Geschichte

Öffnung der Bovrup-Kartei: War mein Opa ein Nazi?

Öffnung der Bovrup-Kartei: War mein Opa ein Nazi?

Öffnung der Bovrup-Kartei: War mein Opa ein Nazi?

Jon Thulstrup
Jon Thulstrup
Kopenhagen
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Symbolbild Foto: Samuel Zeller/Unsplash

Erstmals erhält die Öffentlichkeit in Dänemark digitale Einsicht in die Liste der Mitglieder der ehemaligen dänischen Nazi-Partei. Ein Fünftel der Namen ist veröffentlicht worden.

Bovrup-kartoteket

Die Bovrup-Kartei kann unter www.slaegtogdata.dk heruntergeladen werden.

Seit Ende des Zweiten Weltkrieges war es der Öffentlichkeit verwehrt, Zugang zur Bovrup-Kartei zu erhalten. In dieser ist ein Großteil der dänischen Mitglieder der DNSAP (Danmarks Nationalsocialistiske Arbejderparti) aufgelistet. Doch nun hat der Verein der dänischen Ahnenforscher einen Teil der Kartei digital veröffentlicht.  Das berichtet die Tageszeitung Kristeligt-Dagblad. Demnach sind nun 5.265 von insgesamt 22.795 Namen in der Bovrup-Kartei öffentlich. Hintergrund: Das Datenschutzgesetz gibt vor, dass aufgelistete Personen mindestens seit zehn Jahren verstorben sein müssen.

„Wir bekommen schon seit Jahren Anfragen von Familienangehörigen, die wissen wollen, ob ihre Familienmitglieder in der DNSAP waren“, so Per Andersen, Leiter der Ahnenforschungs-Bücherei.

Für Forscher war die Bovrup-Kartei schon seit Längerem zugänglich, erklärt der Historiker Therkel Stræde von der Süddänischen Universität gegenüber dem Nordschleswiger. „Die Kartei ist ein wertvolles Forschungswerkzeug. Doch nur, weil einige Personen nicht in der Kartei verzeichnet sind, heißt das noch lange nicht, dass sie keine Nazis waren“, so Stræde. Er glaubt, dass die veröffentlichte Namensliste in der Gesellschaft für viel Aufsehen sorgen wird.

„Natürlich werden einige es spannend finden, nachzusehen, ob der frühere Nachbar oder ein Familienangehöriger Mitglied in der dänischen Nazi-Partei war“, so der Historiker.

Minderheitenmitglieder in der Bovrup-Kartei unwahrscheinlich

Dass Mitglieder der Deutschen Minderheit in der Bovrup-Kartei zu finden sind, schätzt der Leiter des Archivs und Forschungsstelle der deutschen Volksgruppe, Frank Lubowitz, als unwahrscheinlich ein. „Grundsätzlich verfolgten die dänischen und deutschen Nazis in Dänemark unterschiedliche Ziele. Die Deutschen beispielsweise, darunter die Minderheit, waren für eine Ausweitung des Deutschen Reiches nach Norden“, erklärt Lubowitz. Demnach sei es für ihn nicht anzunehmen, dass ein Minderheitenangehöriger in der Namensliste der Bovrup-Kartei zu finden ist. „Es müsste schon ein ganz besonderer Lebensweg sein, der ihn dorthin gebracht hätte“, so Lubowitz.

Der Museumsleiter des Frösleelagers, Henrik Skov Kristensen, sieht das ähnlich. „Die Bovrup-Kartei listet die Mitglieder der Partei von Frits Clausen, der ein blühender süderjütischer Nationalist war, auf. Er bestand auf eine dänisch-deutsche Grenze an der Eider“, so Skov Kristensen – und ergänzt: „Wenn eine Person aus der Minderheit sich ihm angeschlossen hätte, dann hätte das als `Hochverrat´ bezeichnet werden können.“

Kristensen zufolge sammelten sich die Angehörigen der Minderheit in der Partei um Jens Möller. „Während des Krieges differenzierten sich die beiden Parteien an der Nationalität und der Grenzfrage. Dieser Streit wurde erst nach dem Krieg bei der Rechtsabrechnung beigelegt, weil man nun ein gemeinsames Schicksal hatte“, so der Historiker. Er erklärt, dass die Bovrup-Kartei nach dem Zweiten Weltkrieg von der Widerstandsbewegung veröffentlicht und in vielen Exemplaren gedruckt wurde. Erst 1946 wurde das Buch offiziell verboten. „Doch bei einer intensiven Suche, konnte man Exemplare in ausgewählten Antik-Läden finden“, so Skov Kristensen abschließend.  

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