattungsstück zu bewundern. Es war ein Geschenk des späteren Kaisers Friedrich III. aus Dankbarkeit, dass er ein Bahnunglück bei Gütersloh 1851 überlebt hatte. 

Als in den 1920er Jahren eine neue Kirche in Kolding gebaut werden sollte, dienten sowohl C. F. Hansens Kirchenarchitektur als auch Thorvaldsens Ausschmückung als Vorbild. Eine Christus-Statue steht auch hier als Altarschmuck. In der Zions Kirche in Ilulissat, Grönland, steht sie ebenfalls und passt mit ihrer weißen Farbe zu der Inneneinrichtung der Kirche in Blau wie das Meer und das Weiß der Eisberge.

Eine besondere Kopie in Originalgröße befand sich im Nidarosdom in Trondheim, der bedeutendsten Kirche Norwegens, der Grabkirche von Olav dem Heiligen. Aber da sie nur aus Gips war, wurde sie bei der Renovierung 1869 entfernt.

Sonderausstellung

In neuerer Zeit hat die Mormonenkirche in den USA die Christus-Statue für sich entdeckt. 1966 wurde die erste Produktion von der Statue in voller Größe aus Marmor im Hauptquartier der Mormonen in Salt Lake City aufgestellt. Danach wurden hundertfach Reproduktionen ebenfalls weltweit in ihre Kirchen übernommen, viele davon in Originalgrößen aus Marmor. Seit den 1990er Jahren werden auch 3D-Scans als Grundlage für die Reproduktionen verwendet. Für den weiteren Siegeszug um die Welt ist also gesorgt.   

In diesem Sommer eröffnet das Thorvaldsens Museum eine Sonderausstellung über die Christus-Statue. Mit diesem Artikel werden die Leser dazu aufgefordert, sich auf die Suche nach Christus-Statuen zu begeben. Wo im In- und Ausland befinden sich Kopien von Thorvaldsens berühmtem Christus, seinem Taufengel oder andere Werke?

Schicken Sie ein Foto an  thm@thorvaldsensmuseum.dk mit „Foto Thorvaldsen“ gekennzeichnet oder per Post. Die Fotos stellt man dann dem Museum frei und ohne Vergütung zur Verfügung. Sie sollen teilweise in der Ausstellung gezeigt werden.

Die Vor Frue Kirke in Kopenhagen – die Domkirche der Hauptstadt – im vollen Ausschnitt. Foto: Jakob Faurvig
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