Buchvorstellung

Den Namen ein Gesicht geben

Den Namen ein Gesicht geben

Den Namen ein Gesicht geben

Claudia Knauer
Claudia Knauer
Apenrade/Aabenraa
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Fred Zimmak und Bernd Philipsen Foto: Deutsche Büchereien Nordschleswig

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Am Mittwochabend haben Fred Zimmak und Bernd Philipsen auf Einladung des Verbandes Deutscher Büchereien in Nordschleswig in einer Zoomveranstaltung das von ihnen herausgegebene Buch „Wir sollten leben – Am 1. Mai 1945 von Kiel mit Weißen Bussen nach Schweden in die Freiheit“ vorgestellt.

Wie soll man Worte finden für das Grauen der Judenvernichtung durch die Nazis? Wo anfangen angesichts der sechs Millionen Toten? Fred Zimmak und Bernd Philipsen haben von den unbegreifbaren Zahlen abgesehen und die Geschichten einzelner Menschen verfolgt und aufgeschrieben. „Wer auch immer ein einziges Leben rettet, der ist, als ob er die ganze Welt gerettet hätte", zitierte Bernd Philipsen eingehend eines der  bedeutendsten Schriftwerke des Judentums, den Talmud. Am Mittwochabend haben die beiden auf Einladung des Verbandes Deutscher Büchereien in Nordschleswig in einer Zoomveranstaltung das von ihnen herausgegebene Buch „Wir sollten leben – Am 1. Mai 1945 von Kiel mit Weißen Bussen nach Schweden in die Freiheit“ vorgestellt.

Auch wenn viele schon zu oft vor dem Schirm sitzen müssen, bot diese Art Veranstaltung den rund 35 Gästen zu genau diesem emotionalen Thema den richtigen Rahmen. Man erhielt einen „persönlichen und intimen Einblick“, formulierte es ein Zuhörer und sprach damit vielen aus der Seele.

Bernd Philipsen berichtete vom schwedischen Unterhändler des Grafen Folke Bernadotte, dem in Friedrichstadt geborenen Norbert Masur, der am 20. April 1945 erfolgreich in einer nächtlichen Sitzung in Nordbrandenburg mit SS-Chef Heinrich Himmler über die Rettung jüdischer KZ-Häftlinge verhandelte. Die berühmten Weißen Busse – weiß angestrichene, mit dem Roten Kreuz und der schwedischen bzw. dänischen Flagge versehene Fahrzeuge – konnten sich in Bewegung setzen und Menschenleben retten, die auch oder gerade so kurz vor Kriegsende in äußerster Gefahr waren. Auch aus Pattburg fuhren Weiße Busse los und zwar nach Kiel in das, was die Nazis Arbeits- und Erziehungslager Nordmark in Kiel-Hassee nannten, was in Wirklichkeit aber ein Konzentrationslager war. 153 Häftlinge, Frauen, Männer und Kinder, wurden nach Dänemark gebracht, in Pattburg erstversorgt und schließlich in Zügen nach Kopenhagen und schlussendlich nach Schweden in Sicherheit gebracht.

Dem Lebensweg dieser Menschen, deren Akten Fred Zimmak und der Journalist Bernd Philipsen im Staatsarchiv in Stockholm einsehen konnten, sind die Herausgeber bis nach Australien und die USA gefolgt. „Wir wollten den Namen und Zahlen Gesichter geben“, erklärte Philipsen in der anschließenden Diskussionsrunde.

Fred Zimmak ist der in Schweden geborene Sohn zweier KZ-Überlebender, die sich im Flüchtlingslager in Schweden kennen- und sehr schnell lieben gelernt hatten. Er berichtete vom Leidensweg seines Vaters und seiner Mutter. „Gesprochen haben sie darüber fast nie. Es wäre wohl zu schmerzlich für sie gewesen“, erinnerte sich Zimmak. Sein Vater Leonhard musste den gewaltsamen Tod seines Erstgeborenen und seiner ersten Frau erleiden. Die Überschrift im Buch über sein Kapitel lautet: „Dass ich noch normal bin, ist wirklich ein Wunder.“

Das Buch, mit einem Vorwort der schleswig-holsteinischen Kultusministerin Karin Prien, berichtet in knapp 20 Kapiteln vom Einzelschicksal der Individuen und illustriert das umfangreich mit Bildmaterial.

Beide Männer haben eine enorm große Arbeit geleistet. „Ich hoffe immer, dass die Welt ein bisschen besser wird“, wie Fred Zimmak erzählte. Er schob aber auch hinterher: „Und die Leute lachen dann immer ein bisschen.“

Das tat bei dieser Zoomveranstaltung keine/r. Im Gegenteil, allen lag es am Herzen, die Geschichte(n) weiterzuzählen, damit nichts vergessen wird.

Das Buch kann über die deutschen Büchereien entliehen oder im Buchhandel bezogen werden: „Wir sollten leben“, Novalisverlag, 19,80 Euro.

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