Deutsche Bücherei
Judith Hermann: Bindeglied zwischen zwei Lesekulturen
Judith Hermann: Bindeglied zwischen zwei Lesekulturen
Judith Hermann: Bindeglied zwischen zwei Lesekulturen
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Auch literarisch hatte die deutsch-dänische Kulturwoche etwas zu bieten: Bestsellerautorin Judith Hermann zog am Sonntag sowohl dänische als auch deutsche Hermann-Begeisterte in die Deutsche Zentralbücherei Apenrade. Sie hat eine Vermutung, warum ihre Bücher gerade in Dänemark so beliebt sind.
„Für diese Art zu schreiben haben Dänen eine gewisse Sympathie, was für mich sehr beglückend ist“, antwortet Autorin Judith Hermann auf die Frage aus dem Publikum, wie sie sich die große Beliebtheit ihrer Bücher in Dänemark erklärt.
Im Rahmen der deutsch-dänischen Kulturwoche hatte Büchereidirektorin Claudia Knauer die Bestsellerautorin für eine Lesung in der Deutschen Zentralbücherei Apenrade gewinnen können. Ihr aktuelles Buch: Wir hätten uns alles gesagt (2023).
Das karge Erzählen, die Kühle in den Geschichten, mögen Stilmittel sein, die Literaturinteressierten in Dänemark besonders zusagen, vermutet Hermann und liefert so einen „kleinen Erklärungsversuch“ – wie sie es nennt. Auch wenn sie manchmal Angst habe, dass das Interesse nachlassen könnte, wenn sie auflöst, warum es da ist.
Mit Kurzgeschichten ins dänische Literaturherz
Die Rezensionen aus dänischen Zeitungen bekomme sie oft übersetzt. „Und mir ist aufgefallen, dass deren Interpretationen oft viel näher an das herankommen, was ich sagen möchte.“ Auch gebe es bei dänischen Leserinnen und Lesern eine größere Bereitschaft für Kurzgeschichten als in Deutschland. Für ihren Kurzgeschichten-Band Lettipark hatte Hermann 2018 den Blixenprisen erhalten.
Dass sie bei literaturbegeisterten Däninnen und Dänen einen Nerv trifft, spiegelt auch das Publikum an diesem Sonntagnachmittag wider. Nicht wenige Anwesende haben die Werke der Bestsellerautorin auf Dänisch gelesen – übersetzt von Judyta Preis und Jørgen Herman Monrad – und ziehen es außerdem vor, an sie gerichtete Fragen auf Dänisch zu beantworten. So auch Line Kveiborg. „Ich habe von der Veranstaltung gehört, und jetzt bin ich hier, weil ich einfach ein riesiger Fan bin“, sagt sie.
Charlotte Stoltenberg von der dänischen Bibliothek möchte es sich ebenfalls nicht nehmen lassen, Hermann zu erleben. Hatte sie doch für die Ausrichtung der Kulturwoche eng mit den deutschen Kolleginnen zusammengearbeitet. „Ich bin halb privat und halb aus beruflichen Gründen hier. Ich habe Judith Hermann gelesen und finde, dass sie einfach total fantastisch ist. Sie erinnert mit ihrem Stil ein wenig an die skandinavischen Schriftstellerinnen und Schriftsteller“, antwortet sie.
Von der Hybris bis zur Vernichtung
Judith Hermann schafft also genau das, was das Ziel der deutsch-dänischen Kulturwoche ist: Sie verbindet zwei Lesekulturen miteinander.
Hermann hat das Publikum an diesem Nachmittag von Beginn an für sich eingenommen. Mit herzlichen Worten bedankt sie sich bei den Anwesenden dafür, dass diese trotz des schönen Wetters – sie nennt es den letzten Sommertag – gekommen sind, um sie zu erleben.
Und aus diesem Bann, in den sie die Anwesenden mit ihrer Freundlichkeit zieht, scheint sich während der kommenden anderthalb Stunden niemand lösen zu können – und es auch nicht zu wollen. Auf bodenständige, offene und humorvolle Art gibt Hermann Einblicke in ihre Gefühls- und Gedankenwelt.
Und so erfährt das Publikum von der „grässlichen Zeit“, die Hermann durchlebt, wenn ihr Text im Lektorat liegt. „Der Gefühlszustand reicht von Hybris bis zur Vernichtung.“ Bis die erlösende Rückmeldung kommt.
Die Rückmeldung in Form von Applaus und Signier-Nachfrage an diesem Nachmittag lässt auf jeden Fall keinen Zweifel daran, dass Judith Hermann genau der richtige Gast war, um dänische und deutsche Literaturbegeisterte zusammenzubringen.